[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister, 1208ten grenzet, sondern auf die Lage desselben gegen die See, weil es nemlich nicht an der freien Ostsee, sondern an einem Mittelwasser, nemlich dem liefländischen Meerbusen, liege, der- gleichen Wasser die Dänen und Holländer Het Binne-Water zu nennen pflegen. Die Russen nanten in ganz alten Zeiten das Land Livonskaja Semla, anjetzo aber nennen sie es Lieflandie. Die Wenden*) und Letten, welche die Liven ver- drungen und ehmals von einander unterschieden waren, haben uns jetzo keine Spur von ihrem vormaligen Unterschiede übrig gelassen. Es kan auch die Sprache dieser slavoni- schen Völker nicht sehr unterschieden gewesen seyn. Was für einen Commentarius könte nicht ein Sprachkundiger hierüber verfertigen? Die Stadt Libau in Curland hat ihren Namen von Leepa, so auf curisch und lettisch den Lindenbaum bedeutet, den auch die Stadt in Wapen hat. Leepicz nent der Litthauer den besten Meth, der aus dem von Lindenblüten gesamleten Honig gebrauet wird. Das schöne Leipzig in Sachsen hat von den Linden seinen Namen durch die Wenden erhalten. Mit dem Ursprung der Wenden wird Heinrich der Lette geschwind fertig, vtpote a Wyn- dow repulsi. Es wäre ja eben so kurz von den Liven geschlossen, Liui vtpote a Liva repulsi. Liwa ist der alte Name des Stroms und der Stadt Liebau in Curland. Doch Guagnini tom. II p. 42 führet terram Liuensem an, in der Liwo, eine hölzerne Stadt mit einem steinern Schlosse, am Fluß Liwiecz lieget. Zu dem in Leuen- klaus, Zeylers, Hennings, Waissels und andrer Schriften befindlichen Namen Eifland ist es ganz unschuldig gekommen. Man trift in unsern alten und neuen Do- cumenten kein Eifland an, sondern der Buchdrucker hat das in einen Zug gebrachte L für ein E gelesen, weil die ersten Schriftsteller, nach der Einführung der Buchdrucke- rey, wegen der Entlegenheit der Druckorte, die Durchsichtigung der Bogen nicht selbst besorgen können, wie denn noch in einigen unsrer Handschriften das zierliche Anfangs L, wegen des durchgehenden Zuges, als ein E gelesen werden kan**). Wir wissen nicht, aus welchen Quellen Herr Franz Neustädt***) seine so gar umständlichen Nachrich- *) Diejenigen, welche die Namen der Völker gerne aus Stammwörtern ableiten, so ihre Rauberel- en, Ueberfälle und Gewaltthätigkeiten anzeigen, finden in Guagnini rerum Polon. tom. I p. 16 das slavonische Wort Wenda oder Venda, das einen Fischerhamen bedeutet, und vielleicht den Wenden den Namen gegeben. Die Wenden aber in Liefland haben heutiges Tages vor an- dern Letten nicht das geringste Unterscheidungszeichen mehr übrig. Daher sind sie ohne Zweifel dieselbe Nation, die ehmals am Fluß Winda in Curland gewohnt, und den die Letten noch Wenda aussprechen. **) Leuenclau in Pand. Turcicis tom. I part. III p. 181 nennet Eifland die hochdentsche Ausspra- che, da hingegen die Sachsen Liefland sagen. Entfernte Völker verfehlen gemeiniglich des rech- ten Namens, den die Nachbarn oder solche Nationen, welche mit einem Lande Handel treiben, richtiger schreiben und aussprechen. So geht es dem Athenienser Laonicus Chalcocondylas, der in seinem 3ten Buche de rebus Turcicis auf ein Land Euphrastä oder Jnflastä komt, dessen Hauptstadt er Ycra heisset. Es mag nun dieser Grieche oder sein Abschreiber gefelet haben; so zeiget doch die Beschreibung dieser Seestadt, wohin die Deutschen, Dänen, Franzosen und Engelländer handeln, und die ein aristocratisch Regiment haben soll, daß sie Ryca oder Riga, und das Land Liefland oder Eifland heissen müsse, und man also nur die Buchstaben versetzen dürfe. Auf die Art wird man mit den verworrenen Namen auch eher fertig, als wenn man nach der Erklärung des Französischen Uebersetzers, es auf die Stadt Nogarden deuten wolte. Chalcocondylas hat mehr ungewöhnliche Namen. Die deutschen Ordensherren heissen bey ihm Nazaräer, weil sie weisse Mäntel trugen und Gelübde thaten. Leuenclau selbst, der die Einwohner des Landes von den Juden ableitet, ist vom Herrn Präpositus Kelch S. 13 gründ- lich widerleget worden. Sein Jörru, Jörru Mascolon, welches er von den Bauren singen hören, und für ein Klagelied über Jerusalem und Damaskus hält, ist ein ordentlich Schäfer- liedgen, nicht aber wie Fabricius meinet, ein Ehrengesang für die estnischen Waldgötzen. Wir hatten eine Provinz Jdumäa, wir haben noch ein Egypten, ein Bethlehem, ein Engeddi, aber keine Juden in denselben. Diese biblischen Namen brauchten die Mönche, weil sie darin eine besondre Andacht setzten. ***) Der selige Herr Franz Neustädt oder Niestädt, ehmaliger Bürgermeister in Riga, den schon
Chyträus in Saxonia p. 805 wegen seiner sonderbaren Klugheit, Gelassenheit und standhaften Wesens rühmet, hat eine handschriftliche Nachricht von Liefland hinterlassen, die aber wenige Liebhaber vollständig, sondern nur in einem Auszuge, besitzen. Jn der alten Historie ist er andern kurz nachgegangen. Jn der neuern Geschichte aber, sonderlich vom Jahr 1558, hat er uns die dörptischen Veränderungen am ordentlichsten beschrieben, weil ihm sein Aufenthalt in dem Hau- se seines Schwiegervaters, des Herrn Bürgermeister Meyers in Dörpt, vieles entdeckt, was unter dem gemeinen Mann entweder gar nicht, oder mit manchen erdichteten Zusätzen bekant ge- wesen; daher man auch in der dörptischen Geschichte sich fast allein an ihn halten mus. Wir werden an gehörigem Orte zeigen, daß Neustädt unter den Liefländern von der rußischen Na- tion zuerst unparteiische Begriffe geheget, weil er sich als ein Kaufmann in Pleskow, Nogar- den und Moskau lange aufgehalten, und die Russen näher kennen gelernet. Er schrieb seine Historie auf dem Landgute Sonzel, wohin er sich in einem hohen Alter der Ruhe halber begeben hatte, Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter, 1208ten grenzet, ſondern auf die Lage deſſelben gegen die See, weil es nemlich nicht an der freien Oſtſee, ſondern an einem Mittelwaſſer, nemlich dem lieflaͤndiſchen Meerbuſen, liege, der- gleichen Waſſer die Daͤnen und Hollaͤnder Het Binne-Water zu nennen pflegen. Die Ruſſen nanten in ganz alten Zeiten das Land Livonskaja Semla, anjetzo aber nennen ſie es Lieflandie. Die Wenden*) und Letten, welche die Liven ver- drungen und ehmals von einander unterſchieden waren, haben uns jetzo keine Spur von ihrem vormaligen Unterſchiede uͤbrig gelaſſen. Es kan auch die Sprache dieſer ſlavoni- ſchen Voͤlker nicht ſehr unterſchieden geweſen ſeyn. Was fuͤr einen Commentarius koͤnte nicht ein Sprachkundiger hieruͤber verfertigen? Die Stadt Libau in Curland hat ihren Namen von Leepa, ſo auf curiſch und lettiſch den Lindenbaum bedeutet, den auch die Stadt in Wapen hat. Leepicz nent der Litthauer den beſten Meth, der aus dem von Lindenbluͤten geſamleten Honig gebrauet wird. Das ſchoͤne Leipzig in Sachſen hat von den Linden ſeinen Namen durch die Wenden erhalten. Mit dem Urſprung der Wenden wird Heinrich der Lette geſchwind fertig, vtpote a Wyn- dow repulſi. Es waͤre ja eben ſo kurz von den Liven geſchloſſen, Liui vtpote a Liva repulſi. Liwa iſt der alte Name des Stroms und der Stadt Liebau in Curland. Doch Guagnini tom. II p. 42 fuͤhret terram Liuenſem an, in der Liwo, eine hoͤlzerne Stadt mit einem ſteinern Schloſſe, am Fluß Liwiecz lieget. Zu dem in Leuen- klaus, Zeylers, Hennings, Waiſſels und andrer Schriften befindlichen Namen Eifland iſt es ganz unſchuldig gekommen. Man trift in unſern alten und neuen Do- cumenten kein Eifland an, ſondern der Buchdrucker hat das in einen Zug gebrachte L fuͤr ein E geleſen, weil die erſten Schriftſteller, nach der Einfuͤhrung der Buchdrucke- rey, wegen der Entlegenheit der Druckorte, die Durchſichtigung der Bogen nicht ſelbſt beſorgen koͤnnen, wie denn noch in einigen unſrer Handſchriften das zierliche Anfangs L, wegen des durchgehenden Zuges, als ein E geleſen werden kan**). Wir wiſſen nicht, aus welchen Quellen Herr Franz Neuſtaͤdt***) ſeine ſo gar umſtaͤndlichen Nachrich- *) Diejenigen, welche die Namen der Voͤlker gerne aus Stammwoͤrtern ableiten, ſo ihre Rauberel- en, Ueberfaͤlle und Gewaltthaͤtigkeiten anzeigen, finden in Guagnini rerum Polon. tom. I p. 16 das ſlavoniſche Wort Wenda oder Venda, das einen Fiſcherhamen bedeutet, und vielleicht den Wenden den Namen gegeben. Die Wenden aber in Liefland haben heutiges Tages vor an- dern Letten nicht das geringſte Unterſcheidungszeichen mehr uͤbrig. Daher ſind ſie ohne Zweifel dieſelbe Nation, die ehmals am Fluß Winda in Curland gewohnt, und den die Letten noch Wenda ausſprechen. **) Leuenclau in Pand. Turcicis tom. I part. III p. 181 nennet Eifland die hochdentſche Ausſpra- che, da hingegen die Sachſen Liefland ſagen. Entfernte Voͤlker verfehlen gemeiniglich des rech- ten Namens, den die Nachbarn oder ſolche Nationen, welche mit einem Lande Handel treiben, richtiger ſchreiben und ausſprechen. So geht es dem Athenienſer Laonicus Chalcocondylas, der in ſeinem 3ten Buche de rebus Turcicis auf ein Land Euphraſtaͤ oder Jnflaſtaͤ komt, deſſen Hauptſtadt er Ycra heiſſet. Es mag nun dieſer Grieche oder ſein Abſchreiber gefelet haben; ſo zeiget doch die Beſchreibung dieſer Seeſtadt, wohin die Deutſchen, Daͤnen, Franzoſen und Engellaͤnder handeln, und die ein ariſtocratiſch Regiment haben ſoll, daß ſie Ryca oder Riga, und das Land Liefland oder Eifland heiſſen muͤſſe, und man alſo nur die Buchſtaben verſetzen duͤrfe. Auf die Art wird man mit den verworrenen Namen auch eher fertig, als wenn man nach der Erklaͤrung des Franzoͤſiſchen Ueberſetzers, es auf die Stadt Nogarden deuten wolte. Chalcocondylas hat mehr ungewoͤhnliche Namen. Die deutſchen Ordensherren heiſſen bey ihm Nazaraͤer, weil ſie weiſſe Maͤntel trugen und Geluͤbde thaten. Leuenclau ſelbſt, der die Einwohner des Landes von den Juden ableitet, iſt vom Herrn Praͤpoſitus Kelch S. 13 gruͤnd- lich widerleget worden. Sein Joͤrru, Joͤrru Maſcolon, welches er von den Bauren ſingen hoͤren, und fuͤr ein Klagelied uͤber Jeruſalem und Damaskus haͤlt, iſt ein ordentlich Schaͤfer- liedgen, nicht aber wie Fabricius meinet, ein Ehrengeſang fuͤr die eſtniſchen Waldgoͤtzen. Wir hatten eine Provinz Jdumaͤa, wir haben noch ein Egypten, ein Bethlehem, ein Engeddi, aber keine Juden in denſelben. Dieſe bibliſchen Namen brauchten die Moͤnche, weil ſie darin eine beſondre Andacht ſetzten. ***) Der ſelige Herr Franz Neuſtaͤdt oder Nieſtaͤdt, ehmaliger Buͤrgermeiſter in Riga, den ſchon
Chytraͤus in Saxonia p. 805 wegen ſeiner ſonderbaren Klugheit, Gelaſſenheit und ſtandhaften Weſens ruͤhmet, hat eine handſchriftliche Nachricht von Liefland hinterlaſſen, die aber wenige Liebhaber vollſtaͤndig, ſondern nur in einem Auszuge, beſitzen. Jn der alten Hiſtorie iſt er andern kurz nachgegangen. Jn der neuern Geſchichte aber, ſonderlich vom Jahr 1558, hat er uns die doͤrptiſchen Veraͤnderungen am ordentlichſten beſchrieben, weil ihm ſein Aufenthalt in dem Hau- ſe ſeines Schwiegervaters, des Herrn Buͤrgermeiſter Meyers in Doͤrpt, vieles entdeckt, was unter dem gemeinen Mann entweder gar nicht, oder mit manchen erdichteten Zuſaͤtzen bekant ge- weſen; daher man auch in der doͤrptiſchen Geſchichte ſich faſt allein an ihn halten mus. Wir werden an gehoͤrigem Orte zeigen, daß Neuſtaͤdt unter den Lieflaͤndern von der rußiſchen Na- tion zuerſt unparteiiſche Begriffe geheget, weil er ſich als ein Kaufmann in Pleskow, Nogar- den und Moskau lange aufgehalten, und die Ruſſen naͤher kennen gelernet. 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Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
a)
ten
a) grenzet, ſondern auf die Lage deſſelben gegen die See, weil es nemlich nicht an der freien
Oſtſee, ſondern an einem Mittelwaſſer, nemlich dem lieflaͤndiſchen Meerbuſen, liege, der-
gleichen Waſſer die Daͤnen und Hollaͤnder Het Binne-Water zu nennen pflegen.
Die Ruſſen nanten in ganz alten Zeiten das Land Livonskaja Semla, anjetzo aber
nennen ſie es Lieflandie. Die Wenden *) und Letten, welche die Liven ver-
drungen und ehmals von einander unterſchieden waren, haben uns jetzo keine Spur von
ihrem vormaligen Unterſchiede uͤbrig gelaſſen. Es kan auch die Sprache dieſer ſlavoni-
ſchen Voͤlker nicht ſehr unterſchieden geweſen ſeyn. Was fuͤr einen Commentarius
koͤnte nicht ein Sprachkundiger hieruͤber verfertigen? Die Stadt Libau in Curland
hat ihren Namen von Leepa, ſo auf curiſch und lettiſch den Lindenbaum bedeutet,
den auch die Stadt in Wapen hat. Leepicz nent der Litthauer den beſten Meth,
der aus dem von Lindenbluͤten geſamleten Honig gebrauet wird. Das ſchoͤne Leipzig
in Sachſen hat von den Linden ſeinen Namen durch die Wenden erhalten. Mit
dem Urſprung der Wenden wird Heinrich der Lette geſchwind fertig, vtpote a Wyn-
dow repulſi. Es waͤre ja eben ſo kurz von den Liven geſchloſſen, Liui vtpote a Liva
repulſi. Liwa iſt der alte Name des Stroms und der Stadt Liebau in Curland.
Doch Guagnini tom. II p. 42 fuͤhret terram Liuenſem an, in der Liwo, eine hoͤlzerne
Stadt mit einem ſteinern Schloſſe, am Fluß Liwiecz lieget. Zu dem in Leuen-
klaus, Zeylers, Hennings, Waiſſels und andrer Schriften befindlichen Namen
Eifland iſt es ganz unſchuldig gekommen. Man trift in unſern alten und neuen Do-
cumenten kein Eifland an, ſondern der Buchdrucker hat das in einen Zug gebrachte
L fuͤr ein E geleſen, weil die erſten Schriftſteller, nach der Einfuͤhrung der Buchdrucke-
rey, wegen der Entlegenheit der Druckorte, die Durchſichtigung der Bogen nicht ſelbſt
beſorgen koͤnnen, wie denn noch in einigen unſrer Handſchriften das zierliche Anfangs L,
wegen des durchgehenden Zuges, als ein E geleſen werden kan **). Wir wiſſen nicht,
aus welchen Quellen Herr Franz Neuſtaͤdt ***) ſeine ſo gar umſtaͤndlichen Nachrich-
*) Diejenigen, welche die Namen der Voͤlker gerne aus Stammwoͤrtern ableiten, ſo ihre Rauberel-
en, Ueberfaͤlle und Gewaltthaͤtigkeiten anzeigen, finden in Guagnini rerum Polon. tom. I p. 16
das ſlavoniſche Wort Wenda oder Venda, das einen Fiſcherhamen bedeutet, und vielleicht
den Wenden den Namen gegeben. Die Wenden aber in Liefland haben heutiges Tages vor an-
dern Letten nicht das geringſte Unterſcheidungszeichen mehr uͤbrig. Daher ſind ſie ohne Zweifel
dieſelbe Nation, die ehmals am Fluß Winda in Curland gewohnt, und den die Letten noch
Wenda ausſprechen.
**) Leuenclau in Pand. Turcicis tom. I part. III p. 181 nennet Eifland die hochdentſche Ausſpra-
che, da hingegen die Sachſen Liefland ſagen. Entfernte Voͤlker verfehlen gemeiniglich des rech-
ten Namens, den die Nachbarn oder ſolche Nationen, welche mit einem Lande Handel treiben,
richtiger ſchreiben und ausſprechen. So geht es dem Athenienſer Laonicus Chalcocondylas,
der in ſeinem 3ten Buche de rebus Turcicis auf ein Land Euphraſtaͤ oder Jnflaſtaͤ komt, deſſen
Hauptſtadt er Ycra heiſſet. Es mag nun dieſer Grieche oder ſein Abſchreiber gefelet haben; ſo
zeiget doch die Beſchreibung dieſer Seeſtadt, wohin die Deutſchen, Daͤnen, Franzoſen und
Engellaͤnder handeln, und die ein ariſtocratiſch Regiment haben ſoll, daß ſie Ryca oder Riga,
und das Land Liefland oder Eifland heiſſen muͤſſe, und man alſo nur die Buchſtaben verſetzen
duͤrfe. Auf die Art wird man mit den verworrenen Namen auch eher fertig, als wenn man
nach der Erklaͤrung des Franzoͤſiſchen Ueberſetzers, es auf die Stadt Nogarden deuten wolte.
Chalcocondylas hat mehr ungewoͤhnliche Namen. Die deutſchen Ordensherren heiſſen bey
ihm Nazaraͤer, weil ſie weiſſe Maͤntel trugen und Geluͤbde thaten. Leuenclau ſelbſt, der
die Einwohner des Landes von den Juden ableitet, iſt vom Herrn Praͤpoſitus Kelch S. 13 gruͤnd-
lich widerleget worden. Sein Joͤrru, Joͤrru Maſcolon, welches er von den Bauren ſingen
hoͤren, und fuͤr ein Klagelied uͤber Jeruſalem und Damaskus haͤlt, iſt ein ordentlich Schaͤfer-
liedgen, nicht aber wie Fabricius meinet, ein Ehrengeſang fuͤr die eſtniſchen Waldgoͤtzen. Wir
hatten eine Provinz Jdumaͤa, wir haben noch ein Egypten, ein Bethlehem, ein Engeddi,
aber keine Juden in denſelben. Dieſe bibliſchen Namen brauchten die Moͤnche, weil ſie darin
eine beſondre Andacht ſetzten.
***) Der ſelige Herr Franz Neuſtaͤdt oder Nieſtaͤdt, ehmaliger Buͤrgermeiſter in Riga, den ſchon
Chytraͤus in Saxonia p. 805 wegen ſeiner ſonderbaren Klugheit, Gelaſſenheit und ſtandhaften
Weſens ruͤhmet, hat eine handſchriftliche Nachricht von Liefland hinterlaſſen, die aber wenige
Liebhaber vollſtaͤndig, ſondern nur in einem Auszuge, beſitzen. Jn der alten Hiſtorie iſt er andern
kurz nachgegangen. Jn der neuern Geſchichte aber, ſonderlich vom Jahr 1558, hat er uns die
doͤrptiſchen Veraͤnderungen am ordentlichſten beſchrieben, weil ihm ſein Aufenthalt in dem Hau-
ſe ſeines Schwiegervaters, des Herrn Buͤrgermeiſter Meyers in Doͤrpt, vieles entdeckt, was
unter dem gemeinen Mann entweder gar nicht, oder mit manchen erdichteten Zuſaͤtzen bekant ge-
weſen; daher man auch in der doͤrptiſchen Geſchichte ſich faſt allein an ihn halten mus. Wir
werden an gehoͤrigem Orte zeigen, daß Neuſtaͤdt unter den Lieflaͤndern von der rußiſchen Na-
tion zuerſt unparteiiſche Begriffe geheget, weil er ſich als ein Kaufmann in Pleskow, Nogar-
den und Moskau lange aufgehalten, und die Ruſſen naͤher kennen gelernet. Er ſchrieb ſeine
Hiſtorie auf dem Landgute Sonzel, wohin er ſich in einem hohen Alter der Ruhe halber begeben
hatte,
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