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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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von 1215 bis 1216.
kamen, begegnete ihnen ein junger Kerl aus dem Schlosse, den nahmen sie zum Weg-1215
weiser, erreichten mit frühem Morgen das Schloß, liessen die Oeseler zur rechten,
gingen auf die Russen zu und schlugen sich mit ihnen. Da sie aber die starke
und zahlreiche Armee ansichtig wurden, zogen sie sich zurück ins Schloß. Denn
es waren von den Russen und Oeselern bey zwanzig Tausend. Wie sie nun
die Menge sahen, stiegen sie wieder nach dem Schlosse, und es blieben einige von
den Ordensbrüdern, tapfre Männer, Constantin, Bertholdus f) und Elias;
desgleichen einige von den Bedienten des Bischofs. Die andern kamen alle wohl
behalten nach dem Schlosse; wegen der alzuvielen Mannschaft und Pferde aber
entstand im Schlosse Hunger und Mangel an Lebensmitteln und Heu, daß die
Pferde sich einander die Schwänze abfrassen. Da nun ebenfals bey der Rußi-
schen
Armee es an allem gebrach, begaben sie sich endlich drey Tage nach dem
Scharmützel mit den Deutschen in Unterredung.

e) Sonst Astigerwe genant *).
f) Bertold von Wenden, weil er eine Zeitlang der Brüder in Wenden Unterordens-
meister gewesen; denn seiner wird im folgenden nicht mehr Erwehnung gethan.
§. 8.

Endlich machten sie nach gepflogenen Tractaten Friede mit ihnen, doch so, daß
alle Deutschen das Schloß räumen und nach Liefland kehren musten. Der
König Woldemar rief seinen Schwiegersohn Dietrich, er solte zur Bestäti-
gung des Friedens mit ihm nach Plescekowe kommen. Er traute ihm auch und
zog mit hinein. Die von Nogarden aber rissen selbigen gleich aus seinen Hän-
den und führten ihn mit sich gefangen. Die Deutschen marschirten hierauf mit
den Liven und Letten nach getroffenem Frieden mitten durch die Russen und
Oeseler aus dem Schlosse heraus, und zogen wieder nach Liefland. Jnzwi-
schen fielen die Saccalaner den Letten ins Land, zerstörten ihre Dörfer, führ-
ten die Leute an der Ymer gefangen, kehrten wieder nach Saccala, ohne an
alle vorher empfangne Sacramente zu gedenken, und weil ihnen an dem mit den
Deutschen ehmaligen Frieden nichts gelegen war, so brachen sie selbigen.

Des Bischof Alberts neunzehntes Jahr,
vom Jahr Christi 1216 bis 1217.
§. 1.

Neunzehn Jahr war nun Albert Bischof und die Nation der Liven1216
hatte noch keine Ruhe vor dem Kriege a). Denn es schickte vorer-
wehnter hochwürdige Bischof seine Abgeordneten nach Nogarden so
wol, als nach Saccala, zur Bestätigung des Odenpeischen Friedens, bat auch
für seinen Bruder Dietrich bey ihnen für. Weil sie aber Leute waren vol auf-
geblasenes Stolzes, und bey ihrer Hoffart alzuübermüthig thaten; achteten sie we-
der die Fürbitte des Bischofs noch den Frieden der Deutschen, sondern bliesen
mit den Esthen in ein Horn, und schmiedeten Anschläge, wie sie die Deutschen
überrumpeln und der Liefländischen Kirche das Garaus spielen möchten. Wie
obbesagter Bischof dieses vermerkte, ging er mit den nach Hause fahrenden Pilgern
wieder nach Deutschland, empfal Liefland dem Herrn JEsu Christo und
seiner glorwürdigen Mutter auch dismal zum Schutz an, that das Kriegsunwe-
sen und der Seinigen Verlust allen kund, und ermunterte sie mit seinen Rittern, sie
solten sich als tapfere und edle Männer zur Mauer vor das Haus des HErrn

