ernster Haltung in einem Zimmer beisammen, in das freundlich die Strahlen der untergehen- den Sonne hineinfielen. Ein runder, mit kost- barem Teppich behangener Tisch, auf dem ein silberner Becken in silberner Schale stand, nahm die Mitte desselben ein. Neben diesem impro- visirten Hausaltar stand Jenny's Lehrer, der würdige Pastor, und erwartete, gleich den Übri- gen, den Eintritt seiner Schülerin. Sie hatte gewünscht, die letzten Stunden vor ihrer Taufe ganz allein zu bleiben, und ihren Bräutigam ersucht, sie erst rufen zu kommen, wenn Alles zu der feierlichen Handlung bereit sein würde.
Nun trat sie an Reinhard's Arm in das Zimmer und Allen fiel die Todtenblässe ihrer schönen Züge auf, als sie sich in die Nähe des Pastors stellte und Reinhard zurücktrat. Nach einer kurzen Anrede des Geistlichen sprach Jenny ihr Glaubensbekenntniß und empfing die Taufe. Sie schien furchtbar ergriffen zu sein und bebte
ernſter Haltung in einem Zimmer beiſammen, in das freundlich die Strahlen der untergehen- den Sonne hineinfielen. Ein runder, mit koſt- barem Teppich behangener Tiſch, auf dem ein ſilberner Becken in ſilberner Schale ſtand, nahm die Mitte deſſelben ein. Neben dieſem impro- viſirten Hausaltar ſtand Jenny's Lehrer, der würdige Paſtor, und erwartete, gleich den Übri- gen, den Eintritt ſeiner Schülerin. Sie hatte gewünſcht, die letzten Stunden vor ihrer Taufe ganz allein zu bleiben, und ihren Bräutigam erſucht, ſie erſt rufen zu kommen, wenn Alles zu der feierlichen Handlung bereit ſein würde.
Nun trat ſie an Reinhard's Arm in das Zimmer und Allen fiel die Todtenbläſſe ihrer ſchönen Züge auf, als ſie ſich in die Nähe des Paſtors ſtellte und Reinhard zurücktrat. Nach einer kurzen Anrede des Geiſtlichen ſprach Jenny ihr Glaubensbekenntniß und empfing die Taufe. Sie ſchien furchtbar ergriffen zu ſein und bebte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0055"n="45"/>
ernſter Haltung in einem Zimmer beiſammen,<lb/>
in das freundlich die Strahlen der untergehen-<lb/>
den Sonne hineinfielen. Ein runder, mit koſt-<lb/>
barem Teppich behangener Tiſch, auf dem ein<lb/>ſilberner Becken in ſilberner Schale ſtand, nahm<lb/>
die Mitte deſſelben ein. Neben dieſem impro-<lb/>
viſirten Hausaltar ſtand Jenny's Lehrer, der<lb/>
würdige Paſtor, und erwartete, gleich den Übri-<lb/>
gen, den Eintritt ſeiner Schülerin. Sie hatte<lb/>
gewünſcht, die letzten Stunden vor ihrer Taufe<lb/>
ganz allein zu bleiben, und ihren Bräutigam<lb/>
erſucht, ſie erſt rufen zu kommen, wenn Alles<lb/>
zu der feierlichen Handlung bereit ſein würde.</p><lb/><p>Nun trat ſie an Reinhard's Arm in das<lb/>
Zimmer und Allen fiel die Todtenbläſſe ihrer<lb/>ſchönen Züge auf, als ſie ſich in die Nähe des<lb/>
Paſtors ſtellte und Reinhard zurücktrat. Nach<lb/>
einer kurzen Anrede des Geiſtlichen ſprach Jenny<lb/>
ihr Glaubensbekenntniß und empfing die Taufe.<lb/>
Sie ſchien furchtbar ergriffen zu ſein und bebte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[45/0055]
ernſter Haltung in einem Zimmer beiſammen,
in das freundlich die Strahlen der untergehen-
den Sonne hineinfielen. Ein runder, mit koſt-
barem Teppich behangener Tiſch, auf dem ein
ſilberner Becken in ſilberner Schale ſtand, nahm
die Mitte deſſelben ein. Neben dieſem impro-
viſirten Hausaltar ſtand Jenny's Lehrer, der
würdige Paſtor, und erwartete, gleich den Übri-
gen, den Eintritt ſeiner Schülerin. Sie hatte
gewünſcht, die letzten Stunden vor ihrer Taufe
ganz allein zu bleiben, und ihren Bräutigam
erſucht, ſie erſt rufen zu kommen, wenn Alles
zu der feierlichen Handlung bereit ſein würde.
Nun trat ſie an Reinhard's Arm in das
Zimmer und Allen fiel die Todtenbläſſe ihrer
ſchönen Züge auf, als ſie ſich in die Nähe des
Paſtors ſtellte und Reinhard zurücktrat. Nach
einer kurzen Anrede des Geiſtlichen ſprach Jenny
ihr Glaubensbekenntniß und empfing die Taufe.
Sie ſchien furchtbar ergriffen zu ſein und bebte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/55>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.