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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister,
1559burg, Clas Christerson Horn, sich genöthiget sahe die Kaufleute aus Re-
vel, Berlhold Bussen, Meinhard Frilsen
und Diedrich Resenkam-
pen
zu Wiburg in Verhaft zu nehmen. Der König selbst lies einige Kriegs-
schiffe zur Bedeckung seines Handels in dem finnischen Meerbusen kreutzen.
Der König bezeuget dem Ordensmeister, daß an diesem Unfug nicht die Zufuhr
Schuld habe, indem man ja aus Riga über Plescow weit stärker mit Ruß-
land
handele, sondern der Neid, daß Schweden hierdurch etwas gewinne.
Er versichert, die Gefangenen in Wiborg nicht eher los zu geben, bis seine ge-
plünderten Unterthanen befriediget worden; zuletzt verlanget er auch für die auf
schwedischen Küsten beraubten Russen eine Genugthuung. Allein die Kriegs-
unruhen verstatteten den Liefländern nicht dieses alles zu volziehen.

So schlecht musten sich auch die Lübecker befriedigen lassen, denen man
etliche Schiffe wegnahm, und die Waaren für Contrebande erklärte. Die Sa-
che kam für die Hanseestädte. Diese thaten nun zwar den Ausspruch zum Vor-
theil der Stadt Revel; allein die Lübecker liessen sichs nur in so weit gefallen,
wenn andre Nationen auch den Handel nach Wiborg und Narva unterliessen.
Sie beriefen sich zugleich auf das kaiserliche Privilegium, vermöge dessen sie bis
an die Newa nach Nyen handeln könten; ingleichen auf des Herrn Meisters
Gottfrieds Brief, worin ihnen so gar in feindlichen Zeiten mit Rußland der
Handel offen gelassen worden. Sie gewannen auch das Urtheil bey Ferdinan-
den,
welcher bey Kettlern auf die Wiedererstattung der Güter drang. Der
Ordensmeister wolte von Vellyn nach Revel gehen und die Händel näher unter-
suchen, weil fast alle Nationen nach Narva fuhren und die Kaufmanschaft zu
Revel verderbten. Allein die Ankunft der pohlnischen Gesandten, Sta-
nislaus Narkuski,
Präpositus zu Vilna, und des litthauischen Schatzmei-
sters Nicolaus Naruscewitz, nöthigten ihn nach Riga zu reisen, worüber der
Handelsproces ins Stecken gerieth, und an keine Rückgabe mehr gedacht wurde.
Sonst meldet Russov bey diesem Jahre noch, daß der Tater Cham auch seine
Botschafter an den Ordensmeister gesandt, und Hülfe gegen den Russen ver-
sprechen lassen, wobey aber die Botschafter begehret, ihren Herren mit Geschen-
ken und Boten wieder zu besuchen. Allein auf diesen Rohrstab wolte Kettler
sich nicht stützen.

1560

Mit Anfang des neuen Jahrs brach die gesamte rußische Macht in Lief-
land
ein, nachdem sie sich noch eine Zeitlang über den Ablauf des Stilstandes
geduldet hatte. Der Comtur von Marienburg, Caspar Sieburg, der sich
dieses unvermutheten Ueberfals nicht versehen, sich auch nicht im Stande der Ge-
genwehr befand, capitulirte gleich, wurde aber von Kettlern nach Kirchholm
ins Gefängnis geschickt, worin er bis an sein Ende liegen muste.

