lich schön; ich gestehe es, obgleich ich mich freue, daraus erwacht zu sein."
"Und was hat denn Ihre plötzliche Sinnes- änderung bewirkt, Herr Steinheim?" fragte Walter.
"Herr Graf! die Zeit kommt auch heran, wo wir was Gut's in Ruhe schmausen mö- gen", antwortete der Gefragte, sich selbst Bei- fall lächelnd. "Dies Reformiren, Politisiren und dergleichen schickt sich nur für die Jugend, die Nichts zu verlieren und Alles zu gewinnen hat. Zudem der ewige Aerger, in dem solch ein Parteienkampf uns hält, trieb mir die Galle ins Blut, raubte mir den Schlaf und hätte mich zuletzt noch um Gesundheit und Leben ge- bracht, wenn mir nicht endlich die Erkenntniß gekommen wäre, daß es für mich Zeit sei, den Liberalismus Andern zu überlassen und fortan nur mir, der Literatur, die Ansprüche an mich hat, und meiner Frau zu leben, die wol mit
lich ſchön; ich geſtehe es, obgleich ich mich freue, daraus erwacht zu ſein.“
„Und was hat denn Ihre plötzliche Sinnes- änderung bewirkt, Herr Steinheim?“ fragte Walter.
„Herr Graf! die Zeit kommt auch heran, wo wir was Gut's in Ruhe ſchmauſen mö- gen“, antwortete der Gefragte, ſich ſelbſt Bei- fall lächelnd. „Dies Reformiren, Politiſiren und dergleichen ſchickt ſich nur für die Jugend, die Nichts zu verlieren und Alles zu gewinnen hat. Zudem der ewige Aerger, in dem ſolch ein Parteienkampf uns hält, trieb mir die Galle ins Blut, raubte mir den Schlaf und hätte mich zuletzt noch um Geſundheit und Leben ge- bracht, wenn mir nicht endlich die Erkenntniß gekommen wäre, daß es für mich Zeit ſei, den Liberalismus Andern zu überlaſſen und fortan nur mir, der Literatur, die Anſprüche an mich hat, und meiner Frau zu leben, die wol mit
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lich ſchön; ich geſtehe es, obgleich ich mich freue,
daraus erwacht zu ſein.“
„Und was hat denn Ihre plötzliche Sinnes-
änderung bewirkt, Herr Steinheim?“ fragte
Walter.
„Herr Graf! die Zeit kommt auch heran,
wo wir was Gut's in Ruhe ſchmauſen mö-
gen“, antwortete der Gefragte, ſich ſelbſt Bei-
fall lächelnd. „Dies Reformiren, Politiſiren
und dergleichen ſchickt ſich nur für die Jugend,
die Nichts zu verlieren und Alles zu gewinnen
hat. Zudem der ewige Aerger, in dem ſolch
ein Parteienkampf uns hält, trieb mir die Galle
ins Blut, raubte mir den Schlaf und hätte
mich zuletzt noch um Geſundheit und Leben ge-
bracht, wenn mir nicht endlich die Erkenntniß
gekommen wäre, daß es für mich Zeit ſei, den
Liberalismus Andern zu überlaſſen und fortan
nur mir, der Literatur, die Anſprüche an mich
hat, und meiner Frau zu leben, die wol mit
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/255>, abgerufen am 27.11.2024.
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