[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister, nern mit Recht vorziehen konten. Aus dieser Quelle fliesset auch die Rechtmäßigkeit al-
ler Verträge, welche die Häupter der 3 Stände, nemlich der Erzbischof, der Herr Meister und die Stadt Riga mit der Crone Pohlen errichtet, weil sie über ihr eignes, nicht aber über ein kaiserliches Land schalteten, obgleich gegen diese Befugnis verschie- dene Einwendungen zum Vorschein kamen. Menii prodrom. S. 37. Nach diesem Grunde nennet Ferdinand I in dem Schutzschreiben an den König Gustav von Schweden 1558 die Provinz Liefland gar eigentlich Seiner Andacht, des Herrn Meisters, und Jhres Ordens Lande. Selbst das Betragen der estländischen Rit- terschaft und der Stadt Revel mus hieraus gerechtfertiget werden, die dem Herrmei- ster den Eid aufkündigten, und so wie ihre Mitbrüder in Liefland sich berechtiget hiel- ten, einem andern christlichen Potentaten gegen die vortheilhaftesten Bedingungen die Unterwerfung anzubieten. Ausser diesem Rechte der Advocatur oder des Schutzamts hat weder der Kaiser noch das Reich über Liefland sich irgend etwas anmassen können noch wollen, welches aus folgenden Beweisthümern klärer wird. 1. Aus der Belehnungsart. Die Päpste beförderten durch Bullen und Ablas die Bekehrung der Heiden. Der dritte Bischof Albert erhielt zur Bezwingungderselben von dem dänischen Hofe Geschenke und Schiffe. S. Grubers Orig. beim Jahr 1198 Not. d) und 1199 §. 1. Als er in Gegenwart des Kaisers Philip die Frage auf- warf, ob Liefland unter päpstlicher Protection stehen solte, ward selbige mit ja beant- wortet. Er sahe sich nach der Hülfe andrer Könige um, wandte sich 1205 ans Reich, nahm Liefland zum Lehn, solte auch vom Kaiser Philip jährlich 100 Mark zur Bei- hülfe empfangen, die aber nicht ausgezahlet wurden. Ein so ausserordentliches Lehn, das die Jnhaber sich mit ihrem Blute und auf eigene Kosten erwarben, dem Lehnsherrn übergaben, Geld dazu begehrten, und hernach wieder in Empfang nahmen, kan wol in keine andre Classe als unter die feuda Aduocatiae des Reichs kommen. Das dritte Theil dieses Lehns verliehe Albert an den Orden, welches der Papst 1206 §. 3 bestätigte. Albert zerfiel 1219 mit den Dänen wegen Estland. Er behauptete standhaft gegen sie, daß die Pilger und Rigischen unter der heiligen Marienfahne Gerwen erobert, und ihre Priester frey in Wirland predigen könten. Dis machte den König eifersüch- tig, und hemte die bischöfliche Vortheile. Der Bischof wandte sich an den Papst und den Kaiser; konte aber sein Liefland schlecht anbringen, und übergab dasselbe mit Estland in die Gewalt des Königs von Dännemark, doch mit der Bedingung, wenn seine Geistlichen, der Orden und die Rigischen darein willigen würden. Als der königli- che Vogt Gottschalck 1220 davon Besitz nehmen wolte, wiesen ihm die Liefländer den Heimweg. Jm Jahr 1221 begab sich der König dieses Rechts, welches er auch 1224 §. 6 bestätigte. Aus Estland schafte der päpstliche Legate Deutsche und Dä- nen heraus, und nahm es bey den Streitigkeiten für den Papst in Sequester, der es bey der Vereinigung der Liefländer mit dem deutschen Orden den Dänen wieder zu- sprach, dem Orden aber Gerwen beilegte. Was nun vorher schon durch den Papst geschehen war, setzte der Kaiser Friedrich in seinen Lehnsbriefen als zweiter Schutzherr in grösseres Ansehen. 