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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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der Rohheiten, die täglich selbst von sogenann-
ten gebildeten Christen gegen seine Glaubens-
genossen ausgeübt wurden. Er konnte sich
nicht denken, daß das Recht und die Wahrheit sich
auf einer Seite befänden, die so zu handeln im
Stande war, und Verfolgung machte auch ihn,
wie tausend Andere zu allen Zeiten, nur fester
seinem Volke angehörig. Natürlich wurde die
Stimmung des Volkes auch in der Schule
sichtbar, die Eduard besuchte. Spott und Krän-
kungen mancher Art blieben nicht aus; man
hoffte, der feige Judenjunge werde Alles ruhig
dulden. Darin hatte man sich aber geirrt.
Eduard's Charakter war furchtlos, und er er-
langte durch Uebung bald eine Gewandtheit und
Dreistigkeit, die Jeder zu erreichen vermag.
Er lernte fechten, reiten, schwimmen, und
nachdem er sich ein paarmal mit starker Hand
selbst sein Recht verschafft hatte, fand er Ruhe,
und endlich auch wieder seine frühere überlegene

der Rohheiten, die täglich ſelbſt von ſogenann-
ten gebildeten Chriſten gegen ſeine Glaubens-
genoſſen ausgeübt wurden. Er konnte ſich
nicht denken, daß das Recht und die Wahrheit ſich
auf einer Seite befänden, die ſo zu handeln im
Stande war, und Verfolgung machte auch ihn,
wie tauſend Andere zu allen Zeiten, nur feſter
ſeinem Volke angehörig. Natürlich wurde die
Stimmung des Volkes auch in der Schule
ſichtbar, die Eduard beſuchte. Spott und Krän-
kungen mancher Art blieben nicht aus; man
hoffte, der feige Judenjunge werde Alles ruhig
dulden. Darin hatte man ſich aber geirrt.
Eduard's Charakter war furchtlos, und er er-
langte durch Uebung bald eine Gewandtheit und
Dreiſtigkeit, die Jeder zu erreichen vermag.
Er lernte fechten, reiten, ſchwimmen, und
nachdem er ſich ein paarmal mit ſtarker Hand
ſelbſt ſein Recht verſchafft hatte, fand er Ruhe,
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[43/0055] der Rohheiten, die täglich ſelbſt von ſogenann- ten gebildeten Chriſten gegen ſeine Glaubens- genoſſen ausgeübt wurden. Er konnte ſich nicht denken, daß das Recht und die Wahrheit ſich auf einer Seite befänden, die ſo zu handeln im Stande war, und Verfolgung machte auch ihn, wie tauſend Andere zu allen Zeiten, nur feſter ſeinem Volke angehörig. Natürlich wurde die Stimmung des Volkes auch in der Schule ſichtbar, die Eduard beſuchte. Spott und Krän- kungen mancher Art blieben nicht aus; man hoffte, der feige Judenjunge werde Alles ruhig dulden. Darin hatte man ſich aber geirrt. Eduard's Charakter war furchtlos, und er er- langte durch Uebung bald eine Gewandtheit und Dreiſtigkeit, die Jeder zu erreichen vermag. Er lernte fechten, reiten, ſchwimmen, und nachdem er ſich ein paarmal mit ſtarker Hand ſelbſt ſein Recht verſchafft hatte, fand er Ruhe, und endlich auch wieder ſeine frühere überlegene

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/55>, abgerufen am 24.11.2024.