Jenny länger in der Anstalt zu lassen, fiel Niemand ein, weil man das bei ihrem Cha- rakter fast für unthunlich hielt und mit Recht fürchtete, daß ihre Fehler, die man zu bekäm- pfen wünschte, dort unter diesen Verhältnissen nur wachsen könnten. Man gab also den Be- such der Schule auf und Jenny sollte wieder zu Hause unterrichtet werden, wobei man aber die Aenderung machte, daß man ihr Therese Walter, die Tochter einer armen Beamten- wittwe, zur Gefährtin gab, die in der Nach- barschaft wohnte und mit der sie von früh auf bekannt gewesen. Bis dahin war diese Therese unserer Jenny sehr gleichgiltig gewesen. Jetzt, getrennt von der Schule, in welcher Umgang mit Mädchen ihr zum Bedürfniß geworden, mußte Therese ihr Ersatz für diese Entbehrung, ja ihr einziger Trost werden. Es bildete sich dadurch allmälig eine Freundschaft zwischen den beiden Mädchen, die sich sonst wohl niemals
Jenny länger in der Anſtalt zu laſſen, fiel Niemand ein, weil man das bei ihrem Cha- rakter faſt für unthunlich hielt und mit Recht fürchtete, daß ihre Fehler, die man zu bekäm- pfen wünſchte, dort unter dieſen Verhältniſſen nur wachſen könnten. Man gab alſo den Be- ſuch der Schule auf und Jenny ſollte wieder zu Hauſe unterrichtet werden, wobei man aber die Aenderung machte, daß man ihr Thereſe Walter, die Tochter einer armen Beamten- wittwe, zur Gefährtin gab, die in der Nach- barſchaft wohnte und mit der ſie von früh auf bekannt geweſen. Bis dahin war dieſe Thereſe unſerer Jenny ſehr gleichgiltig geweſen. Jetzt, getrennt von der Schule, in welcher Umgang mit Mädchen ihr zum Bedürfniß geworden, mußte Thereſe ihr Erſatz für dieſe Entbehrung, ja ihr einziger Troſt werden. Es bildete ſich dadurch allmälig eine Freundſchaft zwiſchen den beiden Mädchen, die ſich ſonſt wohl niemals
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Jenny länger in der Anſtalt zu laſſen, fiel
Niemand ein, weil man das bei ihrem Cha-
rakter faſt für unthunlich hielt und mit Recht
fürchtete, daß ihre Fehler, die man zu bekäm-
pfen wünſchte, dort unter dieſen Verhältniſſen
nur wachſen könnten. Man gab alſo den Be-
ſuch der Schule auf und Jenny ſollte wieder
zu Hauſe unterrichtet werden, wobei man aber
die Aenderung machte, daß man ihr Thereſe
Walter, die Tochter einer armen Beamten-
wittwe, zur Gefährtin gab, die in der Nach-
barſchaft wohnte und mit der ſie von früh auf
bekannt geweſen. Bis dahin war dieſe Thereſe
unſerer Jenny ſehr gleichgiltig geweſen. Jetzt,
getrennt von der Schule, in welcher Umgang
mit Mädchen ihr zum Bedürfniß geworden,
mußte Thereſe ihr Erſatz für dieſe Entbehrung,
ja ihr einziger Troſt werden. Es bildete ſich
dadurch allmälig eine Freundſchaft zwiſchen den
beiden Mädchen, die ſich ſonſt wohl niemals
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/72>, abgerufen am 24.11.2024.
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