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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister,
1560Revel, welcher die Zeit zu lange wärete, aus Furcht für der rußischen Belagerung
ihre eigenen Deputirten den Rathsherrn Johan Schmiedemann und den Elte-
sten der grossen Gilde Claes tor Hake den 5. Sept. nach Stockholm abfertigten,
eine gewisse Summe Geldes auszuwirken. Weil diese mit den herrmeisterlichen
und pohlnischen Gesandten alles überlegten, so fand es der König für rathsam,
die Revelschen allein zu sprechen, und die Herrmeisterlichen mit der kurzen Ant-
wort zu beurlauben: er traue den Liefländern nicht, weil sie Schweden schon
einmal sitzen lassen; doch wolle er ihnen gegen Verpfändung der Stadt Pernaw
60000 Thlr. vorschiessen, verlange aber für die Kaperey auf die Schiffe seiner
Unterthanen noch vor Ostern eine hinlängliche Genugthuung. Also kam aus
Schweden nichts, und aus Deutschland nichts bessers, ohnerachtet der
deutsche Hochmeister durch seine Gesandten, den Landcomtur der Balley Hessen
Johan
von Rehen, Georg Hund von Wenckheim, Comtur zu Frank-
furt
und den Doctor der Rechte, Thomas Meyerhöfer, auf dem Reichstage
zu Speier wegen der Errettung der Republik Liefland die triftigsten Vorstel-
lungen thun lassen. Die herrmeisterlichen Gesandten hatten bey ihrer Rückreise
aus Schweden noch das Unglück, daß, da sie in der Mitten des Jenners von
1561Helsingfors nach Revel über das Eis wolten und des Abends die Jnsel Nar-
3 Meilen von Revel erreichten, des Nachts ein so plötzliches Thauwetter ein-
fiel, daß sie mit genauer Noth auf einem Bote die schlechte Antwort des Königs
ihrem Meister überbringen konten.

Sodann bot König Erich den revelschen Gesandten seinen Schutz, Hül-
fe und Geld unter der Bedingung an, wenn die Stadt sich seiner Botmäßigkeit
unterwerfen wolle: doch meinte er noch sicherer zu gehen, wenn ganz Estland
die Unterwerfung unter den schwedischen Scepter annähme, gleichwie Lief-
land
mit den Pohlen in Tractaten stand; indem es doch dem Czaar bedenklich
fallen würde, sich um dieser Länder willen zwey mächtige Nachbarn zu Feinden zu
machen. Die Stadt Revel überlegte die Willensmeinung des Königs mit der
Ritterschaft von Harrien und Wirland, und sodann schickte der Adel Her-
man Szögen
und Rembert von Gilsen, die Stadt aber den Bürgermeister
Johan König, den Rathsherrn Jürgen Hünerjäger, und den Secretair
Lorenz Schmidt an den Ordensmeister Kettler ab, und entdeckten ihm
nach ihrem langen und vergeblichen Aussehen um Hülfe ihren gefasten Entschlus,
Schweden zum Oberherrn anzunehmen. Kettlern gieng es freilich nahe; er
that daher wieder gute Versprechungen, schickte auch eine Compagnie Pohlen
mit, die aber mit den Bürgern so viel Lerm machten, daß der Magistrat ihnen
eine Belohnung austheilen und sie wieder zum Thore hinaus ziehen lies.