Der Ordensmeister fertigte nach genommener Abrede mit dem Pohlni-
schen
Gesandten seinen Bevolmächtigten mit an den König ab, welcher bisher den
Liefländern ganz kaltsinnig begegnet war, und mit Verlegung seiner Truppen
in die geräumten Pfandhäuser sehr langsam verfuhr, theils den Russen keine Be-
schwerden zu verursachen, theils die Stände in Liefland etwas zappeln zu lassen,
und zu billigern Bedingungen zu bewegen. Ja es lies sich jetzo mehr als sonst da-
zu an, daß diese Ordensrepublik nicht lange mehr würde bestehen können. Der
Czaar war wegen eines dauerhaften Friedens unsicher, und wolte die Handlung
seiner Unterthanen nicht gern stören lassen. Die Schweden waren schon zur
See beunruhiget worden, ohne Genugthuung zu erhalten. Die Dänen wolten
sich auch nicht umsonst eine Last aufbürden. Der Kaiser hatte noch nähere Sor-
gen. Des römischen Reichs Stände fanden sich dadurch beleidiget, daß man
in Liefland keine andere Nation als Westphälinger aufnahm. Die Hanseestäd-
te waren eifersüchtig, weil Liefland ihnen ihren Handel nach Rußland beneidete,
und ihren Schiffen feindlich begegnete. Es war niemand, der sich des Landes in
seiner Armuth und Noth annahm, ohne einen Vergleich, der dem Orden nach-

thei-

Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
1559burg, Clas Chriſterſon Horn, ſich genoͤthiget ſahe die Kaufleute aus Re-
vel, Berlhold Buſſen, Meinhard Frilſen
und Diedrich Reſenkam-
pen
zu Wiburg in Verhaft zu nehmen. Der Koͤnig ſelbſt lies einige Kriegs-
ſchiffe zur Bedeckung ſeines Handels in dem finniſchen Meerbuſen kreutzen.
Der Koͤnig bezeuget dem Ordensmeiſter, daß an dieſem Unfug nicht die Zufuhr
Schuld habe, indem man ja aus Riga uͤber Plescow weit ſtaͤrker mit Ruß-
land
handele, ſondern der Neid, daß Schweden hierdurch etwas gewinne.
Er verſichert, die Gefangenen in Wiborg nicht eher los zu geben, bis ſeine ge-
pluͤnderten Unterthanen befriediget worden; zuletzt verlanget er auch fuͤr die auf
ſchwediſchen Kuͤſten beraubten Ruſſen eine Genugthuung. Allein die Kriegs-
unruhen verſtatteten den Lieflaͤndern nicht dieſes alles zu volziehen.

So ſchlecht muſten ſich auch die Luͤbecker befriedigen laſſen, denen man
etliche Schiffe wegnahm, und die Waaren fuͤr Contrebande erklaͤrte. Die Sa-
che kam fuͤr die Hanſeeſtaͤdte. Dieſe thaten nun zwar den Ausſpruch zum Vor-
theil der Stadt Revel; allein die Luͤbecker lieſſen ſichs nur in ſo weit gefallen,
wenn andre Nationen auch den Handel nach Wiborg und Narva unterlieſſen.
Sie beriefen ſich zugleich auf das kaiſerliche Privilegium, vermoͤge deſſen ſie bis
an die Newa nach Nyen handeln koͤnten; ingleichen auf des Herrn Meiſters
Gottfrieds Brief, worin ihnen ſo gar in feindlichen Zeiten mit Rußland der
Handel offen gelaſſen worden. Sie gewannen auch das Urtheil bey Ferdinan-
den,
welcher bey Kettlern auf die Wiedererſtattung der Guͤter drang. Der
Ordensmeiſter wolte von Vellyn nach Revel gehen und die Haͤndel naͤher unter-
ſuchen, weil faſt alle Nationen nach Narva fuhren und die Kaufmanſchaft zu
Revel verderbten. Allein die Ankunft der pohlniſchen Geſandten, Sta-
nislaus Narkuski,
Praͤpoſitus zu Vilna, und des litthauiſchen Schatzmei-
ſters Nicolaus Naruscewitz, noͤthigten ihn nach Riga zu reiſen, woruͤber der
Handelsproces ins Stecken gerieth, und an keine Ruͤckgabe mehr gedacht wurde.
Sonſt meldet Ruſſov bey dieſem Jahre noch, daß der Tater Cham auch ſeine
Botſchafter an den Ordensmeiſter geſandt, und Huͤlfe gegen den Ruſſen ver-
ſprechen laſſen, wobey aber die Botſchafter begehret, ihren Herren mit Geſchen-
ken und Boten wieder zu beſuchen. Allein auf dieſen Rohrſtab wolte Kettler
ſich nicht ſtuͤtzen.

