Lewald, Fanny: Adele. 2. Ausg. Berlin, 1864."Lassen Sie doch!" sagte Samuel, zog wieder die Weste zurecht, räusperte sich, wollte wieder umhergehen, und meinte dann: "Es ist wohl besser, ich lasse Sie allein!" Damit entfernte er sich. In der Thür wendete er sich noch einmal um. "Denken Sie nicht daran!" sagte er, "und -- und -- gute Nacht, Cousine! Gute Nacht!" Sie hörte, wie er die Treppe hinabging, wie er die Laden zumachte in dem Zimmer, das er neben dem Comtoir bewohnte; dann war Alles still, und sie hatte Mühe, für wahr zu halten, was sie eben erlebt. Sie nahm den Roman wieder zur Hand, und blätterte zerstreut darin umher, bald hier, bald dort eine Stelle lesend, und Alles kam ihr fremd vor. Sie erschrak über die Leidenschaftlichkeit des Ausdrucks, es war ihr lieb, daß Samuel es nicht gelesen hatte. Aber Samuel? was war er ihr? was konnte er ihr sein, dieser trockene, pedantische Mensch, der es für eine “Lassen Sie doch!” sagte Samuel, zog wieder die Weste zurecht, räusperte sich, wollte wieder umhergehen, und meinte dann: “Es ist wohl besser, ich lasse Sie allein!” Damit entfernte er sich. In der Thür wendete er sich noch einmal um. “Denken Sie nicht daran!” sagte er, “und — und — gute Nacht, Cousine! Gute Nacht!” Sie hörte, wie er die Treppe hinabging, wie er die Laden zumachte in dem Zimmer, das er neben dem Comtoir bewohnte; dann war Alles still, und sie hatte Mühe, für wahr zu halten, was sie eben erlebt. Sie nahm den Roman wieder zur Hand, und blätterte zerstreut darin umher, bald hier, bald dort eine Stelle lesend, und Alles kam ihr fremd vor. Sie erschrak über die Leidenschaftlichkeit des Ausdrucks, es war ihr lieb, daß Samuel es nicht gelesen hatte. Aber Samuel? was war er ihr? was konnte er ihr sein, dieser trockene, pedantische Mensch, der es für eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0095" n="85"/> “Lassen Sie doch!” sagte Samuel, zog wieder die Weste zurecht, räusperte sich, wollte wieder umhergehen, und meinte dann: “Es ist wohl besser, ich lasse Sie allein!”</p> <p> Damit entfernte er sich. In der Thür wendete er sich noch einmal um.</p> <p> “Denken Sie nicht daran!” sagte er, “und — und — gute Nacht, Cousine! Gute Nacht!”</p> <p> Sie hörte, wie er die Treppe hinabging, wie er die Laden zumachte in dem Zimmer, das er neben dem Comtoir bewohnte; dann war Alles still, und sie hatte Mühe, für wahr zu halten, was sie eben erlebt. Sie nahm den Roman wieder zur Hand, und blätterte zerstreut darin umher, bald hier, bald dort eine Stelle lesend, und Alles kam ihr fremd vor. Sie erschrak über die Leidenschaftlichkeit des Ausdrucks, es war ihr lieb, daß Samuel es nicht gelesen hatte. Aber Samuel? was war er ihr? was konnte er ihr sein, dieser trockene, pedantische Mensch, der es für eine </p> </div> </body> </text> </TEI> [85/0095]
“Lassen Sie doch!” sagte Samuel, zog wieder die Weste zurecht, räusperte sich, wollte wieder umhergehen, und meinte dann: “Es ist wohl besser, ich lasse Sie allein!”
Damit entfernte er sich. In der Thür wendete er sich noch einmal um.
“Denken Sie nicht daran!” sagte er, “und — und — gute Nacht, Cousine! Gute Nacht!”
Sie hörte, wie er die Treppe hinabging, wie er die Laden zumachte in dem Zimmer, das er neben dem Comtoir bewohnte; dann war Alles still, und sie hatte Mühe, für wahr zu halten, was sie eben erlebt. Sie nahm den Roman wieder zur Hand, und blätterte zerstreut darin umher, bald hier, bald dort eine Stelle lesend, und Alles kam ihr fremd vor. Sie erschrak über die Leidenschaftlichkeit des Ausdrucks, es war ihr lieb, daß Samuel es nicht gelesen hatte. Aber Samuel? was war er ihr? was konnte er ihr sein, dieser trockene, pedantische Mensch, der es für eine
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