Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite


den nebst vielen Andern verhaftet, längere Zeit
mit Verhören und Untersuchungen geplagt und
erst nach einem halben Jahre freigesprochen.
Meier hatte diese Zeit gezwungener Zurück-
gezogenheit benutzt, sich für sein Doctorexamen
vorzubereiten, das er in den ersten Tagen der
wiedererlangten Freiheit machte, worauf er in
seine Vaterstadt zurückkehrte, um dort seine
Carriere zu beginnen. Zwar blieb er, wie es
zu geschehen pflegte, noch immer unter der sorg-
samen Aufsicht der höhern Polizei, aber das
hinderte ihn nicht in der Ausübung seiner me-
dizinischen Praxis, die er gleich mit dem glück-
lichsten Erfolge begann. Anfänglich waren
es, wie gewöhnlich, nur die Armen, die seiner
Hulfe begehrten, und sie bei ihm fanden, doch
bald verbreitete sich das Gerücht von einigen
glücklichen Kuren, von seiner Uneigennützigkeit
und Menschenliebe: seine Praxis fing an, sich
auch in den höhern Ständen auszudehnen, und

I. 3


den nebſt vielen Andern verhaftet, längere Zeit
mit Verhören und Unterſuchungen geplagt und
erſt nach einem halben Jahre freigeſprochen.
Meier hatte dieſe Zeit gezwungener Zurück-
gezogenheit benutzt, ſich für ſein Doctorexamen
vorzubereiten, das er in den erſten Tagen der
wiedererlangten Freiheit machte, worauf er in
ſeine Vaterſtadt zurückkehrte, um dort ſeine
Carriere zu beginnen. Zwar blieb er, wie es
zu geſchehen pflegte, noch immer unter der ſorg-
ſamen Aufſicht der höhern Polizei, aber das
hinderte ihn nicht in der Ausübung ſeiner me-
diziniſchen Praxis, die er gleich mit dem glück-
lichſten Erfolge begann. Anfänglich waren
es, wie gewöhnlich, nur die Armen, die ſeiner
Hulfe begehrten, und ſie bei ihm fanden, doch
bald verbreitete ſich das Gerücht von einigen
glücklichen Kuren, von ſeiner Uneigennützigkeit
und Menſchenliebe: ſeine Praxis fing an, ſich
auch in den höhern Ständen auszudehnen, und

I. 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0061" n="49"/><lb/>
den neb&#x017F;t vielen Andern verhaftet, längere Zeit<lb/>
mit Verhören und Unter&#x017F;uchungen geplagt und<lb/>
er&#x017F;t nach einem halben Jahre freige&#x017F;prochen.<lb/>
Meier hatte die&#x017F;e Zeit gezwungener Zurück-<lb/>
gezogenheit benutzt, &#x017F;ich für &#x017F;ein Doctorexamen<lb/>
vorzubereiten, das er in den er&#x017F;ten Tagen der<lb/>
wiedererlangten Freiheit machte, worauf er in<lb/>
&#x017F;eine Vater&#x017F;tadt zurückkehrte, um dort &#x017F;eine<lb/>
Carriere zu beginnen. Zwar blieb er, wie es<lb/>
zu ge&#x017F;chehen pflegte, noch immer unter der &#x017F;org-<lb/>
&#x017F;amen Auf&#x017F;icht der höhern Polizei, aber das<lb/>
hinderte ihn nicht in der Ausübung &#x017F;einer me-<lb/>
dizini&#x017F;chen Praxis, die er gleich mit dem glück-<lb/>
lich&#x017F;ten Erfolge begann. Anfänglich waren<lb/>
es, wie gewöhnlich, nur die Armen, die &#x017F;einer<lb/>
Hulfe begehrten, und &#x017F;ie bei ihm fanden, doch<lb/>
bald verbreitete &#x017F;ich das Gerücht von einigen<lb/>
glücklichen Kuren, von &#x017F;einer Uneigennützigkeit<lb/>
und Men&#x017F;chenliebe: &#x017F;eine Praxis fing an, &#x017F;ich<lb/>
auch in den höhern Ständen auszudehnen, und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">I.</hi></hi> 3</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0061] den nebſt vielen Andern verhaftet, längere Zeit mit Verhören und Unterſuchungen geplagt und erſt nach einem halben Jahre freigeſprochen. Meier hatte dieſe Zeit gezwungener Zurück- gezogenheit benutzt, ſich für ſein Doctorexamen vorzubereiten, das er in den erſten Tagen der wiedererlangten Freiheit machte, worauf er in ſeine Vaterſtadt zurückkehrte, um dort ſeine Carriere zu beginnen. Zwar blieb er, wie es zu geſchehen pflegte, noch immer unter der ſorg- ſamen Aufſicht der höhern Polizei, aber das hinderte ihn nicht in der Ausübung ſeiner me- diziniſchen Praxis, die er gleich mit dem glück- lichſten Erfolge begann. Anfänglich waren es, wie gewöhnlich, nur die Armen, die ſeiner Hulfe begehrten, und ſie bei ihm fanden, doch bald verbreitete ſich das Gerücht von einigen glücklichen Kuren, von ſeiner Uneigennützigkeit und Menſchenliebe: ſeine Praxis fing an, ſich auch in den höhern Ständen auszudehnen, und I. 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/61
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/61>, abgerufen am 03.10.2024.