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Leutwein, Lorenz Friedrich: Einladungsschrift bey dem feyerlichen Redeakt welcher den 19ten April in allhiesigem Gymnasio von dreyen Zöglingen welche Akademien beziehen wollen gehalten werden soll. Schwäbisch Hall, 1797.

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die diß sprechen können, kennen die von unsern theuersten Landes-Vätern
gemachte für Bürger so heilsame Veränderung nicht, dann lehrt man jetzo nicht
außer dem Lateinischen, auch schön und richtig Schreiben, Rechnen, Erd-
beschreibung, Weltgeschichte, etwas Mathese, und Zeichnen, wozu Anstal-
ten theils getroffen sind, theils noch gemacht werden - bey deren Ausfüh-
rung aber man gerade von der Seite der unstudierten Eltern die meiste Hin-
dernisse in den Weeg gelegt findet, die diesem Unterricht ihre Kinder entzie-
hen wollen und sich solchem widersetzen. - Doch, gesetzt auch, der Vor-
wurf wäre wahr - Ist nicht der lateinische Sprachunterricht die Grundla-
ge zur Erlernung aller übrigen Sprachen, so daß der, welcher diese gründ-
lich erlernet hat, leichter alle übrige erlernt - kann wohl ein Mann, der
sich ein wenig über die niedrigste Volksklasse erheben will, ohne roth zu wer-
den ein vorkommendes lateinisches Wort nicht wissen - wie kann ein Vater,
der seinen Sohn in die lateinische Schule schickt, wohl prüfen, ob der Sohn
täglich das seinige erlernt, wann er selbst nichts davon versteht - giebt es
nicht verschiedene Professionen, welche diese Sprache nicht füglich entbehren
können, als Chirurgi, Apotheker, Buchdrucker, Buchbinder - wie kann
wohl die deutsche Sprache ausgebildet werden, wann diß nicht mit einer frem-
den Sprache geschiehet - und werden bey einer klugen Art des Unterrichts
in dieser Sprache alle Seelenkräfte gebildet - wo lernt man wohl einen
feinern richtigeren Geschmack am Schönen, als an diesen Mustern des Ge-
schmacks - wo mehr seine Beurtheilungskraft schärfen, als in den Schrif-
ten der Männer, die den römischen Staat mit so vieler Klugheit beherrscht
haben - wo mehr Liebe für das Vaterland - wo mehr seine sittliche
Grundsätze - wie kann das Gedächtniß mehr ausgebildet werden, als
wenn man mit Worten nützliche Sachen verbindet - Wesentliche Vortheile!
Ob nicht die französische Sprache, nach dem Vorschlage einiger Reuern Pä-
dagogen an die Stelle der lateinischen könnte gesetzt werden, will ich hier nicht
untersuchen, indem es wohl mit der Verfassung der meisten Schulen unver-
einbar seyn dürfte. Ich wende mich nun zur Beantwortung des zweyten
Einwurfs - die Kinder sind schon konfirmirt, mithin der Schule entwachsen,

sie

die diß sprechen können, kennen die von unsern theuersten Landes-Vätern
gemachte für Bürger so heilsame Veränderung nicht, dann lehrt man jetzo nicht
außer dem Lateinischen, auch schön und richtig Schreiben, Rechnen, Erd-
beschreibung, Weltgeschichte, etwas Mathese, und Zeichnen, wozu Anstal-
ten theils getroffen sind, theils noch gemacht werden – bey deren Ausfüh-
rung aber man gerade von der Seite der unstudierten Eltern die meiste Hin-
dernisse in den Weeg gelegt findet, die diesem Unterricht ihre Kinder entzie-
hen wollen und sich solchem widersetzen. – Doch, gesetzt auch, der Vor-
wurf wäre wahr – Ist nicht der lateinische Sprachunterricht die Grundla-
ge zur Erlernung aller übrigen Sprachen, so daß der, welcher diese gründ-
lich erlernet hat, leichter alle übrige erlernt – kann wohl ein Mann, der
sich ein wenig über die niedrigste Volksklasse erheben will, ohne roth zu wer-
den ein vorkommendes lateinisches Wort nicht wissen – wie kann ein Vater,
der seinen Sohn in die lateinische Schule schickt, wohl prüfen, ob der Sohn
täglich das seinige erlernt, wann er selbst nichts davon versteht – giebt es
nicht verschiedene Professionen, welche diese Sprache nicht füglich entbehren
können, als Chirurgi, Apotheker, Buchdrucker, Buchbinder – wie kann
wohl die deutsche Sprache ausgebildet werden, wann diß nicht mit einer frem-
den Sprache geschiehet – und werden bey einer klugen Art des Unterrichts
in dieser Sprache alle Seelenkräfte gebildet – wo lernt man wohl einen
feinern richtigeren Geschmack am Schönen, als an diesen Mustern des Ge-
schmacks – wo mehr seine Beurtheilungskraft schärfen, als in den Schrif-
ten der Männer, die den römischen Staat mit so vieler Klugheit beherrscht
haben – wo mehr Liebe für das Vaterland – wo mehr seine sittliche
Grundsätze – wie kann das Gedächtniß mehr ausgebildet werden, als
wenn man mit Worten nützliche Sachen verbindet – Wesentliche Vortheile!
Ob nicht die französische Sprache, nach dem Vorschlage einiger Reuern Pä-
dagogen an die Stelle der lateinischen könnte gesetzt werden, will ich hier nicht
untersuchen, indem es wohl mit der Verfassung der meisten Schulen unver-
einbar seyn dürfte. Ich wende mich nun zur Beantwortung des zweyten
Einwurfs – die Kinder sind schon konfirmirt, mithin der Schule entwachsen,

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Zitationshilfe: Leutwein, Lorenz Friedrich: Einladungsschrift bey dem feyerlichen Redeakt welcher den 19ten April in allhiesigem Gymnasio von dreyen Zöglingen welche Akademien beziehen wollen gehalten werden soll. Schwäbisch Hall, 1797, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leutwein_einladungsschrift_1797/8>, abgerufen am 22.11.2024.