Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

als Thaten einer unerläßlichen Gerechtigkeit begrüßt und gefeiert hatten, machten die Allerwenigsten es sich klar, daß neben ihnen, in ihren Häusern, in ihren Familien, mitten in der Bildung, mitten in der Gesittung, auf welche sie so stolz waren, mitten in der von ihnen allmälig errungenen Freiheit, innerhalb des Staates, dem sie angehörten, ihre eigenen Frauen, Töchter und Schwestern unter dem Banne der Ungerechtigkeit lebten und gelegentlich litten, deren Aufhebung für die Negersclaven sie als einen Sieg der Menschlichkeit gefeiert hatten.

Man fand es furchtbar, daß ein Pflanzer einem Neger, der etwa mit schönen Anlagen für die Mechanik, mit einem ungewöhnlichen Scharfblick für die Erkenntniß von Krankheiten, mit einer großen Gewandtheit für kaufmännische Verhandlungen geboren war, sagen konnte: Du baust Zucker, Du baust Baumwolle, Du putzest in meinem Hause das Silberzeug, Du machst meine Kleider, Du fährst mich im Wagen! Man weinte über Onkel Tom in seiner Hütte, und sagte einer Tochter, die vielleicht ein medicinisches Genie oder ein großes kaufmännisches Talent war: Du strickst Strümpfe, Du lernst den Haushalt führen; Du bekommst Unterricht, der so weit langt, daß Du einsehen kannst, was für Dich wünschenswerth und zu erreichen wäre, wenn man es Dir möglich machte, Deine Fähigkeiten zu entwickeln, aber entwickeln darfst Du sie nicht -- denn Du bist ein

als Thaten einer unerläßlichen Gerechtigkeit begrüßt und gefeiert hatten, machten die Allerwenigsten es sich klar, daß neben ihnen, in ihren Häusern, in ihren Familien, mitten in der Bildung, mitten in der Gesittung, auf welche sie so stolz waren, mitten in der von ihnen allmälig errungenen Freiheit, innerhalb des Staates, dem sie angehörten, ihre eigenen Frauen, Töchter und Schwestern unter dem Banne der Ungerechtigkeit lebten und gelegentlich litten, deren Aufhebung für die Negersclaven sie als einen Sieg der Menschlichkeit gefeiert hatten.

Man fand es furchtbar, daß ein Pflanzer einem Neger, der etwa mit schönen Anlagen für die Mechanik, mit einem ungewöhnlichen Scharfblick für die Erkenntniß von Krankheiten, mit einer großen Gewandtheit für kaufmännische Verhandlungen geboren war, sagen konnte: Du baust Zucker, Du baust Baumwolle, Du putzest in meinem Hause das Silberzeug, Du machst meine Kleider, Du fährst mich im Wagen! Man weinte über Onkel Tom in seiner Hütte, und sagte einer Tochter, die vielleicht ein medicinisches Genie oder ein großes kaufmännisches Talent war: Du strickst Strümpfe, Du lernst den Haushalt führen; Du bekommst Unterricht, der so weit langt, daß Du einsehen kannst, was für Dich wünschenswerth und zu erreichen wäre, wenn man es Dir möglich machte, Deine Fähigkeiten zu entwickeln, aber entwickeln darfst Du sie nicht — denn Du bist ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="14"/>
als Thaten einer unerläßlichen Gerechtigkeit begrüßt und gefeiert hatten, machten die Allerwenigsten es sich klar, daß neben ihnen, in ihren Häusern, in ihren Familien, mitten in der Bildung, mitten in der Gesittung, auf welche sie so stolz waren, mitten in der von ihnen allmälig errungenen Freiheit, innerhalb des Staates, dem sie angehörten, ihre eigenen Frauen, Töchter und Schwestern unter dem Banne der Ungerechtigkeit lebten und gelegentlich litten, deren Aufhebung für die Negersclaven sie als einen Sieg der Menschlichkeit gefeiert hatten.</p>
        <p>Man fand es furchtbar, daß ein Pflanzer einem Neger, der etwa mit schönen Anlagen für die Mechanik, mit einem ungewöhnlichen Scharfblick für die Erkenntniß von Krankheiten, mit einer großen Gewandtheit für kaufmännische Verhandlungen geboren war, sagen konnte: Du baust Zucker, Du baust Baumwolle, Du putzest in meinem Hause das Silberzeug, Du machst meine Kleider, Du fährst mich im Wagen! Man weinte über Onkel Tom in seiner Hütte, und sagte einer Tochter, die vielleicht ein medicinisches Genie oder ein großes kaufmännisches Talent war: Du strickst Strümpfe, Du lernst den Haushalt führen; Du bekommst Unterricht, der so weit langt, daß Du einsehen kannst, was für Dich wünschenswerth und zu erreichen wäre, wenn man es Dir möglich machte, Deine Fähigkeiten zu entwickeln, aber entwickeln darfst Du sie nicht &#x2014; denn Du bist ein
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0024] als Thaten einer unerläßlichen Gerechtigkeit begrüßt und gefeiert hatten, machten die Allerwenigsten es sich klar, daß neben ihnen, in ihren Häusern, in ihren Familien, mitten in der Bildung, mitten in der Gesittung, auf welche sie so stolz waren, mitten in der von ihnen allmälig errungenen Freiheit, innerhalb des Staates, dem sie angehörten, ihre eigenen Frauen, Töchter und Schwestern unter dem Banne der Ungerechtigkeit lebten und gelegentlich litten, deren Aufhebung für die Negersclaven sie als einen Sieg der Menschlichkeit gefeiert hatten. Man fand es furchtbar, daß ein Pflanzer einem Neger, der etwa mit schönen Anlagen für die Mechanik, mit einem ungewöhnlichen Scharfblick für die Erkenntniß von Krankheiten, mit einer großen Gewandtheit für kaufmännische Verhandlungen geboren war, sagen konnte: Du baust Zucker, Du baust Baumwolle, Du putzest in meinem Hause das Silberzeug, Du machst meine Kleider, Du fährst mich im Wagen! Man weinte über Onkel Tom in seiner Hütte, und sagte einer Tochter, die vielleicht ein medicinisches Genie oder ein großes kaufmännisches Talent war: Du strickst Strümpfe, Du lernst den Haushalt führen; Du bekommst Unterricht, der so weit langt, daß Du einsehen kannst, was für Dich wünschenswerth und zu erreichen wäre, wenn man es Dir möglich machte, Deine Fähigkeiten zu entwickeln, aber entwickeln darfst Du sie nicht — denn Du bist ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von zeno.org (2013-01-04T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus zeno.org entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-04T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-04T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/24
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/24>, abgerufen am 18.04.2024.