Reinhard und Erlau's unerwartetes Geständniß sie vielfach beschäftigt und ihre Gedanken von den Forschungen über das Christenthum abge- zogen hatten, bis der für die Taufe festgesetzte Termin herannahte und sie wieder darauf hin- lenkte. Als sie nun jenes Glaubensbekenntniß niederschreiben wollte, das sich eigentlich streng an die im Glauben enthaltenen Dogmen binden mußte; als sie ihr Nachdenken fest auf den Punkt richtete, fing das Luftgebäude ihrer künst- lichen Ueberzeugung zu schwanken an, und die Schöpfung einer regen Phantasie zerfloß vor dem hellen Strahl des Geistes. Das bemerkte Jenny mit Entsetzen. Sie hatte Ruhe und Heiterkeit gewonnen durch die Täuschung, der sie sich unbewußt hingegeben: was frommte ihr eine Einsicht, die ihr Beides schonungslos raubte, sie in das alte Chaos des Zweifels stürzte und, wenn sie wahr sein wollte, sie von Reinhard trennte, weil ihr Uebertritt zum Christenthum
Reinhard und Erlau's unerwartetes Geſtändniß ſie vielfach beſchäftigt und ihre Gedanken von den Forſchungen über das Chriſtenthum abge- zogen hatten, bis der für die Taufe feſtgeſetzte Termin herannahte und ſie wieder darauf hin- lenkte. Als ſie nun jenes Glaubensbekenntniß niederſchreiben wollte, das ſich eigentlich ſtreng an die im Glauben enthaltenen Dogmen binden mußte; als ſie ihr Nachdenken feſt auf den Punkt richtete, fing das Luftgebäude ihrer künſt- lichen Ueberzeugung zu ſchwanken an, und die Schöpfung einer regen Phantaſie zerfloß vor dem hellen Strahl des Geiſtes. Das bemerkte Jenny mit Entſetzen. Sie hatte Ruhe und Heiterkeit gewonnen durch die Täuſchung, der ſie ſich unbewußt hingegeben: was frommte ihr eine Einſicht, die ihr Beides ſchonungslos raubte, ſie in das alte Chaos des Zweifels ſtürzte und, wenn ſie wahr ſein wollte, ſie von Reinhard trennte, weil ihr Uebertritt zum Chriſtenthum
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Reinhard und Erlau's unerwartetes Geſtändniß
ſie vielfach beſchäftigt und ihre Gedanken von
den Forſchungen über das Chriſtenthum abge-
zogen hatten, bis der für die Taufe feſtgeſetzte
Termin herannahte und ſie wieder darauf hin-
lenkte. Als ſie nun jenes Glaubensbekenntniß
niederſchreiben wollte, das ſich eigentlich ſtreng
an die im Glauben enthaltenen Dogmen binden
mußte; als ſie ihr Nachdenken feſt auf den
Punkt richtete, fing das Luftgebäude ihrer künſt-
lichen Ueberzeugung zu ſchwanken an, und die
Schöpfung einer regen Phantaſie zerfloß vor
dem hellen Strahl des Geiſtes. Das bemerkte
Jenny mit Entſetzen. Sie hatte Ruhe und
Heiterkeit gewonnen durch die Täuſchung, der
ſie ſich unbewußt hingegeben: was frommte ihr
eine Einſicht, die ihr Beides ſchonungslos raubte,
ſie in das alte Chaos des Zweifels ſtürzte und,
wenn ſie wahr ſein wollte, ſie von Reinhard
trennte, weil ihr Uebertritt zum Chriſtenthum
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/28>, abgerufen am 26.04.2024.
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