Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Jenny schien erschöpft von der ungewohnten
Anstrengung.

"Führen Sie die Frau ins Haus", sagte
Jenny, als Walter dazu kam, "aber behutsam.
Das Kind behalte ich."

Walter erfüllte ihren Wunsch, und nachdem
man für die arme Kranke gesorgt hatte, er-
zählte Jenny, wie sie dieselbe ohnmächtig am
Wege gefunden, sie durch ihre Bemühungen
ins Leben gerufen und mit unsäglicher An-
strengung bis hieher gebracht, da jetzt in der
Mittagsstunde Niemand die Straße gekommen
sei, den sie um Hülfe hätte bitten können.

"Nicht Ein Mensch war zu sehen", sagte
sie. "Ich blickte nach allen Seiten, ich rief so
laut ich konnte und der unerträglichste Stutzer
wäre mir ein hülfreicher Götterbote gewesen,
wenn er in dem Augenblicke erschienen wäre."

"Es ist besser so!" meinte Clara. "Du

Jenny ſchien erſchöpft von der ungewohnten
Anſtrengung.

„Führen Sie die Frau ins Haus“, ſagte
Jenny, als Walter dazu kam, „aber behutſam.
Das Kind behalte ich.“

Walter erfüllte ihren Wunſch, und nachdem
man für die arme Kranke geſorgt hatte, er-
zählte Jenny, wie ſie dieſelbe ohnmächtig am
Wege gefunden, ſie durch ihre Bemühungen
ins Leben gerufen und mit unſäglicher An-
ſtrengung bis hieher gebracht, da jetzt in der
Mittagsſtunde Niemand die Straße gekommen
ſei, den ſie um Hülfe hätte bitten können.

„Nicht Ein Menſch war zu ſehen“, ſagte
ſie. „Ich blickte nach allen Seiten, ich rief ſo
laut ich konnte und der unerträglichſte Stutzer
wäre mir ein hülfreicher Götterbote geweſen,
wenn er in dem Augenblicke erſchienen wäre.“

„Es iſt beſſer ſo!“ meinte Clara. „Du

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0194" n="184"/>
Jenny &#x017F;chien er&#x017F;chöpft von der ungewohnten<lb/>
An&#x017F;trengung.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Führen Sie die Frau ins Haus&#x201C;, &#x017F;agte<lb/>
Jenny, als Walter dazu kam, &#x201E;aber behut&#x017F;am.<lb/>
Das Kind behalte ich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Walter erfüllte ihren Wun&#x017F;ch, und nachdem<lb/>
man für die arme Kranke ge&#x017F;orgt hatte, er-<lb/>
zählte Jenny, wie &#x017F;ie die&#x017F;elbe ohnmächtig am<lb/>
Wege gefunden, &#x017F;ie durch ihre Bemühungen<lb/>
ins Leben gerufen und mit un&#x017F;äglicher An-<lb/>
&#x017F;trengung bis hieher gebracht, da jetzt in der<lb/>
Mittags&#x017F;tunde Niemand die Straße gekommen<lb/>
&#x017F;ei, den &#x017F;ie um Hülfe hätte bitten können.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nicht Ein Men&#x017F;ch war zu &#x017F;ehen&#x201C;, &#x017F;agte<lb/>
&#x017F;ie. &#x201E;Ich blickte nach allen Seiten, ich rief &#x017F;o<lb/>
laut ich konnte und der unerträglich&#x017F;te Stutzer<lb/>
wäre mir ein hülfreicher Götterbote gewe&#x017F;en,<lb/>
wenn er in dem Augenblicke er&#x017F;chienen wäre.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;o!&#x201C; meinte Clara. &#x201E;Du<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0194] Jenny ſchien erſchöpft von der ungewohnten Anſtrengung. „Führen Sie die Frau ins Haus“, ſagte Jenny, als Walter dazu kam, „aber behutſam. Das Kind behalte ich.“ Walter erfüllte ihren Wunſch, und nachdem man für die arme Kranke geſorgt hatte, er- zählte Jenny, wie ſie dieſelbe ohnmächtig am Wege gefunden, ſie durch ihre Bemühungen ins Leben gerufen und mit unſäglicher An- ſtrengung bis hieher gebracht, da jetzt in der Mittagsſtunde Niemand die Straße gekommen ſei, den ſie um Hülfe hätte bitten können. „Nicht Ein Menſch war zu ſehen“, ſagte ſie. „Ich blickte nach allen Seiten, ich rief ſo laut ich konnte und der unerträglichſte Stutzer wäre mir ein hülfreicher Götterbote geweſen, wenn er in dem Augenblicke erſchienen wäre.“ „Es iſt beſſer ſo!“ meinte Clara. „Du

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/194
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/194>, abgerufen am 03.05.2024.