stellen,
*) Jn meinem Manuscript steht Ratisjerwe.
J i

von 1215 bis 1216.
kamen, begegnete ihnen ein junger Kerl aus dem Schloſſe, den nahmen ſie zum Weg-1215
weiſer, erreichten mit fruͤhem Morgen das Schloß, lieſſen die Oeſeler zur rechten,
gingen auf die Ruſſen zu und ſchlugen ſich mit ihnen. Da ſie aber die ſtarke
und zahlreiche Armee anſichtig wurden, zogen ſie ſich zuruͤck ins Schloß. Denn
es waren von den Ruſſen und Oeſelern bey zwanzig Tauſend. Wie ſie nun
die Menge ſahen, ſtiegen ſie wieder nach dem Schloſſe, und es blieben einige von
den Ordensbruͤdern, tapfre Maͤnner, Conſtantin, Bertholdus f) und Elias;
desgleichen einige von den Bedienten des Biſchofs. Die andern kamen alle wohl
behalten nach dem Schloſſe; wegen der alzuvielen Mannſchaft und Pferde aber
entſtand im Schloſſe Hunger und Mangel an Lebensmitteln und Heu, daß die
Pferde ſich einander die Schwaͤnze abfraſſen. Da nun ebenfals bey der Rußi-
ſchen
Armee es an allem gebrach, begaben ſie ſich endlich drey Tage nach dem
Scharmuͤtzel mit den Deutſchen in Unterredung.

e) Sonſt Aſtigerwe genant *).
f) Bertold von Wenden, weil er eine Zeitlang der Bruͤder in Wenden Unterordens-
meiſter geweſen; denn ſeiner wird im folgenden nicht mehr Erwehnung gethan.
§. 8.

Endlich machten ſie nach gepflogenen Tractaten Friede mit ihnen, doch ſo, daß
alle Deutſchen das Schloß raͤumen und nach Liefland kehren muſten. Der
Koͤnig Woldemar rief ſeinen Schwiegerſohn Dietrich, er ſolte zur Beſtaͤti-
gung des Friedens mit ihm nach Plescekowe kommen. Er traute ihm auch und
zog mit hinein. Die von Nogarden aber riſſen ſelbigen gleich aus ſeinen Haͤn-
den und fuͤhrten ihn mit ſich gefangen. Die Deutſchen marſchirten hierauf mit
den Liven und Letten nach getroffenem Frieden mitten durch die Ruſſen und
Oeſeler aus dem Schloſſe heraus, und zogen wieder nach Liefland. Jnzwi-
ſchen fielen die Saccalaner den Letten ins Land, zerſtoͤrten ihre Doͤrfer, fuͤhr-
ten die Leute an der Ymer gefangen, kehrten wieder nach Saccala, ohne an
alle vorher empfangne Sacramente zu gedenken, und weil ihnen an dem mit den
Deutſchen ehmaligen Frieden nichts gelegen war, ſo brachen ſie ſelbigen.

Des Biſchof Alberts neunzehntes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1216 bis 1217.
§. 1.

Neunzehn Jahr war nun Albert Biſchof und die Nation der Liven1216
hatte noch keine Ruhe vor dem Kriege a). Denn es ſchickte vorer-
wehnter hochwuͤrdige Biſchof ſeine Abgeordneten nach Nogarden ſo
wol, als nach Saccala, zur Beſtaͤtigung des Odenpeiſchen Friedens, bat auch
fuͤr ſeinen Bruder Dietrich bey ihnen fuͤr. Weil ſie aber Leute waren vol auf-
geblaſenes Stolzes, und bey ihrer Hoffart alzuuͤbermuͤthig thaten; achteten ſie we-
der die Fuͤrbitte des Biſchofs noch den Frieden der Deutſchen, ſondern blieſen
mit den Eſthen in ein Horn, und ſchmiedeten Anſchlaͤge, wie ſie die Deutſchen
uͤberrumpeln und der Lieflaͤndiſchen Kirche das Garaus ſpielen moͤchten. Wie
obbeſagter Biſchof dieſes vermerkte, ging er mit den nach Hauſe fahrenden Pilgern
wieder nach Deutſchland, empfal Liefland dem Herrn JEſu Chriſto und
ſeiner glorwuͤrdigen Mutter auch dismal zum Schutz an, that das Kriegsunwe-
ſen und der Seinigen Verluſt allen kund, und ermunterte ſie mit ſeinen Rittern, ſie
ſolten ſich als tapfere und edle Maͤnner zur Mauer vor das Haus des HErrn

