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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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gewesen, sie zu thun. Er hat einen Blutsturz gehabt, der Minister selber sagte es. -- Aber wann denn? wann ist's geschehen? fragte die Mutter. -- Vor drei Tagen. Er ist in der Sommerwohnung des Ministers gewesen, schnell nach Hause gegangen und, kaum dort angelangt, hat er den Anfall erlitten. Sie sagen, er sei sehr, sehr krank! berichtete sie und brach dabei mit der ihr eigenen Heftigkeit in Thränen aus.

Caroline! rief die Mutter mit Erstaunen, was bedeutet das? -- O, nichts, nichts! ich habe eben kein Glück auf der Welt! -- und sie weinte noch heftiger. Ich saß sprachlos da und hatte keine Thräne.

Ihr ganzer Zustand war mir unerklärlich. Ich hatte geglaubt, sie allein habe meine Liebe errathen, ich hatte mich von ihr mehr als ich wünschen konnte beobachtet geglaubt und es längst bereut, sie geflissentlich mit Klemenz in Berührung gebracht zu haben, es war in den Augenblicken meiner Verblendung wohl auch meine Eifersucht rege geworden gegen sie, aber daß sie ihn liebte, so heftig liebte, darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Die Mutter sprach ihr Trost ein, indem sie an Beispielen bewies, wie lange Menschen oft nach solchen Anfällen gesund gelebt; aber kaum hatte sie das Zimmer verlassen, als Caroline sich von dem Sopha aufrichtete, auf das sie sich geworfen, und mir um den Hals fiel.

Julie, redete sie, ich weiß es, du bist gut. Leiste mir den höchsten Dienst, den ein Mensch mir leisten

gewesen, sie zu thun. Er hat einen Blutsturz gehabt, der Minister selber sagte es. — Aber wann denn? wann ist's geschehen? fragte die Mutter. — Vor drei Tagen. Er ist in der Sommerwohnung des Ministers gewesen, schnell nach Hause gegangen und, kaum dort angelangt, hat er den Anfall erlitten. Sie sagen, er sei sehr, sehr krank! berichtete sie und brach dabei mit der ihr eigenen Heftigkeit in Thränen aus.

Caroline! rief die Mutter mit Erstaunen, was bedeutet das? — O, nichts, nichts! ich habe eben kein Glück auf der Welt! — und sie weinte noch heftiger. Ich saß sprachlos da und hatte keine Thräne.

Ihr ganzer Zustand war mir unerklärlich. Ich hatte geglaubt, sie allein habe meine Liebe errathen, ich hatte mich von ihr mehr als ich wünschen konnte beobachtet geglaubt und es längst bereut, sie geflissentlich mit Klemenz in Berührung gebracht zu haben, es war in den Augenblicken meiner Verblendung wohl auch meine Eifersucht rege geworden gegen sie, aber daß sie ihn liebte, so heftig liebte, darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Die Mutter sprach ihr Trost ein, indem sie an Beispielen bewies, wie lange Menschen oft nach solchen Anfällen gesund gelebt; aber kaum hatte sie das Zimmer verlassen, als Caroline sich von dem Sopha aufrichtete, auf das sie sich geworfen, und mir um den Hals fiel.

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[0101] gewesen, sie zu thun. Er hat einen Blutsturz gehabt, der Minister selber sagte es. — Aber wann denn? wann ist's geschehen? fragte die Mutter. — Vor drei Tagen. Er ist in der Sommerwohnung des Ministers gewesen, schnell nach Hause gegangen und, kaum dort angelangt, hat er den Anfall erlitten. Sie sagen, er sei sehr, sehr krank! berichtete sie und brach dabei mit der ihr eigenen Heftigkeit in Thränen aus. Caroline! rief die Mutter mit Erstaunen, was bedeutet das? — O, nichts, nichts! ich habe eben kein Glück auf der Welt! — und sie weinte noch heftiger. Ich saß sprachlos da und hatte keine Thräne. Ihr ganzer Zustand war mir unerklärlich. Ich hatte geglaubt, sie allein habe meine Liebe errathen, ich hatte mich von ihr mehr als ich wünschen konnte beobachtet geglaubt und es längst bereut, sie geflissentlich mit Klemenz in Berührung gebracht zu haben, es war in den Augenblicken meiner Verblendung wohl auch meine Eifersucht rege geworden gegen sie, aber daß sie ihn liebte, so heftig liebte, darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Die Mutter sprach ihr Trost ein, indem sie an Beispielen bewies, wie lange Menschen oft nach solchen Anfällen gesund gelebt; aber kaum hatte sie das Zimmer verlassen, als Caroline sich von dem Sopha aufrichtete, auf das sie sich geworfen, und mir um den Hals fiel. Julie, redete sie, ich weiß es, du bist gut. Leiste mir den höchsten Dienst, den ein Mensch mir leisten

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/101>, abgerufen am 22.11.2024.