2. Aus der Bezwingungsart. Weder der Kaiser noch das Reich haben Liefland besetzen lassen. Einige Privatpersonen, die bey Gelegenheit der Kaufmanschaft ein Land entdeckten, und etliche Geistliche zur Bekehrung der Heiden mit in ihre Vortheile zogen; etliche Edle, die sich vom Bischof mit dem Kreuz bezeichnen, und zur Verge- bung ihrer Sünden zum Kampf wider wilde Barbaren muthig machen liessen; selbst einige Herzoge, Fürsten, Grafen, Freiherren, die zur Seligkeit ihrer Seele, wie es die Einfalt ihrer Zeiten glaubte, dieses Kreuz aufnahmen, und eine freiwillige Pilger- schaft zur Ausbreitung des christlichen Namens auf eigne Unkosten antraten; alle diese Streiter machten keine Reichsarmee aus, die ihr Vaterland verliessen, um für den Kai- ser und das Reich neue Länder zu erfechten. Das Reich hat nie das gelobte Land für seine Provinz angesehen, obgleich unter den Kreuzzügern die Hauptarmee aus Deut- schen bestanden. 3. Aus der Natur des Schirmamts. Nach selbigem hatte der Papst so viel Recht als der Kaiser. Des erstern Bann stellete wenigstens noch so viel als eine kleine Armee vor. Der letztere hat keinen Man für Liefland zu Felde gehen lassen, auch nicht in Fällen, wo es die Noth erfordert hätte. Estland war durch die Dänen erobert. Der Papst sorgte dennoch dafür, und nach Goldasten bot der Kaiser Friedrich den Esten die Freiheit an. Beide wolten der Krone Dännemark dadurch ihr Eigentumsrecht nicht streitig machen. Wäre der Schutzherr zugleich Landesherr; so würde der Orden Estland um sein baares Geld für den Kaiser und das Reich erkauft haben. Wie aber Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter, nern mit Recht vorziehen konten. Aus dieſer Quelle flieſſet auch die Rechtmaͤßigkeit al-
ler Vertraͤge, welche die Haͤupter der 3 Staͤnde, nemlich der Erzbiſchof, der Herr Meiſter und die Stadt Riga mit der Crone Pohlen errichtet, weil ſie uͤber ihr eignes, nicht aber uͤber ein kaiſerliches Land ſchalteten, obgleich gegen dieſe Befugnis verſchie- dene Einwendungen zum Vorſchein kamen. Menii prodrom. S. 37. Nach dieſem Grunde nennet Ferdinand I in dem Schutzſchreiben an den Koͤnig Guſtav von Schweden 1558 die Provinz Liefland gar eigentlich Seiner Andacht, des Herrn Meiſters, und Jhres Ordens Lande. Selbſt das Betragen der eſtlaͤndiſchen Rit- terſchaft und der Stadt Revel mus hieraus gerechtfertiget werden, die dem Herrmei- ſter den Eid aufkuͤndigten, und ſo wie ihre Mitbruͤder in Liefland ſich berechtiget hiel- ten, einem andern chriſtlichen Potentaten gegen die vortheilhafteſten Bedingungen die Unterwerfung anzubieten. Auſſer dieſem Rechte der Advocatur oder des Schutzamts hat weder der Kaiſer noch das Reich uͤber Liefland ſich irgend etwas anmaſſen koͤnnen noch wollen, welches aus folgenden Beweisthuͤmern klaͤrer wird. 1. Aus der Belehnungsart. Die Paͤpſte befoͤrderten durch Bullen und Ablas die Bekehrung der Heiden. Der dritte Biſchof Albert erhielt zur Bezwingungderſelben von dem daͤniſchen Hofe Geſchenke und Schiffe. S. Grubers Orig. beim Jahr 1198 Not. d) und 1199 §. 