1560

Mit Anfang des neuen Jahrs brach die geſamte rußiſche Macht in Lief-
land
ein, nachdem ſie ſich noch eine Zeitlang uͤber den Ablauf des Stilſtandes
geduldet hatte. Der Comtur von Marienburg, Caſpar Sieburg, der ſich
dieſes unvermutheten Ueberfals nicht verſehen, ſich auch nicht im Stande der Ge-
genwehr befand, capitulirte gleich, wurde aber von Kettlern nach Kirchholm
ins Gefaͤngnis geſchickt, worin er bis an ſein Ende liegen muſte.

Der Ordensmeiſter fertigte nach genommener Abrede mit dem Pohlni-
ſchen
Geſandten ſeinen Bevolmaͤchtigten mit an den Koͤnig ab, welcher bisher den
Lieflaͤndern ganz kaltſinnig begegnet war, und mit Verlegung ſeiner Truppen
in die geraͤumten Pfandhaͤuſer ſehr langſam verfuhr, theils den Ruſſen keine Be-
ſchwerden zu verurſachen, theils die Staͤnde in Liefland etwas zappeln zu laſſen,
und zu billigern Bedingungen zu bewegen. Ja es lies ſich jetzo mehr als ſonſt da-
zu an, daß dieſe Ordensrepublik nicht lange mehr wuͤrde beſtehen koͤnnen. Der
Czaar war wegen eines dauerhaften Friedens unſicher, und wolte die Handlung
ſeiner Unterthanen nicht gern ſtoͤren laſſen. Die Schweden waren ſchon zur
See beunruhiget worden, ohne Genugthuung zu erhalten. Die Daͤnen wolten
ſich auch nicht umſonſt eine Laſt aufbuͤrden. Der Kaiſer hatte noch naͤhere Sor-
gen. Des roͤmiſchen Reichs Staͤnde fanden ſich dadurch beleidiget, daß man
in Liefland keine andere Nation als Weſtphaͤlinger aufnahm. Die Hanſeeſtaͤd-
te waren eiferſuͤchtig, weil Liefland ihnen ihren Handel nach Rußland beneidete,
und ihren Schiffen feindlich begegnete. Es war niemand, der ſich des Landes in
ſeiner Armuth und Noth annahm, ohne einen Vergleich, der dem Orden nach-

