Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Glauben, ohne Hoffnung, mir selbst eine Last,
was bleibt mir im Leben?" rief sie aus.

"Jenny!" sagte der Vater verweisend und
doch mit unaussprechlicher Liebe, zog seine Toch-
ter in seine Arme und rief auch die Mutter
herbei, daß sie Beide mit ihrer Liebe das Kind
beschatten möchten vor dem versengenden Strahl
des Schmerzes, der sie getroffen.

In tiefem Kummer schwanden Stunden und
Tage für Jenny hin; immer erwartete sie, Rein-
hard werde zur Erkenntniß kommen, er werde
bereuen, und wenn auch eine Wiedervereinigung
unmöglich sei, werde er dennoch kommen, um
sie noch einmal zu sehen, um in Frieden von
ihr zu scheiden. Aber vergebens. Und wieder
verlangte Jenny, dem Geliebten zu schreiben, sie
wollte ihm nur sagen, wie sie Niemanden liebe,
als ihn, wie ihr der Argwohn in Bezug auf
Erlau unbegreiflich und schmerzlich sei. Sie

Glauben, ohne Hoffnung, mir ſelbſt eine Laſt,
was bleibt mir im Leben?“ rief ſie aus.

„Jenny!“ ſagte der Vater verweiſend und
doch mit unausſprechlicher Liebe, zog ſeine Toch-
ter in ſeine Arme und rief auch die Mutter
herbei, daß ſie Beide mit ihrer Liebe das Kind
beſchatten möchten vor dem verſengenden Strahl
des Schmerzes, der ſie getroffen.

In tiefem Kummer ſchwanden Stunden und
Tage für Jenny hin; immer erwartete ſie, Rein-
hard werde zur Erkenntniß kommen, er werde
bereuen, und wenn auch eine Wiedervereinigung
unmöglich ſei, werde er dennoch kommen, um
ſie noch einmal zu ſehen, um in Frieden von
ihr zu ſcheiden. Aber vergebens. Und wieder
verlangte Jenny, dem Geliebten zu ſchreiben, ſie
wollte ihm nur ſagen, wie ſie Niemanden liebe,
als ihn, wie ihr der Argwohn in Bezug auf
Erlau unbegreiflich und ſchmerzlich ſei. Sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0156" n="146"/>
Glauben, ohne Hoffnung, mir &#x017F;elb&#x017F;t eine La&#x017F;t,<lb/>
was bleibt mir im Leben?&#x201C; rief &#x017F;ie aus.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jenny!&#x201C; &#x017F;agte der Vater verwei&#x017F;end und<lb/>
doch mit unaus&#x017F;prechlicher Liebe, zog &#x017F;eine Toch-<lb/>
ter in &#x017F;eine Arme und rief auch die Mutter<lb/>
herbei, daß &#x017F;ie Beide mit ihrer Liebe das Kind<lb/>
be&#x017F;chatten möchten vor dem ver&#x017F;engenden Strahl<lb/>
des Schmerzes, der &#x017F;ie getroffen.</p><lb/>
        <p>In tiefem Kummer &#x017F;chwanden Stunden und<lb/>
Tage für Jenny hin; immer erwartete &#x017F;ie, Rein-<lb/>
hard werde zur Erkenntniß kommen, er werde<lb/>
bereuen, und wenn auch eine Wiedervereinigung<lb/>
unmöglich &#x017F;ei, werde er dennoch kommen, um<lb/>
&#x017F;ie noch einmal zu &#x017F;ehen, um in Frieden von<lb/>
ihr zu &#x017F;cheiden. Aber vergebens. Und wieder<lb/>
verlangte Jenny, dem Geliebten zu &#x017F;chreiben, &#x017F;ie<lb/>
wollte ihm nur &#x017F;agen, wie &#x017F;ie Niemanden liebe,<lb/>
als ihn, wie ihr der Argwohn in Bezug auf<lb/>
Erlau unbegreiflich und &#x017F;chmerzlich &#x017F;ei. Sie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0156] Glauben, ohne Hoffnung, mir ſelbſt eine Laſt, was bleibt mir im Leben?“ rief ſie aus. „Jenny!“ ſagte der Vater verweiſend und doch mit unausſprechlicher Liebe, zog ſeine Toch- ter in ſeine Arme und rief auch die Mutter herbei, daß ſie Beide mit ihrer Liebe das Kind beſchatten möchten vor dem verſengenden Strahl des Schmerzes, der ſie getroffen. In tiefem Kummer ſchwanden Stunden und Tage für Jenny hin; immer erwartete ſie, Rein- hard werde zur Erkenntniß kommen, er werde bereuen, und wenn auch eine Wiedervereinigung unmöglich ſei, werde er dennoch kommen, um ſie noch einmal zu ſehen, um in Frieden von ihr zu ſcheiden. Aber vergebens. Und wieder verlangte Jenny, dem Geliebten zu ſchreiben, ſie wollte ihm nur ſagen, wie ſie Niemanden liebe, als ihn, wie ihr der Argwohn in Bezug auf Erlau unbegreiflich und ſchmerzlich ſei. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/156
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/156>, abgerufen am 27.12.2024.