1. Als er in Gegenwart des Kaiſers Philip die Frage auf- warf, ob Liefland unter paͤpſtlicher Protection ſtehen ſolte, ward ſelbige mit ja beant- wortet. Er ſahe ſich nach der Huͤlfe andrer Koͤnige um, wandte ſich 1205 ans Reich, nahm Liefland zum Lehn, ſolte auch vom Kaiſer Philip jaͤhrlich 100 Mark zur Bei- huͤlfe empfangen, die aber nicht ausgezahlet wurden. Ein ſo auſſerordentliches Lehn, das die Jnhaber ſich mit ihrem Blute und auf eigene Koſten erwarben, dem Lehnsherrn uͤbergaben, Geld dazu begehrten, und hernach wieder in Empfang nahmen, kan wol in keine andre Claſſe als unter die feuda Aduocatiae des Reichs kommen. Das dritte Theil dieſes Lehns verliehe Albert an den Orden, welches der Papſt 1206 §. 3 beſtaͤtigte. Albert zerfiel 1219 mit den Daͤnen wegen Eſtland. Er behauptete ſtandhaft gegen ſie, daß die Pilger und Rigiſchen unter der heiligen Marienfahne Gerwen erobert, und ihre Prieſter frey in Wirland predigen koͤnten. Dis machte den Koͤnig eiferſuͤch- tig, und hemte die biſchoͤfliche Vortheile. Der Biſchof wandte ſich an den Papſt und den Kaiſer; konte aber ſein Liefland ſchlecht anbringen, und uͤbergab daſſelbe mit Eſtland in die Gewalt des Koͤnigs von Daͤnnemark, doch mit der Bedingung, wenn ſeine Geiſtlichen, der Orden und die Rigiſchen darein willigen wuͤrden. Als der koͤnigli- che Vogt Gottſchalck 1220 davon Beſitz nehmen wolte, wieſen ihm die Lieflaͤnder den Heimweg. Jm Jahr 1221 begab ſich der Koͤnig dieſes Rechts, welches er auch 1224 §. 6 beſtaͤtigte. Aus Eſtland ſchafte der paͤpſtliche Legate Deutſche und Daͤ- nen heraus, und nahm es bey den Streitigkeiten fuͤr den Papſt in Sequeſter, der es bey der Vereinigung der Lieflaͤnder mit dem deutſchen Orden den Daͤnen wieder zu- ſprach, dem Orden aber Gerwen beilegte. Was nun vorher ſchon durch den Papſt geſchehen war, ſetzte der Kaiſer Friedrich in ſeinen Lehnsbriefen als zweiter Schutzherr in groͤſſeres Anſehen. 2. Aus der Bezwingungsart. Weder der Kaiſer noch das Reich haben Liefland beſetzen laſſen. Einige Privatperſonen, die bey Gelegenheit der Kaufmanſchaft ein Land entdeckten, und etliche Geiſtliche zur Bekehrung der Heiden mit in ihre Vortheile zogen; etliche Edle, die ſich vom Biſchof mit dem Kreuz bezeichnen, und zur Verge- bung ihrer Suͤnden zum Kampf wider wilde Barbaren muthig machen lieſſen; ſelbſt einige Herzoge, Fuͤrſten, Grafen, Freiherren, die zur Seligkeit ihrer Seele, wie es die Einfalt ihrer Zeiten glaubte, dieſes Kreuz aufnahmen, und eine freiwillige Pilger- ſchaft zur Ausbreitung des chriſtlichen Namens auf eigne Unkoſten antraten; alle dieſe Streiter machten keine Reichsarmee aus, die ihr Vaterland verlieſſen, um fuͤr den Kai- ſer und das Reich neue Laͤnder zu erfechten. Das Reich hat nie das gelobte Land fuͤr ſeine Provinz angeſehen, obgleich unter den Kreuzzuͤgern die Hauptarmee aus Deut- ſchen beſtanden. 