Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.Diejenigen nicht bemittelten und doch den gebildeten Ständen angehörenden Familien, deren Geist frei genug ist, ihren Töchtern die Freiheit der Arbeit zu gewähren, thun ein wahrhaft verdienstliches Werk; und diejenigen jungen gebildeten und gesitteten Frauenzimmer der sogenannten höheren Stände, die sich selber zur Arbeit bequemen und durch ihr Wohlverhalten darthun, daß die Seelenreinheit und die Sittlichkeit eines Mädchens nicht die Frucht der Abhängigkeit sind, zu welcher die Erwerblosigkeit die Frauen verdammte, leisten der Menschheit einen ähnlichen Dienst, als wenn sie plötzlich einen fruchtbaren und völlig in Cultur stehenden Erdtheil für die Hungerleidenden entdeckten. Aber -- die Frauen, welche nicht arbeiten, welche sich dem Genusse einer freien Muße überlassen dürfen, diese Frauen, ich wiederhole es, haben auch das Ihrige für die Emancipation der Frauen zu leisten, die in anderem Sinne und vielleicht einst in weit ausgedehnterem Maßstabe auch ihnen in späteren Zeiten zu gute kommen wird. Die nichtarbeitenden Frauen sind den arbeitenden dieselbe volle Anerkennung schuldig, welche der nicht arbeitende Mann dem arbeitenden und gewerbtreibenden Manne entgegenbringt. Die Frauen selber müssen es anerkennen, daß die Arbeit und die Selbständigkeit jedem Geschlechte zur Ehre gereichen. Thun sie dieses nicht -- nun so verdienen sie die stumpfe Glückseligkeit des Harems, aber sie verdienen es dann allerdings nicht, in einer Zeit Diejenigen nicht bemittelten und doch den gebildeten Ständen angehörenden Familien, deren Geist frei genug ist, ihren Töchtern die Freiheit der Arbeit zu gewähren, thun ein wahrhaft verdienstliches Werk; und diejenigen jungen gebildeten und gesitteten Frauenzimmer der sogenannten höheren Stände, die sich selber zur Arbeit bequemen und durch ihr Wohlverhalten darthun, daß die Seelenreinheit und die Sittlichkeit eines Mädchens nicht die Frucht der Abhängigkeit sind, zu welcher die Erwerblosigkeit die Frauen verdammte, leisten der Menschheit einen ähnlichen Dienst, als wenn sie plötzlich einen fruchtbaren und völlig in Cultur stehenden Erdtheil für die Hungerleidenden entdeckten. Aber — die Frauen, welche nicht arbeiten, welche sich dem Genusse einer freien Muße überlassen dürfen, diese Frauen, ich wiederhole es, haben auch das Ihrige für die Emancipation der Frauen zu leisten, die in anderem Sinne und vielleicht einst in weit ausgedehnterem Maßstabe auch ihnen in späteren Zeiten zu gute kommen wird. Die nichtarbeitenden Frauen sind den arbeitenden dieselbe volle Anerkennung schuldig, welche der nicht arbeitende Mann dem arbeitenden und gewerbtreibenden Manne entgegenbringt. Die Frauen selber müssen es anerkennen, daß die Arbeit und die Selbständigkeit jedem Geschlechte zur Ehre gereichen. Thun sie dieses nicht — nun so verdienen sie die stumpfe Glückseligkeit des Harems, aber sie verdienen es dann allerdings nicht, in einer Zeit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0067" n="57"/> Diejenigen nicht bemittelten und doch den gebildeten Ständen angehörenden Familien, deren Geist frei genug ist, ihren Töchtern die Freiheit der Arbeit zu gewähren, thun ein wahrhaft verdienstliches Werk; und diejenigen jungen gebildeten und gesitteten Frauenzimmer der sogenannten höheren Stände, die sich selber zur Arbeit bequemen und durch ihr Wohlverhalten darthun, daß die Seelenreinheit und die Sittlichkeit eines Mädchens nicht die Frucht der Abhängigkeit sind, zu welcher die Erwerblosigkeit die Frauen verdammte, leisten der Menschheit einen ähnlichen Dienst, als wenn sie plötzlich einen fruchtbaren und völlig in Cultur stehenden Erdtheil für die Hungerleidenden entdeckten.</p> <p>Aber — die Frauen, welche nicht arbeiten, welche sich dem Genusse einer freien Muße überlassen dürfen, diese Frauen, ich wiederhole es, haben auch das Ihrige für die Emancipation der Frauen zu leisten, die in anderem Sinne und vielleicht einst in weit ausgedehnterem Maßstabe auch ihnen in späteren Zeiten zu gute kommen wird. Die nichtarbeitenden Frauen sind den arbeitenden dieselbe volle Anerkennung schuldig, welche der nicht arbeitende Mann dem arbeitenden und gewerbtreibenden Manne entgegenbringt. Die Frauen selber müssen es <hi rendition="#g">anerkennen</hi>, daß die Arbeit und die Selbständigkeit <hi rendition="#g">jedem</hi> Geschlechte zur Ehre gereichen. Thun sie dieses nicht — nun so verdienen sie die stumpfe Glückseligkeit des Harems, aber sie verdienen es dann allerdings nicht, in einer Zeit </p> </div> </body> </text> </TEI> [57/0067]
Diejenigen nicht bemittelten und doch den gebildeten Ständen angehörenden Familien, deren Geist frei genug ist, ihren Töchtern die Freiheit der Arbeit zu gewähren, thun ein wahrhaft verdienstliches Werk; und diejenigen jungen gebildeten und gesitteten Frauenzimmer der sogenannten höheren Stände, die sich selber zur Arbeit bequemen und durch ihr Wohlverhalten darthun, daß die Seelenreinheit und die Sittlichkeit eines Mädchens nicht die Frucht der Abhängigkeit sind, zu welcher die Erwerblosigkeit die Frauen verdammte, leisten der Menschheit einen ähnlichen Dienst, als wenn sie plötzlich einen fruchtbaren und völlig in Cultur stehenden Erdtheil für die Hungerleidenden entdeckten.
Aber — die Frauen, welche nicht arbeiten, welche sich dem Genusse einer freien Muße überlassen dürfen, diese Frauen, ich wiederhole es, haben auch das Ihrige für die Emancipation der Frauen zu leisten, die in anderem Sinne und vielleicht einst in weit ausgedehnterem Maßstabe auch ihnen in späteren Zeiten zu gute kommen wird. Die nichtarbeitenden Frauen sind den arbeitenden dieselbe volle Anerkennung schuldig, welche der nicht arbeitende Mann dem arbeitenden und gewerbtreibenden Manne entgegenbringt. Die Frauen selber müssen es anerkennen, daß die Arbeit und die Selbständigkeit jedem Geschlechte zur Ehre gereichen. Thun sie dieses nicht — nun so verdienen sie die stumpfe Glückseligkeit des Harems, aber sie verdienen es dann allerdings nicht, in einer Zeit
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