Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.auch gleich die ersehnte Selbständigkeit und alle Genüsse des Lebens ihren Anfang nehmen und dann in immer reicherer Fülle auf sie herniederregnen würden. Sie haben mir oft recht leid gethan, die guten Seelen, wenn ich in das feine und künstliche Spinngewebe ihrer Hoffnungen und in alle die rosigen Erwartungen, welche sie auf mich und meinen Beistand gerichtet hatten, mit der groben Frage hineinfahren mußte: was haben Sie denn gelernt? welche Fähigkeit oder Fertigkeit besitzen Sie, auf die sich die Aussicht einer ersprießlichen Thätigkeit bauen ließe? -- In der Regel spielten sie Clavier und konnten, wie sie glaubten, so viel englisch oder französisch, um aus diesen Sprachen übersetzen zu können, wobei sie nur leider meist das Eine übersahen, daß ihre Kenntniß der Muttersprache unvollkommen und daß sie des deutschen Styles lange nicht in dem Grade Meister waren, um wirklich brauchbare Uebersetzungen liefern zu können. Ging ich dann endlich noch näher in ihre Bedürfnisse und auf meine Ansicht ein, wie man diese Bedürfnisse befriedigen könne, so that sich gleich eine Kluft zwischen mir und ihnen auf, und wir waren in der Regel bald geschiedene Leute. Mündlich und schriftlich haben sie bisweilen es ausgesprochen, daß ich sie und das innerste Bedürfniß ihres Herzens und Geistes nicht verstanden hätte, daß sie sich in mir und in dem Glauben an meine Menschenliebe, wie in der Hoffnung betrogen gefunden auch gleich die ersehnte Selbständigkeit und alle Genüsse des Lebens ihren Anfang nehmen und dann in immer reicherer Fülle auf sie herniederregnen würden. Sie haben mir oft recht leid gethan, die guten Seelen, wenn ich in das feine und künstliche Spinngewebe ihrer Hoffnungen und in alle die rosigen Erwartungen, welche sie auf mich und meinen Beistand gerichtet hatten, mit der groben Frage hineinfahren mußte: was haben Sie denn gelernt? welche Fähigkeit oder Fertigkeit besitzen Sie, auf die sich die Aussicht einer ersprießlichen Thätigkeit bauen ließe? — In der Regel spielten sie Clavier und konnten, wie sie glaubten, so viel englisch oder französisch, um aus diesen Sprachen übersetzen zu können, wobei sie nur leider meist das Eine übersahen, daß ihre Kenntniß der Muttersprache unvollkommen und daß sie des deutschen Styles lange nicht in dem Grade Meister waren, um wirklich brauchbare Uebersetzungen liefern zu können. Ging ich dann endlich noch näher in ihre Bedürfnisse und auf meine Ansicht ein, wie man diese Bedürfnisse befriedigen könne, so that sich gleich eine Kluft zwischen mir und ihnen auf, und wir waren in der Regel bald geschiedene Leute. Mündlich und schriftlich haben sie bisweilen es ausgesprochen, daß ich sie und das innerste Bedürfniß ihres Herzens und Geistes nicht verstanden hätte, daß sie sich in mir und in dem Glauben an meine Menschenliebe, wie in der Hoffnung betrogen gefunden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0014" n="4"/> auch gleich die ersehnte Selbständigkeit und alle Genüsse des Lebens ihren Anfang nehmen und dann in immer reicherer Fülle auf sie herniederregnen würden.</p> <p>Sie haben mir oft recht leid gethan, die guten Seelen, wenn ich in das feine und künstliche Spinngewebe ihrer Hoffnungen und in alle die rosigen Erwartungen, welche sie auf mich und meinen Beistand gerichtet hatten, mit der groben Frage hineinfahren mußte: was haben Sie denn gelernt? welche Fähigkeit oder Fertigkeit besitzen Sie, auf die sich die Aussicht einer ersprießlichen Thätigkeit bauen ließe? — In der Regel spielten sie Clavier und konnten, wie sie glaubten, so viel englisch oder französisch, um aus diesen Sprachen übersetzen zu können, wobei sie nur leider meist das Eine übersahen, daß ihre Kenntniß der Muttersprache unvollkommen und daß sie des deutschen Styles lange nicht in dem Grade Meister waren, um wirklich brauchbare Uebersetzungen liefern zu können.</p> <p>Ging ich dann endlich noch näher in ihre Bedürfnisse und auf meine Ansicht ein, wie man diese Bedürfnisse befriedigen könne, so that sich gleich eine Kluft zwischen mir und ihnen auf, und wir waren in der Regel bald geschiedene Leute. Mündlich und schriftlich haben sie bisweilen es ausgesprochen, daß ich sie und das innerste Bedürfniß ihres Herzens und Geistes nicht verstanden hätte, daß sie sich in mir und in dem Glauben an meine Menschenliebe, wie in der Hoffnung betrogen gefunden </p> </div> </body> </text> </TEI> [4/0014]
auch gleich die ersehnte Selbständigkeit und alle Genüsse des Lebens ihren Anfang nehmen und dann in immer reicherer Fülle auf sie herniederregnen würden.
Sie haben mir oft recht leid gethan, die guten Seelen, wenn ich in das feine und künstliche Spinngewebe ihrer Hoffnungen und in alle die rosigen Erwartungen, welche sie auf mich und meinen Beistand gerichtet hatten, mit der groben Frage hineinfahren mußte: was haben Sie denn gelernt? welche Fähigkeit oder Fertigkeit besitzen Sie, auf die sich die Aussicht einer ersprießlichen Thätigkeit bauen ließe? — In der Regel spielten sie Clavier und konnten, wie sie glaubten, so viel englisch oder französisch, um aus diesen Sprachen übersetzen zu können, wobei sie nur leider meist das Eine übersahen, daß ihre Kenntniß der Muttersprache unvollkommen und daß sie des deutschen Styles lange nicht in dem Grade Meister waren, um wirklich brauchbare Uebersetzungen liefern zu können.
Ging ich dann endlich noch näher in ihre Bedürfnisse und auf meine Ansicht ein, wie man diese Bedürfnisse befriedigen könne, so that sich gleich eine Kluft zwischen mir und ihnen auf, und wir waren in der Regel bald geschiedene Leute. Mündlich und schriftlich haben sie bisweilen es ausgesprochen, daß ich sie und das innerste Bedürfniß ihres Herzens und Geistes nicht verstanden hätte, daß sie sich in mir und in dem Glauben an meine Menschenliebe, wie in der Hoffnung betrogen gefunden
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_frauen_1870/14>, abgerufen am 23.07.2024. |