3. Aus der Natur des Schirmamts. Nach ſelbigem hatte der Papſt ſo viel Recht als der Kaiſer. Des erſtern Bann ſtellete wenigſtens noch ſo viel als eine kleine Armee vor. Der letztere hat keinen Man fuͤr Liefland zu Felde gehen laſſen, auch nicht in Faͤllen, wo es die Noth erfordert haͤtte. Eſtland war durch die Daͤnen erobert. Der Papſt ſorgte dennoch dafuͤr, und nach Goldaſten bot der Kaiſer Friedrich den Eſten die Freiheit an. Beide wolten der Krone Daͤnnemark dadurch ihr Eigentumsrecht nicht ſtreitig machen. Waͤre der Schutzherr zugleich Landesherr; ſo wuͤrde der Orden Eſtland um ſein baares Geld fuͤr den Kaiſer und das Reich erkauft haben. Wie aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0314" n="296"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,</hi> </fw><lb/> <note next="#i91" xml:id="i90" prev="#i89" place="foot" n="x)">nern mit Recht vorziehen konten. Aus dieſer Quelle flieſſet auch die Rechtmaͤßigkeit al-<lb/> ler Vertraͤge, welche die Haͤupter der 3 Staͤnde, nemlich der Erzbiſchof, der Herr<lb/> Meiſter und die Stadt <hi rendition="#fr">Riga</hi> mit der Crone <hi rendition="#fr">Pohlen</hi> errichtet, weil ſie uͤber ihr eignes,<lb/> nicht aber uͤber ein kaiſerliches Land ſchalteten, obgleich gegen dieſe Befugnis verſchie-<lb/> dene Einwendungen zum Vorſchein kamen. <hi rendition="#fr">Menii</hi> <hi rendition="#aq">prodrom.</hi> S. 37. Nach dieſem<lb/> Grunde nennet <hi rendition="#fr">Ferdinand</hi> <hi rendition="#aq">I</hi> in dem Schutzſchreiben an den Koͤnig <hi rendition="#fr">Guſtav</hi> von<lb/><hi rendition="#fr">Schweden</hi> 1558 die Provinz <hi rendition="#fr">Liefland</hi> gar eigentlich <hi rendition="#fr">Seiner Andacht,</hi> des Herrn<lb/> Meiſters, und Jhres <hi rendition="#fr">Ordens</hi> Lande. Selbſt das Betragen der <hi rendition="#fr">eſtlaͤndiſchen</hi> Rit-<lb/> terſchaft und der Stadt <hi rendition="#fr">Revel</hi> mus hieraus gerechtfertiget werden, die dem Herrmei-<lb/> ſter den Eid aufkuͤndigten, und ſo wie ihre Mitbruͤder in <hi rendition="#fr">Liefland</hi> ſich berechtiget hiel-<lb/> ten, einem andern chriſtlichen Potentaten gegen die vortheilhafteſten Bedingungen die<lb/> Unterwerfung anzubieten.<lb/> Auſſer dieſem Rechte der Advocatur oder des Schutzamts hat weder der Kaiſer noch<lb/> das Reich uͤber <hi rendition="#fr">Liefland</hi> ſich irgend etwas anmaſſen koͤnnen noch wollen, welches aus<lb/> folgenden Beweisthuͤmern klaͤrer wird.<lb/> 1. Aus der Belehnungsart. Die Paͤpſte befoͤrderten durch Bullen und Ablas die<lb/> Bekehrung der Heiden. Der dritte Biſchof <hi rendition="#fr">Albert</hi> erhielt zur Bezwingungderſelben<lb/> von dem <hi rendition="#fr">daͤniſchen</hi> Hofe Geſchenke und Schiffe. S. <hi rendition="#fr">Grubers</hi> <hi rendition="#aq">Orig.</hi> beim Jahr<lb/> 1198 Not. <hi rendition="#aq">d)</hi> und 1199 §. 1. Als er in Gegenwart des Kaiſers <hi rendition="#fr">Philip</hi> die Frage auf-<lb/> warf, ob <hi rendition="#fr">Liefland</hi> unter paͤpſtlicher Protection ſtehen ſolte, ward ſelbige mit ja beant-<lb/> wortet. Er ſahe ſich nach der Huͤlfe andrer Koͤnige um, wandte ſich 1205 ans Reich,<lb/> nahm <hi rendition="#fr">Liefland</hi> zum Lehn, ſolte auch vom Kaiſer <hi rendition="#fr">Philip</hi> jaͤhrlich 100 Mark zur Bei-<lb/> huͤlfe empfangen, die aber nicht ausgezahlet wurden. Ein ſo auſſerordentliches Lehn,<lb/> das die Jnhaber ſich mit ihrem Blute und auf eigene Koſten erwarben, dem Lehnsherrn<lb/> uͤbergaben, Geld dazu begehrten, und hernach wieder in Empfang nahmen, kan wol in<lb/> keine andre Claſſe als unter die <hi rendition="#aq">feuda Aduocatiae</hi> des Reichs kommen. Das dritte Theil<lb/> dieſes Lehns verliehe <hi rendition="#fr">Albert</hi> an den Orden, welches der Papſt 1206 §. 