Jn der Fastenzeit am 25sten Merz fanden sich von schwedischer Seite
die Gevolmächtigten ein, welche die Unterwerfung des Herzogthums Estland
unter die Kron Schweden glücklich zu Stande brachten. Sie hiessen Clas
(Claudius) Christerson,
Herr auf Amine, Hans Larsson zu Jsnes,
nebst dem königlichen Secretair Herman Bruser. Jhr erstes Anbringen be-
stand in der Zurückforderung der geraubten Kaufmansgüter, dem sie durch Vor-
weisung des königlichen Befels Nachdruck gaben, und vermöge welcher die schwe-
dischen
Hauptleute Hans Kyle, Erich Timmeson, Casper Wittenberg
und Lille Marten, die mit einigen Kriegesschiffen und Völkern in Finnland
lagen, befehliget wurden, auf Anforderung der Herren Commissarien sich fertig
zu halten. So wurde auch Anders Peerson zu Ferdahl aus dem berühmten
Geschlechte der Lilienhöeke mit einigen Schiffen, Geschütz, und andrer Kriegs-
geräthschaft, und 3 Compagnien Soldaten nach Revel geschickt. Kettler war
nicht gesonnen auf diese Nachricht nach Revel zu kommen, daß es also den Com-
missarien leicht fiel, den Einwohnern die Annehmung des schwedischen Schu-
tzes angenehm und süs vorzustellen.

Die

Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
1560Revel, welcher die Zeit zu lange waͤrete, aus Furcht fuͤr der rußiſchen Belagerung
ihre eigenen Deputirten den Rathsherrn Johan Schmiedemann und den Elte-
ſten der groſſen Gilde Claes tor Hake den 5. Sept. nach Stockholm abfertigten,
eine gewiſſe Summe Geldes auszuwirken. Weil dieſe mit den herrmeiſterlichen
und pohlniſchen Geſandten alles uͤberlegten, ſo fand es der Koͤnig fuͤr rathſam,
die Revelſchen allein zu ſprechen, und die Herrmeiſterlichen mit der kurzen Ant-
wort zu beurlauben: er traue den Lieflaͤndern nicht, weil ſie Schweden ſchon
einmal ſitzen laſſen; doch wolle er ihnen gegen Verpfaͤndung der Stadt Pernaw
60000 Thlr. vorſchieſſen, verlange aber fuͤr die Kaperey auf die Schiffe ſeiner
Unterthanen noch vor Oſtern eine hinlaͤngliche Genugthuung. Alſo kam aus
Schweden nichts, und aus Deutſchland nichts beſſers, ohnerachtet der
deutſche Hochmeiſter durch ſeine Geſandten, den Landcomtur der Balley Heſſen
Johan
von Rehen, Georg Hund von Wenckheim, Comtur zu Frank-
furt
und den Doctor der Rechte, Thomas Meyerhoͤfer, auf dem Reichstage
zu Speier wegen der Errettung der Republik Liefland die triftigſten Vorſtel-
lungen thun laſſen. Die herrmeiſterlichen Geſandten hatten bey ihrer Ruͤckreiſe
aus Schweden noch das Ungluͤck, daß, da ſie in der Mitten des Jenners von
1561Helſingfors nach Revel uͤber das Eis wolten und des Abends die Jnſel Nar-
joͤ
3 Meilen von Revel erreichten, des Nachts ein ſo ploͤtzliches Thauwetter ein-
fiel, daß ſie mit genauer Noth auf einem Bote die ſchlechte Antwort des Koͤnigs
ihrem Meiſter uͤberbringen konten.

Sodann bot Koͤnig Erich den revelſchen Geſandten ſeinen Schutz, Huͤl-
fe und Geld unter der Bedingung an, wenn die Stadt ſich ſeiner Botmaͤßigkeit
unterwerfen wolle: doch meinte er noch ſicherer zu gehen, wenn ganz Eſtland
die Unterwerfung unter den ſchwediſchen Scepter annaͤhme, gleichwie Lief-
land
mit den Pohlen in Tractaten ſtand; indem es doch dem Czaar bedenklich
fallen wuͤrde, ſich um dieſer Laͤnder willen zwey maͤchtige Nachbarn zu Feinden zu
machen. Die Stadt Revel uͤberlegte die Willensmeinung des Koͤnigs mit der
Ritterſchaft von Harrien und Wirland, und ſodann ſchickte der Adel Her-
man Szoͤgen
und Rembert von Gilſen, die Stadt aber den Buͤrgermeiſter
Johan Koͤnig, den Rathsherrn Juͤrgen Huͤnerjaͤger, und den Secretair
Lorenz Schmidt an den Ordensmeiſter Kettler ab, und entdeckten ihm
nach ihrem langen und vergeblichen Ausſehen um Huͤlfe ihren gefaſten Entſchlus,
Schweden zum Oberherrn anzunehmen. Kettlern gieng es freilich nahe; er
that daher wieder gute Verſprechungen, ſchickte auch eine Compagnie Pohlen
mit, die aber mit den Buͤrgern ſo viel Lerm machten, daß der Magiſtrat ihnen
eine Belohnung austheilen und ſie wieder zum Thore hinaus ziehen lies.

