Gab es kein anderes Spiel, als das mit mei- nem Herzen? Ich weiß jetzt Alles, weiß, daß mich mein Argwohn nicht betrog. Du kannst mich nicht mehr täuschen. Alle Bande zwischen uns sind gelöst, mein Gewissen verlangt, daß ich sie zerreiße, aber mein Herz blutet. Ich fühle, daß ich kein Weib die Meine nennen darf, dem der heilige Glaube, welchen zu ver- künden ich berufen bin, ein Spott ist. Und doch könnte ich Dich lieben, könnte Dich seg- nen, wenn Du mir nur die Möglichkeit gelassen hättest, Dich zu achten. Warum sagtest Du mir nicht, daß Du Erlau liebtest, daß nur er Dich beglücken könne? Für Dich wäre mir das Opfer nicht zu schwer gewesen. Aber Du lieb- test ihn und gelobtest mir Treue, Du verlachst meinen Glauben und schwörst, daß auch Dich Christus durch seinen alleinseligmachenden Tod mit dem Vater im Himmel vereint. Jenny, wie durftest Du so grausam das Ideal zerstö-
Gab es kein anderes Spiel, als das mit mei- nem Herzen? Ich weiß jetzt Alles, weiß, daß mich mein Argwohn nicht betrog. Du kannſt mich nicht mehr täuſchen. Alle Bande zwiſchen uns ſind gelöſt, mein Gewiſſen verlangt, daß ich ſie zerreiße, aber mein Herz blutet. Ich fühle, daß ich kein Weib die Meine nennen darf, dem der heilige Glaube, welchen zu ver- künden ich berufen bin, ein Spott iſt. Und doch könnte ich Dich lieben, könnte Dich ſeg- nen, wenn Du mir nur die Möglichkeit gelaſſen hätteſt, Dich zu achten. Warum ſagteſt Du mir nicht, daß Du Erlau liebteſt, daß nur er Dich beglücken könne? Für Dich wäre mir das Opfer nicht zu ſchwer geweſen. Aber Du lieb- teſt ihn und gelobteſt mir Treue, Du verlachſt meinen Glauben und ſchwörſt, daß auch Dich Chriſtus durch ſeinen alleinſeligmachenden Tod mit dem Vater im Himmel vereint. Jenny, wie durfteſt Du ſo grauſam das Ideal zerſtö-
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Gab es kein anderes Spiel, als das mit mei-
nem Herzen? Ich weiß jetzt Alles, weiß, daß
mich mein Argwohn nicht betrog. Du kannſt
mich nicht mehr täuſchen. Alle Bande zwiſchen
uns ſind gelöſt, mein Gewiſſen verlangt, daß
ich ſie zerreiße, aber mein Herz blutet. Ich
fühle, daß ich kein Weib die Meine nennen
darf, dem der heilige Glaube, welchen zu ver-
künden ich berufen bin, ein Spott iſt. Und
doch könnte ich Dich lieben, könnte Dich ſeg-
nen, wenn Du mir nur die Möglichkeit gelaſſen
hätteſt, Dich zu achten. Warum ſagteſt Du
mir nicht, daß Du Erlau liebteſt, daß nur er
Dich beglücken könne? Für Dich wäre mir das
Opfer nicht zu ſchwer geweſen. Aber Du lieb-
teſt ihn und gelobteſt mir Treue, Du verlachſt
meinen Glauben und ſchwörſt, daß auch Dich
Chriſtus durch ſeinen alleinſeligmachenden Tod
mit dem Vater im Himmel vereint. Jenny,
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/153>, abgerufen am 26.12.2024.
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