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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

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"Das also ist das Ende aller meiner Hoff-
nungen", rief er endlich und versank wieder in
sein früheres Brüten. "Ach, und Jenny", sagte
er dann, "was wird aus Dir mit Deinem
heißen Herzen?"

"Für das wird sich Trost finden", meinte
die Pfarrerin mit Bitterkeit. Denn kaum hatte
sie sich von dem ersten Schrecken erholt, als
ihr mit erneuerter Deutlichkeit Theresens Be-
hauptung einfiel, Jenny liebe Erlau und habe
sich schon lange nicht glücklich in Reinhard's
Liebe gefühlt. Die Pfarrerin war eine verstän-
dige, welterfahrne Frau, sie war aber auch
Christin und Mutter und tief verletzt in ihrem
Glauben und in ihrem Sohne. Unzählige ver-
schiedene Verhältnisse hatte sie im Leben kennen
gelernt. Selbst in dem Kreise ihrer Bekannten
gab es viele Juden, die zum Christenthum über-
getreten waren und glücklich und ruhig in dem-
selben lebten. Warum sollte Jenny allein, die

„Das alſo iſt das Ende aller meiner Hoff-
nungen“, rief er endlich und verſank wieder in
ſein früheres Brüten. „Ach, und Jenny“, ſagte
er dann, „was wird aus Dir mit Deinem
heißen Herzen?“

„Für das wird ſich Troſt finden“, meinte
die Pfarrerin mit Bitterkeit. Denn kaum hatte
ſie ſich von dem erſten Schrecken erholt, als
ihr mit erneuerter Deutlichkeit Thereſens Be-
hauptung einfiel, Jenny liebe Erlau und habe
ſich ſchon lange nicht glücklich in Reinhard's
Liebe gefühlt. Die Pfarrerin war eine verſtän-
dige, welterfahrne Frau, ſie war aber auch
Chriſtin und Mutter und tief verletzt in ihrem
Glauben und in ihrem Sohne. Unzählige ver-
ſchiedene Verhältniſſe hatte ſie im Leben kennen
gelernt. Selbſt in dem Kreiſe ihrer Bekannten
gab es viele Juden, die zum Chriſtenthum über-
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[137/0147] „Das alſo iſt das Ende aller meiner Hoff- nungen“, rief er endlich und verſank wieder in ſein früheres Brüten. „Ach, und Jenny“, ſagte er dann, „was wird aus Dir mit Deinem heißen Herzen?“ „Für das wird ſich Troſt finden“, meinte die Pfarrerin mit Bitterkeit. Denn kaum hatte ſie ſich von dem erſten Schrecken erholt, als ihr mit erneuerter Deutlichkeit Thereſens Be- hauptung einfiel, Jenny liebe Erlau und habe ſich ſchon lange nicht glücklich in Reinhard's Liebe gefühlt. Die Pfarrerin war eine verſtän- dige, welterfahrne Frau, ſie war aber auch Chriſtin und Mutter und tief verletzt in ihrem Glauben und in ihrem Sohne. Unzählige ver- ſchiedene Verhältniſſe hatte ſie im Leben kennen gelernt. Selbſt in dem Kreiſe ihrer Bekannten gab es viele Juden, die zum Chriſtenthum über- getreten waren und glücklich und ruhig in dem- ſelben lebten. Warum ſollte Jenny allein, die

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/147>, abgerufen am 24.11.2024.