Jn der Faſtenzeit am 25ſten Merz fanden ſich von ſchwediſcher Seite
die Gevolmaͤchtigten ein, welche die Unterwerfung des Herzogthums Eſtland
unter die Kron Schweden gluͤcklich zu Stande brachten. Sie hieſſen Clas
(Claudius) Chriſterſon,
Herr auf Amine, Hans Larſſon zu Jsnes,
nebſt dem koͤniglichen Secretair Herman Bruſer. Jhr erſtes Anbringen be-
ſtand in der Zuruͤckforderung der geraubten Kaufmansguͤter, dem ſie durch Vor-
weiſung des koͤniglichen Befels Nachdruck gaben, und vermoͤge welcher die ſchwe-
diſchen
Hauptleute Hans Kyle, Erich Timmeſon, Caſper Wittenberg
und Lille Marten, die mit einigen Kriegesſchiffen und Voͤlkern in Finnland
lagen, befehliget wurden, auf Anforderung der Herren Commiſſarien ſich fertig
zu halten. So wurde auch Anders Peerſon zu Ferdahl aus dem beruͤhmten
Geſchlechte der Lilienhoͤeke mit einigen Schiffen, Geſchuͤtz, und andrer Kriegs-
geraͤthſchaft, und 3 Compagnien Soldaten nach Revel geſchickt. Kettler war
nicht geſonnen auf dieſe Nachricht nach Revel zu kommen, daß es alſo den Com-
miſſarien leicht fiel, den Einwohnern die Annehmung des ſchwediſchen Schu-
tzes angenehm und ſuͤs vorzuſtellen.