3 beſtaͤtigte.<lb/><hi rendition="#fr">Albert</hi> zerfiel 1219 mit den <hi rendition="#fr">Daͤnen</hi> wegen <hi rendition="#fr">Eſtland.</hi> Er behauptete ſtandhaft gegen<lb/> ſie, daß die Pilger und <hi rendition="#fr">Rigiſchen</hi> unter der heiligen Marienfahne <hi rendition="#fr">Gerwen</hi> erobert,<lb/> und ihre Prieſter frey in <hi rendition="#fr">Wirland</hi> predigen koͤnten. Dis machte den Koͤnig eiferſuͤch-<lb/> tig, und hemte die biſchoͤfliche Vortheile. Der Biſchof wandte ſich an den Papſt und<lb/> den Kaiſer; konte aber ſein <hi rendition="#fr">Liefland</hi> ſchlecht anbringen, und uͤbergab daſſelbe mit <hi rendition="#fr">Eſtland</hi><lb/> in die Gewalt des Koͤnigs von <hi rendition="#fr">Daͤnnemark,</hi> doch mit der Bedingung, wenn ſeine<lb/> Geiſtlichen, der Orden und die <hi rendition="#fr">Rigiſchen</hi> darein willigen wuͤrden. Als der koͤnigli-<lb/> che Vogt <hi rendition="#fr">Gottſchalck</hi> 1220 davon Beſitz nehmen wolte, wieſen ihm die <hi rendition="#fr">Lieflaͤnder</hi><lb/> den Heimweg. Jm Jahr 1221 begab ſich der Koͤnig dieſes Rechts, welches er auch<lb/> 1224 §. 6 beſtaͤtigte. Aus <hi rendition="#fr">Eſtland</hi> ſchafte der paͤpſtliche Legate <hi rendition="#fr">Deutſche</hi> und <hi rendition="#fr">Daͤ-<lb/> nen</hi> heraus, und nahm es bey den Streitigkeiten fuͤr den Papſt in Sequeſter, der es bey<lb/> der Vereinigung der <hi rendition="#fr">Lieflaͤnder</hi> mit dem <hi rendition="#fr">deutſchen</hi> Orden den <hi rendition="#fr">Daͤnen</hi> wieder zu-<lb/> ſprach, dem Orden aber <hi rendition="#fr">Gerwen</hi> beilegte. Was nun vorher ſchon durch den Papſt<lb/> geſchehen war, ſetzte der Kaiſer <hi rendition="#fr">Friedrich</hi> in ſeinen Lehnsbriefen als zweiter Schutzherr<lb/> in groͤſſeres Anſehen.<lb/> 2. Aus der Bezwingungsart. Weder der Kaiſer noch das Reich haben <hi rendition="#fr">Liefland</hi><lb/> beſetzen laſſen. Einige Privatperſonen, die bey Gelegenheit der Kaufmanſchaft ein<lb/> Land entdeckten, und etliche Geiſtliche zur Bekehrung der Heiden mit in ihre Vortheile<lb/> zogen; etliche Edle, die ſich vom Biſchof mit dem Kreuz bezeichnen, und zur Verge-<lb/> bung ihrer Suͤnden zum Kampf wider wilde Barbaren muthig machen lieſſen; ſelbſt<lb/> einige Herzoge, Fuͤrſten, Grafen, Freiherren, die zur Seligkeit ihrer Seele, wie es<lb/> die Einfalt ihrer Zeiten glaubte, dieſes Kreuz aufnahmen, und eine freiwillige Pilger-<lb/> ſchaft zur Ausbreitung des chriſtlichen Namens auf eigne Unkoſten antraten; alle dieſe<lb/> Streiter machten keine Reichsarmee aus, die ihr Vaterland verlieſſen, um fuͤr den Kai-<lb/> ſer und das Reich neue Laͤnder zu erfechten. Das Reich hat nie das gelobte Land fuͤr<lb/> ſeine Provinz angeſehen, obgleich unter den Kreuzzuͤgern die Hauptarmee aus <hi rendition="#fr">Deut-<lb/> ſchen</hi> beſtanden.