Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

ich mich in einer unserer Hafenstädte bei einem aufgeklärten und wohldenkendem Kaufmanne, der dort eines der größten "Kurzwaaren-Geschäfte" *) betrieb, erkundigte, weshalb er in demselben und in seinem Comptoir nicht Mädchen beschäftige?

Ich hatte dabei den heimlichen Zweck, ein paar hübsche, wohlerzogene Töchter aus einer sehr gesitteten und gebildeten Beamtenfamilie in diese Gewerbthätigkeit einzuführen. Die Mädchen schrieben beide eine schöne Handschrift, sprachen englisch und französisch, rechneten gut, waren an Ordnung gewöhnt, und da die Familie groß, das Gehalt des Vaters nicht hinreichend war, die Familie auch nur nothdürftig zu erhalten, so war derselbe gezwungen, durch Privatstunden, die er ertheilte, das Mangelnde zu erwerben, was ihm allerdings, aber nur auf Kosten seiner Lebenskraft, gelang. Ich hatte mir also gedacht, da diese in sich sehr glückliche Familie ihre Töchter bei sich zu behalten wünschte, da die Töchter eben so lebhaft wünschten, dem Vater eine Erleichterung zu bereiten, und der Ruf dieser Familie und dieser Mädchen der bestmögliche war, so würden sie am besten geeignet sein, das Beispiel vorzuführen, um das es mir zu thun war.

Als ich mit dem Kaufmann von der Sache theoretisch sprach, war er mit mir völlig einverstanden. Er kannte

*) Eisen-, Posamentier- und Quincaillerie-Waaren.

ich mich in einer unserer Hafenstädte bei einem aufgeklärten und wohldenkendem Kaufmanne, der dort eines der größten »Kurzwaaren-Geschäfte« *) betrieb, erkundigte, weshalb er in demselben und in seinem Comptoir nicht Mädchen beschäftige?

Ich hatte dabei den heimlichen Zweck, ein paar hübsche, wohlerzogene Töchter aus einer sehr gesitteten und gebildeten Beamtenfamilie in diese Gewerbthätigkeit einzuführen. Die Mädchen schrieben beide eine schöne Handschrift, sprachen englisch und französisch, rechneten gut, waren an Ordnung gewöhnt, und da die Familie groß, das Gehalt des Vaters nicht hinreichend war, die Familie auch nur nothdürftig zu erhalten, so war derselbe gezwungen, durch Privatstunden, die er ertheilte, das Mangelnde zu erwerben, was ihm allerdings, aber nur auf Kosten seiner Lebenskraft, gelang. Ich hatte mir also gedacht, da diese in sich sehr glückliche Familie ihre Töchter bei sich zu behalten wünschte, da die Töchter eben so lebhaft wünschten, dem Vater eine Erleichterung zu bereiten, und der Ruf dieser Familie und dieser Mädchen der bestmögliche war, so würden sie am besten geeignet sein, das Beispiel vorzuführen, um das es mir zu thun war.

Als ich mit dem Kaufmann von der Sache theoretisch sprach, war er mit mir völlig einverstanden. Er kannte

*) Eisen-, Posamentier- und Quincaillerie-Waaren.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0036" n="26"/>
ich mich in einer unserer Hafenstädte bei einem aufgeklärten und wohldenkendem Kaufmanne, der dort eines der größten »Kurzwaaren-Geschäfte« <note place="foot" n="*)">Eisen-, Posamentier- und Quincaillerie-Waaren.</note> betrieb, erkundigte, weshalb er in demselben und in seinem Comptoir nicht Mädchen beschäftige?</p>
        <p>Ich hatte dabei den heimlichen Zweck, ein paar hübsche, wohlerzogene Töchter aus einer sehr gesitteten und gebildeten Beamtenfamilie in diese Gewerbthätigkeit einzuführen. Die Mädchen schrieben beide eine schöne Handschrift, sprachen englisch und französisch, rechneten gut, waren an Ordnung gewöhnt, und da die Familie groß, das Gehalt des Vaters nicht hinreichend war, die Familie auch nur nothdürftig zu erhalten, so war derselbe gezwungen, durch Privatstunden, die er ertheilte, das Mangelnde zu erwerben, was ihm allerdings, aber nur auf Kosten seiner Lebenskraft, gelang. Ich hatte mir also gedacht, da diese in sich sehr glückliche Familie ihre Töchter bei sich zu behalten wünschte, da die Töchter eben so lebhaft wünschten, dem Vater eine Erleichterung zu bereiten, und der Ruf dieser Familie und dieser Mädchen der bestmögliche war, so würden sie am besten geeignet sein, das Beispiel vorzuführen, um das es mir zu thun war.</p>
        <p>Als ich mit dem Kaufmann von der Sache theoretisch sprach, war er mit mir völlig einverstanden. Er kannte
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0036] ich mich in einer unserer Hafenstädte bei einem aufgeklärten und wohldenkendem Kaufmanne, der dort eines der größten »Kurzwaaren-Geschäfte« *) betrieb, erkundigte, weshalb er in demselben und in seinem Comptoir nicht Mädchen beschäftige? Ich hatte dabei den heimlichen Zweck, ein paar hübsche, wohlerzogene Töchter aus einer sehr gesitteten und gebildeten Beamtenfamilie in diese Gewerbthätigkeit einzuführen. Die Mädchen schrieben beide eine schöne Handschrift, sprachen englisch und französisch, rechneten gut, waren an Ordnung gewöhnt, und da die Familie groß, das Gehalt des Vaters nicht hinreichend war, die Familie auch nur nothdürftig zu erhalten, so war derselbe gezwungen, durch Privatstunden, die er ertheilte, das Mangelnde zu erwerben, was ihm allerdings, aber nur auf Kosten seiner Lebenskraft, gelang. Ich hatte mir also gedacht, da diese in sich sehr glückliche Familie ihre Töchter bei sich zu behalten wünschte, da die Töchter eben so lebhaft wünschten, dem Vater eine Erleichterung zu bereiten, und der Ruf dieser Familie und dieser Mädchen der bestmögliche war, so würden sie am besten geeignet sein, das Beispiel vorzuführen, um das es mir zu thun war. Als ich mit dem Kaufmann von der Sache theoretisch sprach, war er mit mir völlig einverstanden. Er kannte *) Eisen-, Posamentier- und Quincaillerie-Waaren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von zeno.org (2013-01-04T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus zeno.org entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-04T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-04T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/36
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/36>, abgerufen am 18.04.2024.