Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.und zwei Jahre darauf hatte der wackere Beamte seine Kräfte in Ernährung seiner Familie erschöpft. Er starb an Abzehrung und es trat denn auch wieder einmal einer jener Fälle ein, deren ich in meinem ersten Briefe gedachte. Es blieb kein Pfennig Vermögen zurück, die höchst brave Frau entschloß sich, wirklich noch am Sarge ihres Mannes, eine Schule zu errichten, mit der es leider nicht recht gehen wollte; einige Monate nach des Vaters Tode heirathete die eine Tochter einen achtungswerthen und wohlhabenden Mann, der aber reichlich ihr Vater hätte sein können. Die Andere trat acht Tage nach des Vaters Tode als Gesellschafterin mit sechszig Thalern jährlichem Gehalte in eine begüterte Familie ein, in der sie sich durch zehn, durch fünfzehn Jahre, wie das immer geschieht, an jede Bequemlichkeit des Lebens, an Luxus und Ueberfluß gewöhnen wird, um dann vielleicht mit vierunddreißig Jahren eben so hilflos, eben so erwerbsunfähig, nur älter und verwöhnter, als an ihres Vaters Todestage, dazustehen und angstvoll darüber nachzusinnen, ob sich mit Unterricht in Sprachen und Musik so viel verdienen lasse, als man unerläßlich zum Leben nöthig hat. Ich wiederhole es Ihnen hier, wie in meiner Lebensgeschichte, wie in den Osterbriefen für die Frauen, und in dem vorigen Briefe, ich kenne nichts Beklagenswertheres, als das Loos der unbemittelten Mädchen in den sogenannten "besseren Ständen", und und zwei Jahre darauf hatte der wackere Beamte seine Kräfte in Ernährung seiner Familie erschöpft. Er starb an Abzehrung und es trat denn auch wieder einmal einer jener Fälle ein, deren ich in meinem ersten Briefe gedachte. Es blieb kein Pfennig Vermögen zurück, die höchst brave Frau entschloß sich, wirklich noch am Sarge ihres Mannes, eine Schule zu errichten, mit der es leider nicht recht gehen wollte; einige Monate nach des Vaters Tode heirathete die eine Tochter einen achtungswerthen und wohlhabenden Mann, der aber reichlich ihr Vater hätte sein können. Die Andere trat acht Tage nach des Vaters Tode als Gesellschafterin mit sechszig Thalern jährlichem Gehalte in eine begüterte Familie ein, in der sie sich durch zehn, durch fünfzehn Jahre, wie das immer geschieht, an jede Bequemlichkeit des Lebens, an Luxus und Ueberfluß gewöhnen wird, um dann vielleicht mit vierunddreißig Jahren eben so hilflos, eben so erwerbsunfähig, nur älter und verwöhnter, als an ihres Vaters Todestage, dazustehen und angstvoll darüber nachzusinnen, ob sich mit Unterricht in Sprachen und Musik so viel verdienen lasse, als man unerläßlich zum Leben nöthig hat. Ich wiederhole es Ihnen hier, wie in meiner Lebensgeschichte, wie in den Osterbriefen für die Frauen, und in dem vorigen Briefe, ich kenne nichts Beklagenswertheres, als das Loos der unbemittelten Mädchen in den sogenannten »besseren Ständen«, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0040" n="30"/> und zwei Jahre darauf hatte der wackere Beamte seine Kräfte in Ernährung seiner Familie erschöpft. Er starb an Abzehrung und es trat denn auch wieder einmal einer jener Fälle ein, deren ich in meinem ersten Briefe gedachte. Es blieb kein Pfennig Vermögen zurück, die höchst brave Frau entschloß sich, wirklich noch am Sarge ihres Mannes, eine Schule zu errichten, mit der es leider nicht recht gehen wollte; einige Monate nach des Vaters Tode heirathete die eine Tochter einen achtungswerthen und wohlhabenden Mann, der aber reichlich ihr Vater hätte sein können. Die Andere trat acht Tage nach des Vaters Tode als Gesellschafterin mit sechszig Thalern jährlichem Gehalte in eine begüterte Familie ein, in der sie sich durch zehn, durch fünfzehn Jahre, wie das immer geschieht, an jede Bequemlichkeit des Lebens, an Luxus und Ueberfluß gewöhnen wird, um dann vielleicht mit vierunddreißig Jahren eben so hilflos, eben so erwerbsunfähig, nur älter und verwöhnter, als an ihres Vaters Todestage, dazustehen und angstvoll darüber nachzusinnen, ob sich mit Unterricht in Sprachen und Musik so viel verdienen lasse, als man unerläßlich zum Leben nöthig hat.</p> <p>Ich wiederhole es Ihnen hier, wie in <hi rendition="#g">meiner Lebensgeschichte</hi>, wie in den <hi rendition="#g">Osterbriefen für die Frauen</hi>, und in dem vorigen Briefe, ich kenne nichts Beklagenswertheres, als das Loos der unbemittelten Mädchen in den sogenannten »besseren Ständen«, und </p> </div> </body> </text> </TEI> [30/0040]
und zwei Jahre darauf hatte der wackere Beamte seine Kräfte in Ernährung seiner Familie erschöpft. Er starb an Abzehrung und es trat denn auch wieder einmal einer jener Fälle ein, deren ich in meinem ersten Briefe gedachte. Es blieb kein Pfennig Vermögen zurück, die höchst brave Frau entschloß sich, wirklich noch am Sarge ihres Mannes, eine Schule zu errichten, mit der es leider nicht recht gehen wollte; einige Monate nach des Vaters Tode heirathete die eine Tochter einen achtungswerthen und wohlhabenden Mann, der aber reichlich ihr Vater hätte sein können. Die Andere trat acht Tage nach des Vaters Tode als Gesellschafterin mit sechszig Thalern jährlichem Gehalte in eine begüterte Familie ein, in der sie sich durch zehn, durch fünfzehn Jahre, wie das immer geschieht, an jede Bequemlichkeit des Lebens, an Luxus und Ueberfluß gewöhnen wird, um dann vielleicht mit vierunddreißig Jahren eben so hilflos, eben so erwerbsunfähig, nur älter und verwöhnter, als an ihres Vaters Todestage, dazustehen und angstvoll darüber nachzusinnen, ob sich mit Unterricht in Sprachen und Musik so viel verdienen lasse, als man unerläßlich zum Leben nöthig hat.
Ich wiederhole es Ihnen hier, wie in meiner Lebensgeschichte, wie in den Osterbriefen für die Frauen, und in dem vorigen Briefe, ich kenne nichts Beklagenswertheres, als das Loos der unbemittelten Mädchen in den sogenannten »besseren Ständen«, und
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/40>, abgerufen am 16.07.2024. |