ſtellen,
*) Jn meinem Manuſcript ſteht Ratisjerwe.
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[125/0157] von 1215 bis 1216. kamen, begegnete ihnen ein junger Kerl aus dem Schloſſe, den nahmen ſie zum Weg- weiſer, erreichten mit fruͤhem Morgen das Schloß, lieſſen die Oeſeler zur rechten, gingen auf die Ruſſen zu und ſchlugen ſich mit ihnen. Da ſie aber die ſtarke und zahlreiche Armee anſichtig wurden, zogen ſie ſich zuruͤck ins Schloß. Denn es waren von den Ruſſen und Oeſelern bey zwanzig Tauſend. Wie ſie nun die Menge ſahen, ſtiegen ſie wieder nach dem Schloſſe, und es blieben einige von den Ordensbruͤdern, tapfre Maͤnner, Conſtantin, Bertholdus f⁾ und Elias; desgleichen einige von den Bedienten des Biſchofs. Die andern kamen alle wohl behalten nach dem Schloſſe; wegen der alzuvielen Mannſchaft und Pferde aber entſtand im Schloſſe Hunger und Mangel an Lebensmitteln und Heu, daß die Pferde ſich einander die Schwaͤnze abfraſſen. Da nun ebenfals bey der Rußi- ſchen Armee es an allem gebrach, begaben ſie ſich endlich drey Tage nach dem Scharmuͤtzel mit den Deutſchen in Unterredung. 1215 e⁾ Sonſt Aſtigerwe genant *). f⁾ Bertold von Wenden, weil er eine Zeitlang der Bruͤder in Wenden Unterordens- meiſter geweſen; denn ſeiner wird im folgenden nicht mehr Erwehnung gethan. §. 8. Endlich machten ſie nach gepflogenen Tractaten Friede mit ihnen, doch ſo, daß alle Deutſchen das Schloß raͤumen und nach Liefland kehren muſten. Der Koͤnig Woldemar rief ſeinen Schwiegerſohn Dietrich, er ſolte zur Beſtaͤti- gung des Friedens mit ihm nach Plescekowe kommen. Er traute ihm auch und zog mit hinein. Die von Nogarden aber riſſen ſelbigen gleich aus ſeinen Haͤn- den und fuͤhrten ihn mit ſich gefangen. Die Deutſchen marſchirten hierauf mit den Liven und Letten nach getroffenem Frieden mitten durch die Ruſſen und Oeſeler aus dem Schloſſe heraus, und zogen wieder nach Liefland. Jnzwi- ſchen fielen die Saccalaner den Letten ins Land, zerſtoͤrten ihre Doͤrfer, fuͤhr- ten die Leute an der Ymer gefangen, kehrten wieder nach Saccala, ohne an alle vorher empfangne Sacramente zu gedenken, und weil ihnen an dem mit den Deutſchen ehmaligen Frieden nichts gelegen war, ſo brachen ſie ſelbigen. Des Biſchof Alberts neunzehntes Jahr, vom Jahr Chriſti 1216 bis 1217. §. 1. Neunzehn Jahr war nun Albert Biſchof und die Nation der Liven hatte noch keine Ruhe vor dem Kriege a⁾ . Denn es ſchickte vorer- wehnter hochwuͤrdige Biſchof ſeine Abgeordneten nach Nogarden ſo wol, als nach Saccala, zur Beſtaͤtigung des Odenpeiſchen Friedens, bat auch fuͤr ſeinen Bruder Dietrich bey ihnen fuͤr. Weil ſie aber Leute waren vol auf- geblaſenes Stolzes, und bey ihrer Hoffart alzuuͤbermuͤthig thaten; achteten ſie we- der die Fuͤrbitte des Biſchofs noch den Frieden der Deutſchen, ſondern blieſen mit den Eſthen in ein Horn, und ſchmiedeten Anſchlaͤge, wie ſie die Deutſchen uͤberrumpeln und der Lieflaͤndiſchen Kirche das Garaus ſpielen moͤchten. Wie obbeſagter Biſchof dieſes vermerkte, ging er mit den nach Hauſe fahrenden Pilgern wieder nach Deutſchland, empfal Liefland dem Herrn JEſu Chriſto und ſeiner glorwuͤrdigen Mutter auch dismal zum Schutz an, that das Kriegsunwe- ſen und der Seinigen Verluſt allen kund, und ermunterte ſie mit ſeinen Rittern, ſie ſolten ſich als tapfere und edle Maͤnner zur Mauer vor das Haus des HErrn ſtellen, 1216 *) Jn meinem Manuſcript ſteht Ratisjerwe. J i

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/157>, abgerufen am 21.11.2024.