Lewald, Fanny: Adele. 2. Ausg. Berlin, 1864.ihrem Vaterhause, als die glückliche Zeit, die er gekannt. Er beschwor sie, ihm zu schreiben, versprach ihr, sie geistig sich immer nahe zu erhalten, so lange sie ihm bleiben möge, er wolle sie wie seine Schwester lieben, sie wäre sein guter Genius gewesen, er selber sprach das wieder aus, und sein Schutzgeist, sein Vertraute solle sie sein und bleiben für immerdar. Adele war aufgelöst in Thränen und in Liebe. Sie glaubte Alles, was ihr Hellwig sagte, und Hellwig glaubte es in diesem Augenblicke selbst. Nur wenn er dichtete, fühlte er die Unwahrheit seiner Empfindungen, im Leben hatte er sich zum Selbstbetrug gewöhnt. Er nannte die Härte, mit welcher er Adelen zu Anfang des Gesprächs begegnet, Klarheit und sittlichen Ernst, und freute sich der Milde, mit der er die Arme dann fortgetragen, hinweg über ihre Verzweiflung, in die reine Höhe einer seltnen Freundschaft. Adele hatte ihre Kraft erschöpft. Sie war ihrem Vaterhause, als die glückliche Zeit, die er gekannt. Er beschwor sie, ihm zu schreiben, versprach ihr, sie geistig sich immer nahe zu erhalten, so lange sie ihm bleiben möge, er wolle sie wie seine Schwester lieben, sie wäre sein guter Genius gewesen, er selber sprach das wieder aus, und sein Schutzgeist, sein Vertraute solle sie sein und bleiben für immerdar. Adele war aufgelöst in Thränen und in Liebe. Sie glaubte Alles, was ihr Hellwig sagte, und Hellwig glaubte es in diesem Augenblicke selbst. Nur wenn er dichtete, fühlte er die Unwahrheit seiner Empfindungen, im Leben hatte er sich zum Selbstbetrug gewöhnt. Er nannte die Härte, mit welcher er Adelen zu Anfang des Gesprächs begegnet, Klarheit und sittlichen Ernst, und freute sich der Milde, mit der er die Arme dann fortgetragen, hinweg über ihre Verzweiflung, in die reine Höhe einer seltnen Freundschaft. Adele hatte ihre Kraft erschöpft. Sie war <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0064" n="54"/> ihrem Vaterhause, als die glückliche Zeit, die er gekannt. Er beschwor sie, ihm zu schreiben, versprach ihr, sie geistig sich immer nahe zu erhalten, so lange sie ihm bleiben möge, er wolle sie wie seine Schwester lieben, sie wäre sein guter Genius gewesen, er selber sprach das wieder aus, und sein Schutzgeist, sein Vertraute solle sie sein und bleiben für immerdar.</p> <p> Adele war aufgelöst in Thränen und in Liebe. Sie glaubte Alles, was ihr Hellwig sagte, und Hellwig glaubte es in diesem Augenblicke selbst. Nur wenn er dichtete, fühlte er die Unwahrheit seiner Empfindungen, im Leben hatte er sich zum Selbstbetrug gewöhnt. Er nannte die Härte, mit welcher er Adelen zu Anfang des Gesprächs begegnet, Klarheit und sittlichen Ernst, und freute sich der Milde, mit der er die Arme dann fortgetragen, hinweg über ihre Verzweiflung, in die reine Höhe einer seltnen Freundschaft.</p> <p> Adele hatte ihre Kraft erschöpft. Sie war </p> </div> </body> </text> </TEI> [54/0064]
ihrem Vaterhause, als die glückliche Zeit, die er gekannt. Er beschwor sie, ihm zu schreiben, versprach ihr, sie geistig sich immer nahe zu erhalten, so lange sie ihm bleiben möge, er wolle sie wie seine Schwester lieben, sie wäre sein guter Genius gewesen, er selber sprach das wieder aus, und sein Schutzgeist, sein Vertraute solle sie sein und bleiben für immerdar.
Adele war aufgelöst in Thränen und in Liebe. Sie glaubte Alles, was ihr Hellwig sagte, und Hellwig glaubte es in diesem Augenblicke selbst. Nur wenn er dichtete, fühlte er die Unwahrheit seiner Empfindungen, im Leben hatte er sich zum Selbstbetrug gewöhnt. Er nannte die Härte, mit welcher er Adelen zu Anfang des Gesprächs begegnet, Klarheit und sittlichen Ernst, und freute sich der Milde, mit der er die Arme dann fortgetragen, hinweg über ihre Verzweiflung, in die reine Höhe einer seltnen Freundschaft.
Adele hatte ihre Kraft erschöpft. Sie war
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