<lb/> 3. Aus der Natur des Schirmamts. Nach ſelbigem hatte der Papſt ſo viel Recht<lb/> als der Kaiſer. Des erſtern Bann ſtellete wenigſtens noch ſo viel als eine kleine Armee<lb/> vor. Der letztere hat keinen Man fuͤr <hi rendition="#fr">Liefland</hi> zu Felde gehen laſſen, auch nicht in<lb/> Faͤllen, wo es die Noth erfordert haͤtte. <hi rendition="#fr">Eſtland</hi> war durch die <hi rendition="#fr">Daͤnen</hi> erobert. Der<lb/> Papſt ſorgte dennoch dafuͤr, und nach <hi rendition="#fr">Goldaſten</hi> bot der Kaiſer <hi rendition="#fr">Friedrich</hi> den <hi rendition="#fr">Eſten</hi><lb/> die Freiheit an. Beide wolten der Krone <hi rendition="#fr">Daͤnnemark</hi> dadurch ihr Eigentumsrecht<lb/> nicht ſtreitig machen. Waͤre der Schutzherr zugleich Landesherr; ſo wuͤrde der Orden<lb/><hi rendition="#fr">Eſtland</hi> um ſein baares Geld fuͤr den Kaiſer und das Reich erkauft haben. Wie<lb/> <fw place="bottom" type="catch">aber</fw></note><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [296/0314]
Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
x)
x) nern mit Recht vorziehen konten. Aus dieſer Quelle flieſſet auch die Rechtmaͤßigkeit al-
ler Vertraͤge, welche die Haͤupter der 3 Staͤnde, nemlich der Erzbiſchof, der Herr
Meiſter und die Stadt Riga mit der Crone Pohlen errichtet, weil ſie uͤber ihr eignes,
nicht aber uͤber ein kaiſerliches Land ſchalteten, obgleich gegen dieſe Befugnis verſchie-
dene Einwendungen zum Vorſchein kamen. Menii prodrom. S. 37. Nach dieſem
Grunde nennet Ferdinand I in dem Schutzſchreiben an den Koͤnig Guſtav von
Schweden 1558 die Provinz Liefland gar eigentlich Seiner Andacht, des Herrn
Meiſters, und Jhres Ordens Lande. Selbſt das Betragen der eſtlaͤndiſchen Rit-
terſchaft und der Stadt Revel mus hieraus gerechtfertiget werden, die dem Herrmei-
ſter den Eid aufkuͤndigten, und ſo wie ihre Mitbruͤder in Liefland ſich berechtiget hiel-
ten, einem andern chriſtlichen Potentaten gegen die vortheilhafteſten Bedingungen die
Unterwerfung anzubieten.
Auſſer dieſem Rechte der Advocatur oder des Schutzamts hat weder der Kaiſer noch
das Reich uͤber Liefland ſich irgend etwas anmaſſen koͤnnen noch wollen, welches aus
folgenden Beweisthuͤmern klaͤrer wird.
1. Aus der Belehnungsart. Die Paͤpſte befoͤrderten durch Bullen und Ablas die
Bekehrung der Heiden. Der dritte Biſchof Albert erhielt zur Bezwingungderſelben
von dem daͤniſchen Hofe Geſchenke und Schiffe. S. Grubers Orig. beim Jahr
1198 Not. d) und 1199 §. 1. Als er in Gegenwart des Kaiſers Philip die Frage auf-
warf, ob Liefland unter paͤpſtlicher Protection ſtehen ſolte, ward ſelbige mit ja beant-
wortet. Er ſahe ſich nach der Huͤlfe andrer Koͤnige um, wandte ſich 1205 ans Reich,
nahm Liefland zum Lehn, ſolte auch vom Kaiſer Philip jaͤhrlich 100 Mark zur Bei-
huͤlfe empfangen, die aber nicht ausgezahlet wurden. Ein ſo auſſerordentliches Lehn,
das die Jnhaber ſich mit ihrem Blute und auf eigene Koſten erwarben, dem Lehnsherrn
uͤbergaben, Geld dazu begehrten, und hernach wieder in Empfang nahmen, kan wol in
keine andre Claſſe als unter die feuda Aduocatiae des Reichs kommen. Das dritte Theil
dieſes Lehns verliehe Albert an den Orden, welches der Papſt 1206 §. 3 beſtaͤtigte.