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[250/0268] Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter, burg, Clas Chriſterſon Horn, ſich genoͤthiget ſahe die Kaufleute aus Re- vel, Berlhold Buſſen, Meinhard Frilſen und Diedrich Reſenkam- pen zu Wiburg in Verhaft zu nehmen. Der Koͤnig ſelbſt lies einige Kriegs- ſchiffe zur Bedeckung ſeines Handels in dem finniſchen Meerbuſen kreutzen. Der Koͤnig bezeuget dem Ordensmeiſter, daß an dieſem Unfug nicht die Zufuhr Schuld habe, indem man ja aus Riga uͤber Plescow weit ſtaͤrker mit Ruß- land handele, ſondern der Neid, daß Schweden hierdurch etwas gewinne. Er verſichert, die Gefangenen in Wiborg nicht eher los zu geben, bis ſeine ge- pluͤnderten Unterthanen befriediget worden; zuletzt verlanget er auch fuͤr die auf ſchwediſchen Kuͤſten beraubten Ruſſen eine Genugthuung. Allein die Kriegs- unruhen verſtatteten den Lieflaͤndern nicht dieſes alles zu volziehen. 1559 So ſchlecht muſten ſich auch die Luͤbecker befriedigen laſſen, denen man etliche Schiffe wegnahm, und die Waaren fuͤr Contrebande erklaͤrte. Die Sa- che kam fuͤr die Hanſeeſtaͤdte. Dieſe thaten nun zwar den Ausſpruch zum Vor- theil der Stadt Revel; allein die Luͤbecker lieſſen ſichs nur in ſo weit gefallen, wenn andre Nationen auch den Handel nach Wiborg und Narva unterlieſſen. Sie beriefen ſich zugleich auf das kaiſerliche Privilegium, vermoͤge deſſen ſie bis an die Newa nach Nyen handeln koͤnten; ingleichen auf des Herrn Meiſters Gottfrieds Brief, worin ihnen ſo gar in feindlichen Zeiten mit Rußland der Handel offen gelaſſen worden. Sie gewannen auch das Urtheil bey Ferdinan- den, welcher bey Kettlern auf die Wiedererſtattung der Guͤter drang. Der Ordensmeiſter wolte von Vellyn nach Revel gehen und die Haͤndel naͤher unter- ſuchen, weil faſt alle Nationen nach Narva fuhren und die Kaufmanſchaft zu Revel verderbten. Allein die Ankunft der pohlniſchen Geſandten, Sta- nislaus Narkuski, Praͤpoſitus zu Vilna, und des litthauiſchen Schatzmei- ſters Nicolaus Naruscewitz, noͤthigten ihn nach Riga zu reiſen, woruͤber der Handelsproces ins Stecken gerieth, und an keine Ruͤckgabe mehr gedacht wurde. Sonſt meldet Ruſſov bey dieſem Jahre noch, daß der Tater Cham auch ſeine Botſchafter an den Ordensmeiſter geſandt, und Huͤlfe gegen den Ruſſen ver- ſprechen laſſen, wobey aber die Botſchafter begehret, ihren Herren mit Geſchen- ken und Boten wieder zu beſuchen. Allein auf dieſen Rohrſtab wolte Kettler ſich nicht ſtuͤtzen. Mit Anfang des neuen Jahrs brach die geſamte rußiſche Macht in Lief- land ein, nachdem ſie ſich noch eine Zeitlang uͤber den Ablauf des Stilſtandes geduldet hatte. Der Comtur von Marienburg, Caſpar Sieburg, der ſich dieſes unvermutheten Ueberfals nicht verſehen, ſich auch nicht im Stande der Ge- genwehr befand, capitulirte gleich, wurde aber von Kettlern nach Kirchholm ins Gefaͤngnis geſchickt, worin er bis an ſein Ende liegen muſte. Der Ordensmeiſter fertigte nach genommener Abrede mit dem Pohlni- ſchen Geſandten ſeinen Bevolmaͤchtigten mit an den Koͤnig ab, welcher bisher den Lieflaͤndern ganz kaltſinnig begegnet war, und mit Verlegung ſeiner Truppen in die geraͤumten Pfandhaͤuſer ſehr langſam verfuhr, theils den Ruſſen keine Be- ſchwerden zu verurſachen, theils die Staͤnde in Liefland etwas zappeln zu laſſen, und zu billigern Bedingungen zu bewegen. Ja es lies ſich jetzo mehr als ſonſt da- zu an, daß dieſe Ordensrepublik nicht lange mehr wuͤrde beſtehen koͤnnen. Der Czaar war wegen eines dauerhaften Friedens unſicher, und wolte die Handlung ſeiner Unterthanen nicht gern ſtoͤren laſſen. Die Schweden waren ſchon zur See beunruhiget worden, ohne Genugthuung zu erhalten. Die Daͤnen wolten ſich auch nicht umſonſt eine Laſt aufbuͤrden. Der Kaiſer hatte noch naͤhere Sor- gen. Des roͤmiſchen Reichs Staͤnde fanden ſich dadurch beleidiget, daß man in Liefland keine andere Nation als Weſtphaͤlinger aufnahm. Die Hanſeeſtaͤd- te waren eiferſuͤchtig, weil Liefland ihnen ihren Handel nach Rußland beneidete, und ihren Schiffen feindlich begegnete. Es war niemand, der ſich des Landes in ſeiner Armuth und Noth annahm, ohne einen Vergleich, der dem Orden nach- thei-

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/268>, abgerufen am 23.11.2024.