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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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junge Herr alle Segel aufsetzte, um eingeladen
zu werden. Ich bitte Dich, Reinhard, ärgere
Dich über den Laffen nicht, und laß ihn
laufen."

Die Unterhaltung war zu einem Punkte
gekommen, auf dem sie leicht eine verdrieß-
liche Wendung nehmen konnte, da öffnete sich
plötzlich die Thür und ein junger, hübscher
Mann, kaum dreißig Jahre alt, trat in das
Zimmer. Er war nur mittler Größe, aber kräftig
und wohlgebaut, hatte krauses, schwarzes Haar,
eine gebogene Nase, ein Paar durchdringend
kluge, schwarze Augen, und vor Allem eine hohe,
gewölbte Stirn, die beim ersten Anblick den
Mann von Geist und Charakter verrieth. Seine
Bewegungen waren rasch, wie sein Blick. Er
hatte eine gelbliche, aber gesunde Farbe, und war
modern, doch ganz einfach gekleidet. Kaum war
er in das Zimmer getreten, als Erlau und Rein-
hard ihm mit dem Ausruf: "Guten Abend,

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junge Herr alle Segel aufſetzte, um eingeladen
zu werden. Ich bitte Dich, Reinhard, ärgere
Dich über den Laffen nicht, und laß ihn
laufen.“

Die Unterhaltung war zu einem Punkte
gekommen, auf dem ſie leicht eine verdrieß-
liche Wendung nehmen konnte, da öffnete ſich
plötzlich die Thür und ein junger, hübſcher
Mann, kaum dreißig Jahre alt, trat in das
Zimmer. Er war nur mittler Größe, aber kräftig
und wohlgebaut, hatte krauſes, ſchwarzes Haar,
eine gebogene Naſe, ein Paar durchdringend
kluge, ſchwarze Augen, und vor Allem eine hohe,
gewölbte Stirn, die beim erſten Anblick den
Mann von Geiſt und Charakter verrieth. Seine
Bewegungen waren raſch, wie ſein Blick. Er
hatte eine gelbliche, aber geſunde Farbe, und war
modern, doch ganz einfach gekleidet. Kaum war
er in das Zimmer getreten, als Erlau und Rein-
hard ihm mit dem Ausruf: „Guten Abend,

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[9/0021] junge Herr alle Segel aufſetzte, um eingeladen zu werden. Ich bitte Dich, Reinhard, ärgere Dich über den Laffen nicht, und laß ihn laufen.“ Die Unterhaltung war zu einem Punkte gekommen, auf dem ſie leicht eine verdrieß- liche Wendung nehmen konnte, da öffnete ſich plötzlich die Thür und ein junger, hübſcher Mann, kaum dreißig Jahre alt, trat in das Zimmer. Er war nur mittler Größe, aber kräftig und wohlgebaut, hatte krauſes, ſchwarzes Haar, eine gebogene Naſe, ein Paar durchdringend kluge, ſchwarze Augen, und vor Allem eine hohe, gewölbte Stirn, die beim erſten Anblick den Mann von Geiſt und Charakter verrieth. Seine Bewegungen waren raſch, wie ſein Blick. Er hatte eine gelbliche, aber geſunde Farbe, und war modern, doch ganz einfach gekleidet. Kaum war er in das Zimmer getreten, als Erlau und Rein- hard ihm mit dem Ausruf: „Guten Abend, 1 **

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/21>, abgerufen am 28.03.2024.