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[260/0278] Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter, Revel, welcher die Zeit zu lange waͤrete, aus Furcht fuͤr der rußiſchen Belagerung ihre eigenen Deputirten den Rathsherrn Johan Schmiedemann und den Elte- ſten der groſſen Gilde Claes tor Hake den 5. Sept. nach Stockholm abfertigten, eine gewiſſe Summe Geldes auszuwirken. Weil dieſe mit den herrmeiſterlichen und pohlniſchen Geſandten alles uͤberlegten, ſo fand es der Koͤnig fuͤr rathſam, die Revelſchen allein zu ſprechen, und die Herrmeiſterlichen mit der kurzen Ant- wort zu beurlauben: er traue den Lieflaͤndern nicht, weil ſie Schweden ſchon einmal ſitzen laſſen; doch wolle er ihnen gegen Verpfaͤndung der Stadt Pernaw 60000 Thlr. vorſchieſſen, verlange aber fuͤr die Kaperey auf die Schiffe ſeiner Unterthanen noch vor Oſtern eine hinlaͤngliche Genugthuung. Alſo kam aus Schweden nichts, und aus Deutſchland nichts beſſers, ohnerachtet der deutſche Hochmeiſter durch ſeine Geſandten, den Landcomtur der Balley Heſſen Johan von Rehen, Georg Hund von Wenckheim, Comtur zu Frank- furt und den Doctor der Rechte, Thomas Meyerhoͤfer, auf dem Reichstage zu Speier wegen der Errettung der Republik Liefland die triftigſten Vorſtel- lungen thun laſſen. Die herrmeiſterlichen Geſandten hatten bey ihrer Ruͤckreiſe aus Schweden noch das Ungluͤck, daß, da ſie in der Mitten des Jenners von Helſingfors nach Revel uͤber das Eis wolten und des Abends die Jnſel Nar- joͤ 3 Meilen von Revel erreichten, des Nachts ein ſo ploͤtzliches Thauwetter ein- fiel, daß ſie mit genauer Noth auf einem Bote die ſchlechte Antwort des Koͤnigs ihrem Meiſter uͤberbringen konten. 1560 1561 Sodann bot Koͤnig Erich den revelſchen Geſandten ſeinen Schutz, Huͤl- fe und Geld unter der Bedingung an, wenn die Stadt ſich ſeiner Botmaͤßigkeit unterwerfen wolle: doch meinte er noch ſicherer zu gehen, wenn ganz Eſtland die Unterwerfung unter den ſchwediſchen Scepter annaͤhme, gleichwie Lief- land mit den Pohlen in Tractaten ſtand; indem es doch dem Czaar bedenklich fallen wuͤrde, ſich um dieſer Laͤnder willen zwey maͤchtige Nachbarn zu Feinden zu machen. Die Stadt Revel uͤberlegte die Willensmeinung des Koͤnigs mit der Ritterſchaft von Harrien und Wirland, und ſodann ſchickte der Adel Her- man Szoͤgen und Rembert von Gilſen, die Stadt aber den Buͤrgermeiſter Johan Koͤnig, den Rathsherrn Juͤrgen Huͤnerjaͤger, und den Secretair Lorenz Schmidt an den Ordensmeiſter Kettler ab, und entdeckten ihm nach ihrem langen und vergeblichen Ausſehen um Huͤlfe ihren gefaſten Entſchlus, Schweden zum Oberherrn anzunehmen. Kettlern gieng es freilich nahe; er that daher wieder gute Verſprechungen, ſchickte auch eine Compagnie Pohlen mit, die aber mit den Buͤrgern ſo viel Lerm machten, daß der Magiſtrat ihnen eine Belohnung austheilen und ſie wieder zum Thore hinaus ziehen lies. Jn der Faſtenzeit am 25ſten Merz fanden ſich von ſchwediſcher Seite die Gevolmaͤchtigten ein, welche die Unterwerfung des Herzogthums Eſtland unter die Kron Schweden gluͤcklich zu Stande brachten. Sie hieſſen Clas (Claudius) Chriſterſon, Herr auf Amine, Hans Larſſon zu Jsnes, nebſt dem koͤniglichen Secretair Herman Bruſer. Jhr erſtes Anbringen be- ſtand in der Zuruͤckforderung der geraubten Kaufmansguͤter, dem ſie durch Vor- weiſung des koͤniglichen Befels Nachdruck gaben, und vermoͤge welcher die ſchwe- diſchen Hauptleute Hans Kyle, Erich Timmeſon, Caſper Wittenberg und Lille Marten, die mit einigen Kriegesſchiffen und Voͤlkern in Finnland lagen, befehliget wurden, auf Anforderung der Herren Commiſſarien ſich fertig zu halten. So wurde auch Anders Peerſon zu Ferdahl aus dem beruͤhmten Geſchlechte der Lilienhoͤeke mit einigen Schiffen, Geſchuͤtz, und andrer Kriegs- geraͤthſchaft, und 3 Compagnien Soldaten nach Revel geſchickt. Kettler war nicht geſonnen auf dieſe Nachricht nach Revel zu kommen, daß es alſo den Com- miſſarien leicht fiel, den Einwohnern die Annehmung des ſchwediſchen Schu- tzes angenehm und ſuͤs vorzuſtellen. Die

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/278>, abgerufen am 23.11.2024.