Albert zerfiel 1219 mit den Daͤnen wegen Eſtland. Er behauptete ſtandhaft gegen
ſie, daß die Pilger und Rigiſchen unter der heiligen Marienfahne Gerwen erobert,
und ihre Prieſter frey in Wirland predigen koͤnten. Dis machte den Koͤnig eiferſuͤch-
tig, und hemte die biſchoͤfliche Vortheile. Der Biſchof wandte ſich an den Papſt und
den Kaiſer; konte aber ſein Liefland ſchlecht anbringen, und uͤbergab daſſelbe mit Eſtland
in die Gewalt des Koͤnigs von Daͤnnemark, doch mit der Bedingung, wenn ſeine
Geiſtlichen, der Orden und die Rigiſchen darein willigen wuͤrden. Als der koͤnigli-
che Vogt Gottſchalck 1220 davon Beſitz nehmen wolte, wieſen ihm die Lieflaͤnder
den Heimweg. Jm Jahr 1221 begab ſich der Koͤnig dieſes Rechts, welches er auch
1224 §. 6 beſtaͤtigte. Aus Eſtland ſchafte der paͤpſtliche Legate Deutſche und Daͤ-
nen heraus, und nahm es bey den Streitigkeiten fuͤr den Papſt in Sequeſter, der es bey
der Vereinigung der Lieflaͤnder mit dem deutſchen Orden den Daͤnen wieder zu-
ſprach, dem Orden aber Gerwen beilegte. Was nun vorher ſchon durch den Papſt
geſchehen war, ſetzte der Kaiſer Friedrich in ſeinen Lehnsbriefen als zweiter Schutzherr
in groͤſſeres Anſehen.
2. Aus der Bezwingungsart. Weder der Kaiſer noch das Reich haben Liefland
beſetzen laſſen. Einige Privatperſonen, die bey Gelegenheit der Kaufmanſchaft ein
Land entdeckten, und etliche Geiſtliche zur Bekehrung der Heiden mit in ihre Vortheile
zogen; etliche Edle, die ſich vom Biſchof mit dem Kreuz bezeichnen, und zur Verge-
bung ihrer Suͤnden zum Kampf wider wilde Barbaren muthig machen lieſſen; ſelbſt
einige Herzoge, Fuͤrſten, Grafen, Freiherren, die zur Seligkeit ihrer Seele, wie es
die Einfalt ihrer Zeiten glaubte, dieſes Kreuz aufnahmen, und eine freiwillige Pilger-
ſchaft zur Ausbreitung des chriſtlichen Namens auf eigne Unkoſten antraten; alle dieſe
Streiter machten keine Reichsarmee aus, die ihr Vaterland verlieſſen, um fuͤr den Kai-
ſer und das Reich neue Laͤnder zu erfechten. Das Reich hat nie das gelobte Land fuͤr
ſeine Provinz angeſehen, obgleich unter den Kreuzzuͤgern die Hauptarmee aus Deut-
ſchen beſtanden.
3. Aus der Natur des Schirmamts. Nach ſelbigem hatte der Papſt ſo viel Recht
als der Kaiſer. Des erſtern Bann ſtellete wenigſtens noch ſo viel als eine kleine Armee
vor. Der letztere hat keinen Man fuͤr Liefland zu Felde gehen laſſen, auch nicht in
Faͤllen, wo es die Noth erfordert haͤtte. Eſtland war durch die Daͤnen erobert. Der
Papſt ſorgte dennoch dafuͤr, und nach Goldaſten bot der Kaiſer Friedrich den Eſten
die Freiheit an. Beide wolten der Krone Daͤnnemark dadurch ihr Eigentumsrecht
nicht ſtreitig machen. Waͤre der Schutzherr zugleich Landesherr; ſo wuͤrde der Orden
Eſtland um ſein baares Geld fuͤr den Kaiſer und das Reich erkauft haben. Wie
aber
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |