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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Erzb. Joh. v. Sinten. zur Zeit der Reg. Robins v. Eltzen.
ster des Rathhauses abgelesen, c)

Der Has des Ordens gegen die Geistlichen ward durch einen neuen Grol1378
noch mehr entzündet. Johann Damerow, ein Canonicus, war nemlich von
dem dörptischen Domkapitel zum Bischof erwehlet und vom Papst Urban dem
VIten, dessen Wahl die vornehmsten Häupter der Christenheit für rechtmäßig
hielten, bestätiget worden. Der Ordensmeister drung aber dem Stifte einen
neuen Bischof Namens Johan Hebet auf, den er auch auf erhaltene Bestä-
tigung vom Gegenpapst Clemens dem VIIten mit gewafneter Hand in die Dom-
kirche führte, den erstern Bischof aber wieder zum Domherrn machte. Nachdem
aber Hebet die alten Rechte seines Stiftes gegen den Ordensmeister hervor suchte,
auch nicht zu allen Zunöthigungen dieses Herrn Ja sagte; so entstunden daraus
allerhand und endlich blutige Verdrieslichkeiten. Cranz, der uns diese Geschich-
te aufbehalten, giebt den Ordensbrüdern das Zeugnis, daß sie alle liefländi-
sche
Bistümer unter den weissen Mantel zu ziehen getrachtet hätten; doch habe
es ihnen mit dem öselschen, dörptischen und revelschen nimmer recht gelin-
gen wollen. Der Erzbischof Johan von Sinten ruhete aber doch nicht eher,
als bis er diesen Günstling des Ordens wieder vom bischöflichen Stuhl herunter
geworfen.

Der Czaar von Moskau belagerte das Schlos Nienhus in eigner Per-1381
son mit einem Heer von 300000 Mann. Da die Vestung schon an dem war sich
zu ergeben, so warf sich der Befehlshaber an einem Freitage vor dem Altar auf
seine Knie und bat, GOtt möchte doch den Ort selbst entsetzen. Mit der Son-
nen Aufgang, da die Russen eine unfehlbare Eroberung vermutheten, nahm der
Befehlshaber seinen Bogen mit einem gespitzten Pfeile, und schos ihn aus dem
Fenster seiner Burg, mitten unter die Belagerer, womit er dem Grosfürsten das
Herz traf, worauf das gesamte Heer voller Bestürzung mit der Leiche nach Mos-
kau
zurück gieng. d)

Der Papst Urbanus der VIte übrrtrug das Urtheil über den öselschen
Domherrn, Herman Balne, weicher den Bischof grfänglich setzen und würgen
lassen, an den Erzbischof zu Riga, der sich auch, wiewol ohne sonderlichen Eifer,
an die Untersuchung machte. e)

Der
c) Wir können hier nicht unberühret lassen, daß unter den Documenten der Kirche zu
Pernigell, sich unter der Hand des Erzbischofs Michael von 1501 ein Transsumt be-
finde, worin dieser Johan von Sinten als des rigischen Erzbischofs Sigfried Vi-
carius, in geist- und weltlicher Gemeine beim Jahr 1372 angeführet stehet. Nach ei-
nem andern Transsumt hat dieser Johan von Sinten als Erzbischof am 8ten Merz
1376 im 2ten Jahre seiner erzbischöflichen Würde uns die seltene Nachricht gegeben,
daß die Abschrift eines von Händen gekommenen Hauptbriefes wegen der Grenzen der
pernigellischen Kirche sich am Ende derjenigen Bibel finde, welche der heilige Hie-
ronymus
mit eigner Hand geschrieben, und die ein römischer Papst dem König
Caupo zur Verehrung gegeben, welche in der Domkirche zu Riga verwahret läge.
Aus dieser Nachricht merken wir gegen Chyträus und andre den Antrit der erzbischöfli-
chen Regierung. Die Bibel aber wird uns im ersten Theil beim Jahr 1202, §. 6, als
vom Papst Gregorius abgeschrieben, angegeben.
d) Dieses ist eine Erzehlung aus Bredenbach,*) dem es der dörptische Canonicus
D. Philipp Olmen vorgesaget, welcher den zum Andenken am Altar aufgehenkten
Bogen zu seiner Zeit in der Schloskirche noch wil gesehen haben. Aus dem Breden-
bach
führt es der Abschreiber Guagnini an, ohne den Verfasser zu melden. Als der
Czaar Jvan Basilewitz im Jahr 1558 Dörpt eingenommen, ist dieser Bogen mit
weg genommen worden.
*) Tileman Bredenbach hat sein Bellum Liuonicum anni MDLVIII zu Cöln bey Maternus Cho-
linus
in 12 zum Druck befördert, und es dem Bischof Julius Pflug zu Naumburg zugeschrie-
ben. Man hat davon auch eine frankfurther Auflage von 1684 in 8, ingleichen eine zu Donay
1564 in 8. Es befindet sich auch ein Abdruck davon beim Guagnini, der nur den Verfasser
nicht angegeben, wie er billig hätte thun sollen. Das Latein ist richtiger in selbigem als der
Jnhalt.
e) Cranz Wandal. B. IX, K. 11, eröfnet die Ursachen dieser Begebenheit beim Jahr
1383
E e 2

Erzb. Joh. v. Sinten. zur Zeit der Reg. Robins v. Eltzen.
ſter des Rathhauſes abgeleſen, c)

Der Has des Ordens gegen die Geiſtlichen ward durch einen neuen Grol1378
noch mehr entzuͤndet. Johann Damerow, ein Canonicus, war nemlich von
dem doͤrptiſchen Domkapitel zum Biſchof erwehlet und vom Papſt Urban dem
VIten, deſſen Wahl die vornehmſten Haͤupter der Chriſtenheit fuͤr rechtmaͤßig
hielten, beſtaͤtiget worden. Der Ordensmeiſter drung aber dem Stifte einen
neuen Biſchof Namens Johan Hebet auf, den er auch auf erhaltene Beſtaͤ-
tigung vom Gegenpapſt Clemens dem VIIten mit gewafneter Hand in die Dom-
kirche fuͤhrte, den erſtern Biſchof aber wieder zum Domherrn machte. Nachdem
aber Hebet die alten Rechte ſeines Stiftes gegen den Ordensmeiſter hervor ſuchte,
auch nicht zu allen Zunoͤthigungen dieſes Herrn Ja ſagte; ſo entſtunden daraus
allerhand und endlich blutige Verdrieslichkeiten. Cranz, der uns dieſe Geſchich-
te aufbehalten, giebt den Ordensbruͤdern das Zeugnis, daß ſie alle lieflaͤndi-
ſche
Biſtuͤmer unter den weiſſen Mantel zu ziehen getrachtet haͤtten; doch habe
es ihnen mit dem oͤſelſchen, doͤrptiſchen und revelſchen nimmer recht gelin-
gen wollen. Der Erzbiſchof Johan von Sinten ruhete aber doch nicht eher,
als bis er dieſen Guͤnſtling des Ordens wieder vom biſchoͤflichen Stuhl herunter
geworfen.

Der Czaar von Moskau belagerte das Schlos Nienhus in eigner Per-1381
ſon mit einem Heer von 300000 Mann. Da die Veſtung ſchon an dem war ſich
zu ergeben, ſo warf ſich der Befehlshaber an einem Freitage vor dem Altar auf
ſeine Knie und bat, GOtt moͤchte doch den Ort ſelbſt entſetzen. Mit der Son-
nen Aufgang, da die Ruſſen eine unfehlbare Eroberung vermutheten, nahm der
Befehlshaber ſeinen Bogen mit einem geſpitzten Pfeile, und ſchos ihn aus dem
Fenſter ſeiner Burg, mitten unter die Belagerer, womit er dem Grosfuͤrſten das
Herz traf, worauf das geſamte Heer voller Beſtuͤrzung mit der Leiche nach Mos-
kau
zuruͤck gieng. d)

Der Papſt Urbanus der VIte uͤbrrtrug das Urtheil uͤber den oͤſelſchen
Domherrn, Herman Balne, weicher den Biſchof grfaͤnglich ſetzen und wuͤrgen
laſſen, an den Erzbiſchof zu Riga, der ſich auch, wiewol ohne ſonderlichen Eifer,
an die Unterſuchung machte. e)

Der
c) Wir koͤnnen hier nicht unberuͤhret laſſen, daß unter den Documenten der Kirche zu
Pernigell, ſich unter der Hand des Erzbiſchofs Michael von 1501 ein Transſumt be-
finde, worin dieſer Johan von Sinten als des rigiſchen Erzbiſchofs Sigfried Vi-
carius, in geiſt- und weltlicher Gemeine beim Jahr 1372 angefuͤhret ſtehet. Nach ei-
nem andern Transſumt hat dieſer Johan von Sinten als Erzbiſchof am 8ten Merz
1376 im 2ten Jahre ſeiner erzbiſchoͤflichen Wuͤrde uns die ſeltene Nachricht gegeben,
daß die Abſchrift eines von Haͤnden gekommenen Hauptbriefes wegen der Grenzen der
pernigelliſchen Kirche ſich am Ende derjenigen Bibel finde, welche der heilige Hie-
ronymus
mit eigner Hand geſchrieben, und die ein roͤmiſcher Papſt dem Koͤnig
Caupo zur Verehrung gegeben, welche in der Domkirche zu Riga verwahret laͤge.
Aus dieſer Nachricht merken wir gegen Chytraͤus und andre den Antrit der erzbiſchoͤfli-
chen Regierung. Die Bibel aber wird uns im erſten Theil beim Jahr 1202, §. 6, als
vom Papſt Gregorius abgeſchrieben, angegeben.
d) Dieſes iſt eine Erzehlung aus Bredenbach,*) dem es der doͤrptiſche Canonicus
D. Philipp Olmen vorgeſaget, welcher den zum Andenken am Altar aufgehenkten
Bogen zu ſeiner Zeit in der Schloskirche noch wil geſehen haben. Aus dem Breden-
bach
fuͤhrt es der Abſchreiber Guagnini an, ohne den Verfaſſer zu melden. Als der
Czaar Jvan Baſilewitz im Jahr 1558 Doͤrpt eingenommen, iſt dieſer Bogen mit
weg genommen worden.
*) Tileman Bredenbach hat ſein Bellum Liuonicum anni MDLVIII zu Coͤln bey Maternus Cho-
linus
in 12 zum Druck befoͤrdert, und es dem Biſchof Julius Pflug zu Naumburg zugeſchrie-
ben. Man hat davon auch eine frankfurther Auflage von 1684 in 8, ingleichen eine zu Donay
1564 in 8. Es befindet ſich auch ein Abdruck davon beim Guagnini, der nur den Verfaſſer
nicht angegeben, wie er billig haͤtte thun ſollen. Das Latein iſt richtiger in ſelbigem als der
Jnhalt.
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[111/0129] Erzb. Joh. v. Sinten. zur Zeit der Reg. Robins v. Eltzen. ſter des Rathhauſes abgeleſen, c) Der Has des Ordens gegen die Geiſtlichen ward durch einen neuen Grol noch mehr entzuͤndet. Johann Damerow, ein Canonicus, war nemlich von dem doͤrptiſchen Domkapitel zum Biſchof erwehlet und vom Papſt Urban dem VIten, deſſen Wahl die vornehmſten Haͤupter der Chriſtenheit fuͤr rechtmaͤßig hielten, beſtaͤtiget worden. Der Ordensmeiſter drung aber dem Stifte einen neuen Biſchof Namens Johan Hebet auf, den er auch auf erhaltene Beſtaͤ- tigung vom Gegenpapſt Clemens dem VIIten mit gewafneter Hand in die Dom- kirche fuͤhrte, den erſtern Biſchof aber wieder zum Domherrn machte. Nachdem aber Hebet die alten Rechte ſeines Stiftes gegen den Ordensmeiſter hervor ſuchte, auch nicht zu allen Zunoͤthigungen dieſes Herrn Ja ſagte; ſo entſtunden daraus allerhand und endlich blutige Verdrieslichkeiten. Cranz, der uns dieſe Geſchich- te aufbehalten, giebt den Ordensbruͤdern das Zeugnis, daß ſie alle lieflaͤndi- ſche Biſtuͤmer unter den weiſſen Mantel zu ziehen getrachtet haͤtten; doch habe es ihnen mit dem oͤſelſchen, doͤrptiſchen und revelſchen nimmer recht gelin- gen wollen. Der Erzbiſchof Johan von Sinten ruhete aber doch nicht eher, als bis er dieſen Guͤnſtling des Ordens wieder vom biſchoͤflichen Stuhl herunter geworfen. 1378 Der Czaar von Moskau belagerte das Schlos Nienhus in eigner Per- ſon mit einem Heer von 300000 Mann. Da die Veſtung ſchon an dem war ſich zu ergeben, ſo warf ſich der Befehlshaber an einem Freitage vor dem Altar auf ſeine Knie und bat, GOtt moͤchte doch den Ort ſelbſt entſetzen. Mit der Son- nen Aufgang, da die Ruſſen eine unfehlbare Eroberung vermutheten, nahm der Befehlshaber ſeinen Bogen mit einem geſpitzten Pfeile, und ſchos ihn aus dem Fenſter ſeiner Burg, mitten unter die Belagerer, womit er dem Grosfuͤrſten das Herz traf, worauf das geſamte Heer voller Beſtuͤrzung mit der Leiche nach Mos- kau zuruͤck gieng. d) 1381 Der Papſt Urbanus der VIte uͤbrrtrug das Urtheil uͤber den oͤſelſchen Domherrn, Herman Balne, weicher den Biſchof grfaͤnglich ſetzen und wuͤrgen laſſen, an den Erzbiſchof zu Riga, der ſich auch, wiewol ohne ſonderlichen Eifer, an die Unterſuchung machte. e) Der c) Wir koͤnnen hier nicht unberuͤhret laſſen, daß unter den Documenten der Kirche zu Pernigell, ſich unter der Hand des Erzbiſchofs Michael von 1501 ein Transſumt be- finde, worin dieſer Johan von Sinten als des rigiſchen Erzbiſchofs Sigfried Vi- carius, in geiſt- und weltlicher Gemeine beim Jahr 1372 angefuͤhret ſtehet. Nach ei- nem andern Transſumt hat dieſer Johan von Sinten als Erzbiſchof am 8ten Merz 1376 im 2ten Jahre ſeiner erzbiſchoͤflichen Wuͤrde uns die ſeltene Nachricht gegeben, daß die Abſchrift eines von Haͤnden gekommenen Hauptbriefes wegen der Grenzen der pernigelliſchen Kirche ſich am Ende derjenigen Bibel finde, welche der heilige Hie- ronymus mit eigner Hand geſchrieben, und die ein roͤmiſcher Papſt dem Koͤnig Caupo zur Verehrung gegeben, welche in der Domkirche zu Riga verwahret laͤge. Aus dieſer Nachricht merken wir gegen Chytraͤus und andre den Antrit der erzbiſchoͤfli- chen Regierung. Die Bibel aber wird uns im erſten Theil beim Jahr 1202, §. 6, als vom Papſt Gregorius abgeſchrieben, angegeben. d) Dieſes iſt eine Erzehlung aus Bredenbach, *) dem es der doͤrptiſche Canonicus D. Philipp Olmen vorgeſaget, welcher den zum Andenken am Altar aufgehenkten Bogen zu ſeiner Zeit in der Schloskirche noch wil geſehen haben. Aus dem Breden- bach fuͤhrt es der Abſchreiber Guagnini an, ohne den Verfaſſer zu melden. Als der Czaar Jvan Baſilewitz im Jahr 1558 Doͤrpt eingenommen, iſt dieſer Bogen mit weg genommen worden. *) Tileman Bredenbach hat ſein Bellum Liuonicum anni MDLVIII zu Coͤln bey Maternus Cho- linus in 12 zum Druck befoͤrdert, und es dem Biſchof Julius Pflug zu Naumburg zugeſchrie- ben. Man hat davon auch eine frankfurther Auflage von 1684 in 8, ingleichen eine zu Donay 1564 in 8. Es befindet ſich auch ein Abdruck davon beim Guagnini, der nur den Verfaſſer nicht angegeben, wie er billig haͤtte thun ſollen. Das Latein iſt richtiger in ſelbigem als der Jnhalt. e) Cranz Wandal. B. IX, K. 11, eroͤfnet die Urſachen dieſer Begebenheit beim Jahr 1383 E e 2

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/129>, abgerufen am 23.11.2024.