Lewald, Fanny: Adele. 2. Ausg. Berlin, 1864.aber traf sein Blick den eigenen Reisemantel, der an dem Nagel an der Thür hing, und seine Gedanken nahmen plötzlich eine andere Wendung. Er stand auf und besah den Mantel, obschon er ihn wohl kannte, denn er hatte ihn seit der Universität getragen, indeß besehen mußte er ihn doch. Die vier Kragen hatten noch keinen Fehler, es waren ihrer aber fünf gewesen, und es hatte ihn genug verdrossen, als er einst den fünften opfern mußte, die Aufschläge an den Aermeln zu erneuern. -- Die Aufschläge sahen noch sehr gut aus -- nur unten war er vielfach ausgebessert. Samuel setzte die Brille auf und untersuchte die Stellen. Er konnte sie kaum finden. Es war solch starkes Tuch! "Ein Tuch, wie man's jetzt gar nicht haben könnte," sagte er, "ein Tuch, das Kind und Kindeskinder tragen könnten." Er strich es mit der Hand, er knipfte mit den Fingern die Stäubchen davon fort, er that dem guten, ehrlichen Mantel alles Liebe. aber traf sein Blick den eigenen Reisemantel, der an dem Nagel an der Thür hing, und seine Gedanken nahmen plötzlich eine andere Wendung. Er stand auf und besah den Mantel, obschon er ihn wohl kannte, denn er hatte ihn seit der Universität getragen, indeß besehen mußte er ihn doch. Die vier Kragen hatten noch keinen Fehler, es waren ihrer aber fünf gewesen, und es hatte ihn genug verdrossen, als er einst den fünften opfern mußte, die Aufschläge an den Aermeln zu erneuern. — Die Aufschläge sahen noch sehr gut aus — nur unten war er vielfach ausgebessert. Samuel setzte die Brille auf und untersuchte die Stellen. Er konnte sie kaum finden. Es war solch starkes Tuch! “Ein Tuch, wie man’s jetzt gar nicht haben könnte,” sagte er, “ein Tuch, das Kind und Kindeskinder tragen könnten.” Er strich es mit der Hand, er knipfte mit den Fingern die Stäubchen davon fort, er that dem guten, ehrlichen Mantel alles Liebe. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0210" n="200"/> aber traf sein Blick den eigenen Reisemantel, der an dem Nagel an der Thür hing, und seine Gedanken nahmen plötzlich eine andere Wendung.</p> <p> Er stand auf und besah den Mantel, obschon er ihn wohl kannte, denn er hatte ihn seit der Universität getragen, indeß besehen mußte er ihn doch. Die vier Kragen hatten noch keinen Fehler, es waren ihrer aber fünf gewesen, und es hatte ihn genug verdrossen, als er einst den fünften opfern mußte, die Aufschläge an den Aermeln zu erneuern. — Die Aufschläge sahen noch sehr gut aus — nur unten war er vielfach ausgebessert. Samuel setzte die Brille auf und untersuchte die Stellen. Er konnte sie kaum finden. Es war solch starkes Tuch! “Ein Tuch, wie man’s jetzt gar nicht haben könnte,” sagte er, “ein Tuch, das Kind und Kindeskinder tragen könnten.” Er strich es mit der Hand, er knipfte mit den Fingern die Stäubchen davon fort, er that dem guten, ehrlichen Mantel alles Liebe.</p> </div> </body> </text> </TEI> [200/0210]
aber traf sein Blick den eigenen Reisemantel, der an dem Nagel an der Thür hing, und seine Gedanken nahmen plötzlich eine andere Wendung.
Er stand auf und besah den Mantel, obschon er ihn wohl kannte, denn er hatte ihn seit der Universität getragen, indeß besehen mußte er ihn doch. Die vier Kragen hatten noch keinen Fehler, es waren ihrer aber fünf gewesen, und es hatte ihn genug verdrossen, als er einst den fünften opfern mußte, die Aufschläge an den Aermeln zu erneuern. — Die Aufschläge sahen noch sehr gut aus — nur unten war er vielfach ausgebessert. Samuel setzte die Brille auf und untersuchte die Stellen. Er konnte sie kaum finden. Es war solch starkes Tuch! “Ein Tuch, wie man’s jetzt gar nicht haben könnte,” sagte er, “ein Tuch, das Kind und Kindeskinder tragen könnten.” Er strich es mit der Hand, er knipfte mit den Fingern die Stäubchen davon fort, er that dem guten, ehrlichen Mantel alles Liebe.
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