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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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Geschichte des dritten Bischof Alberts, sechzehntes Jahr,
1213aber, fielen auf die, so am ersten kamen, hitzig aus, und jagten ihnen ein Schrecken
ein; diese aber samleten sich erst auf einen Haufen, warteten auf der Jhrigen An-
kunft, bestürmten die Burg den andern und dritten Tag, trugen einen Holzhaufen
über den Wall zusammen, und legten Feuer darauf. Also steckten sie den Wall,
weil er nur aus Holz und Erde bestand, in Brand; das Feuer aber stieg almälig
in die Höhe und kam der Vestung selbst von oben nahe. Wie nun die im Schlosse
sahen, daß der Wall verbrante, und sie besorgten, es möchte dadurch das Schloß
eingenommen werden, so versprachen sie ein Stücke Geld, daß jene die Belagerung
aufheben solten. Die Deutschen hingegen versicherten, sie suchten nichts
anders, als, daß sie sich taufen liessen, damit sie sich mit dem wah-
ren Friedensstifter versöhneten, und ihre Brüder werden möchten, so
wol in der jetzigen als zukünftigen Welt.
Diese hatten aber einen Ab-
scheu davor, und furchten sich ihnen in die Hände sich zu ergeben. Die Liven hin-
gegen und die Letten, samt der ganzen Armee machten das Feuer stärker, und
droheten mit Brand und Mord. Doch jene wurden, da der Wall schon hin war,
bange, sie möchten über die Klinge springen müssen, und baten demüthig um Par-
don; zogen aus dem Schlosse aus, und versprachen sich taufen zu lassen. Die
Priester Johannes Strick und Otto, so ein Priester der Ordensbrüder war,
waren zugegen. Also wurde der sehr treulose Lembit mit allen übrigen im Schlos-
se befindlichen, so wol Weibern als Kindern und Männern getauft, die dabey an-
gelobten, die Pflichten der Christenheit mit einer steten Treue zu beobachten.
Welches Versprechen sie doch nachher durch ihre schelmische Untreue gebrochen.
Die Armee drang inzwischen nach und nach ins Schloß, plünderte alles aus, führte
Pferde, Ochsen und alles Vieh davon, hoben viele Beute, theilten sie unter sich
und begaben sich mit Freuden wieder nach Liefland. Sie nahmen auch mit sich
die Schloßältesten, Lembiten und andre. Doch diese stelten ihre Söhne zu Bür-
gen, und wurden also in ihr Land zurück gesandt. Alle lobten demnach GOTT,
der so wunderbar das Schloß, ohne es mit Steinschleudern oder andern Krieges-
maschinen zu bestürmen, in ihre Hände gegeben, und der Name Christi erscholl
auch in andre Provinzen.

§. 8.

Es war in dem neulich erbaueten Kastel Fredeland ein gewisser Prister Ci-
stercienserordens, Friedrich
von Cella, welchen der Bischof auf Verordnung
des Pabstes zum Werk des Evangelii angenommen hatte. Dieser feyerte am Pal-
mensontage das Geheimniß der Paßion JEsu CHristi mit vielen Thränen, und
trug das Wort der Ermahnung von dem Kreuze unsers HErrn mit lieblichen und
heilsamen Erinnerungen den Anwesenden vor. Nach feyerlich begangenem Oster-
feste wolte er mit seinem Scholaren und einigen andern zu Schiffe hinunter nach Ri-
ga
fahren. Es begegneten ihm aber die von Oesel auf der Mündung des Flusses,
fielen über ihn her, nahmen ihn mit dem Knaben, den er bey sich hatte, und eini-
gen Liven gefangen, führten ihn auf ihren Raubschiffen fort, legten an dem Ufer
der Adya an, und peinigten ihn mit unterschiedlichen Martern zu todte. Denn
da er star nach dem Himmel sahe, und mit seinem Scholaren sein Gebet, Lob- und
Dankopfer zum HErrn brachte, zerdroschen sie ihnen beyden Kopf und Rücken
mit ihren Keulen, lachten dabey hönisch und sprachen: Laula, Laula, Pap-
Ps. 129.
v. 3. 4.
pt c)! wie geschrieben stehet: Die Sünder haben auf meinem Rücken
geackert.
Doch der HErr, der gerecht ist, wird ihren Nacken zerhauen; wie
unten sol gesaget werden. Nachher machten sie truckne und harte Hölzer spitz, keil-
ten sie ihnen zwischen die Nägel und das Fleisch ihrer Finger, zerfleischten sie an al-
len Gliedern stückweise, legten Feuer dabey und quälten sie grausam. Endlich
durchhieben sie ihre Schulterblätter mit ihren Beilen mitten von einander, machten
ihnen das Garaus, und schickten ihre Seele ausser Zweifel in Himmel in die Gesel-
schaft der Märtyrer, die Leiber aber warfen sie weg. Wie geschrieben stehet:

Das

Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſechzehntes Jahr,
1213aber, fielen auf die, ſo am erſten kamen, hitzig aus, und jagten ihnen ein Schrecken
ein; dieſe aber ſamleten ſich erſt auf einen Haufen, warteten auf der Jhrigen An-
kunft, beſtuͤrmten die Burg den andern und dritten Tag, trugen einen Holzhaufen
uͤber den Wall zuſammen, und legten Feuer darauf. Alſo ſteckten ſie den Wall,
weil er nur aus Holz und Erde beſtand, in Brand; das Feuer aber ſtieg almaͤlig
in die Hoͤhe und kam der Veſtung ſelbſt von oben nahe. Wie nun die im Schloſſe
ſahen, daß der Wall verbrante, und ſie beſorgten, es moͤchte dadurch das Schloß
eingenommen werden, ſo verſprachen ſie ein Stuͤcke Geld, daß jene die Belagerung
aufheben ſolten. Die Deutſchen hingegen verſicherten, ſie ſuchten nichts
anders, als, daß ſie ſich taufen lieſſen, damit ſie ſich mit dem wah-
ren Friedensſtifter verſoͤhneten, und ihre Bruͤder werden moͤchten, ſo
wol in der jetzigen als zukuͤnftigen Welt.
Dieſe hatten aber einen Ab-
ſcheu davor, und furchten ſich ihnen in die Haͤnde ſich zu ergeben. Die Liven hin-
gegen und die Letten, ſamt der ganzen Armee machten das Feuer ſtaͤrker, und
droheten mit Brand und Mord. Doch jene wurden, da der Wall ſchon hin war,
bange, ſie moͤchten uͤber die Klinge ſpringen muͤſſen, und baten demuͤthig um Par-
don; zogen aus dem Schloſſe aus, und verſprachen ſich taufen zu laſſen. Die
Prieſter Johannes Strick und Otto, ſo ein Prieſter der Ordensbruͤder war,
waren zugegen. Alſo wurde der ſehr treuloſe Lembit mit allen uͤbrigen im Schloſ-
ſe befindlichen, ſo wol Weibern als Kindern und Maͤnnern getauft, die dabey an-
gelobten, die Pflichten der Chriſtenheit mit einer ſteten Treue zu beobachten.
Welches Verſprechen ſie doch nachher durch ihre ſchelmiſche Untreue gebrochen.
Die Armee drang inzwiſchen nach und nach ins Schloß, pluͤnderte alles aus, fuͤhrte
Pferde, Ochſen und alles Vieh davon, hoben viele Beute, theilten ſie unter ſich
und begaben ſich mit Freuden wieder nach Liefland. Sie nahmen auch mit ſich
die Schloßaͤlteſten, Lembiten und andre. Doch dieſe ſtelten ihre Soͤhne zu Buͤr-
gen, und wurden alſo in ihr Land zuruͤck geſandt. Alle lobten demnach GOTT,
der ſo wunderbar das Schloß, ohne es mit Steinſchleudern oder andern Krieges-
maſchinen zu beſtuͤrmen, in ihre Haͤnde gegeben, und der Name Chriſti erſcholl
auch in andre Provinzen.

§. 8.

Es war in dem neulich erbaueten Kaſtel Fredeland ein gewiſſer Priſter Ci-
ſtercienſerordens, Friedrich
von Cella, welchen der Biſchof auf Verordnung
des Pabſtes zum Werk des Evangelii angenommen hatte. Dieſer feyerte am Pal-
menſontage das Geheimniß der Paßion JEſu CHriſti mit vielen Thraͤnen, und
trug das Wort der Ermahnung von dem Kreuze unſers HErrn mit lieblichen und
heilſamen Erinnerungen den Anweſenden vor. Nach feyerlich begangenem Oſter-
feſte wolte er mit ſeinem Scholaren und einigen andern zu Schiffe hinunter nach Ri-
ga
fahren. Es begegneten ihm aber die von Oeſel auf der Muͤndung des Fluſſes,
fielen uͤber ihn her, nahmen ihn mit dem Knaben, den er bey ſich hatte, und eini-
gen Liven gefangen, fuͤhrten ihn auf ihren Raubſchiffen fort, legten an dem Ufer
der Adya an, und peinigten ihn mit unterſchiedlichen Martern zu todte. Denn
da er ſtar nach dem Himmel ſahe, und mit ſeinem Scholaren ſein Gebet, Lob- und
Dankopfer zum HErrn brachte, zerdroſchen ſie ihnen beyden Kopf und Ruͤcken
mit ihren Keulen, lachten dabey hoͤniſch und ſprachen: Laula, Laula, Pap-
Pſ. 129.
v. 3. 4.
pt c)! wie geſchrieben ſtehet: Die Suͤnder haben auf meinem Ruͤcken
geackert.
Doch der HErr, der gerecht iſt, wird ihren Nacken zerhauen; wie
unten ſol geſaget werden. Nachher machten ſie truckne und harte Hoͤlzer ſpitz, keil-
ten ſie ihnen zwiſchen die Naͤgel und das Fleiſch ihrer Finger, zerfleiſchten ſie an al-
len Gliedern ſtuͤckweiſe, legten Feuer dabey und quaͤlten ſie grauſam. Endlich
durchhieben ſie ihre Schulterblaͤtter mit ihren Beilen mitten von einander, machten
ihnen das Garaus, und ſchickten ihre Seele auſſer Zweifel in Himmel in die Geſel-
ſchaft der Maͤrtyrer, die Leiber aber warfen ſie weg. Wie geſchrieben ſtehet:

Das
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[110/0142] Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſechzehntes Jahr, aber, fielen auf die, ſo am erſten kamen, hitzig aus, und jagten ihnen ein Schrecken ein; dieſe aber ſamleten ſich erſt auf einen Haufen, warteten auf der Jhrigen An- kunft, beſtuͤrmten die Burg den andern und dritten Tag, trugen einen Holzhaufen uͤber den Wall zuſammen, und legten Feuer darauf. Alſo ſteckten ſie den Wall, weil er nur aus Holz und Erde beſtand, in Brand; das Feuer aber ſtieg almaͤlig in die Hoͤhe und kam der Veſtung ſelbſt von oben nahe. Wie nun die im Schloſſe ſahen, daß der Wall verbrante, und ſie beſorgten, es moͤchte dadurch das Schloß eingenommen werden, ſo verſprachen ſie ein Stuͤcke Geld, daß jene die Belagerung aufheben ſolten. Die Deutſchen hingegen verſicherten, ſie ſuchten nichts anders, als, daß ſie ſich taufen lieſſen, damit ſie ſich mit dem wah- ren Friedensſtifter verſoͤhneten, und ihre Bruͤder werden moͤchten, ſo wol in der jetzigen als zukuͤnftigen Welt. Dieſe hatten aber einen Ab- ſcheu davor, und furchten ſich ihnen in die Haͤnde ſich zu ergeben. Die Liven hin- gegen und die Letten, ſamt der ganzen Armee machten das Feuer ſtaͤrker, und droheten mit Brand und Mord. Doch jene wurden, da der Wall ſchon hin war, bange, ſie moͤchten uͤber die Klinge ſpringen muͤſſen, und baten demuͤthig um Par- don; zogen aus dem Schloſſe aus, und verſprachen ſich taufen zu laſſen. Die Prieſter Johannes Strick und Otto, ſo ein Prieſter der Ordensbruͤder war, waren zugegen. Alſo wurde der ſehr treuloſe Lembit mit allen uͤbrigen im Schloſ- ſe befindlichen, ſo wol Weibern als Kindern und Maͤnnern getauft, die dabey an- gelobten, die Pflichten der Chriſtenheit mit einer ſteten Treue zu beobachten. Welches Verſprechen ſie doch nachher durch ihre ſchelmiſche Untreue gebrochen. Die Armee drang inzwiſchen nach und nach ins Schloß, pluͤnderte alles aus, fuͤhrte Pferde, Ochſen und alles Vieh davon, hoben viele Beute, theilten ſie unter ſich und begaben ſich mit Freuden wieder nach Liefland. Sie nahmen auch mit ſich die Schloßaͤlteſten, Lembiten und andre. Doch dieſe ſtelten ihre Soͤhne zu Buͤr- gen, und wurden alſo in ihr Land zuruͤck geſandt. Alle lobten demnach GOTT, der ſo wunderbar das Schloß, ohne es mit Steinſchleudern oder andern Krieges- maſchinen zu beſtuͤrmen, in ihre Haͤnde gegeben, und der Name Chriſti erſcholl auch in andre Provinzen. 1213 §. 8. Es war in dem neulich erbaueten Kaſtel Fredeland ein gewiſſer Priſter Ci- ſtercienſerordens, Friedrich von Cella, welchen der Biſchof auf Verordnung des Pabſtes zum Werk des Evangelii angenommen hatte. Dieſer feyerte am Pal- menſontage das Geheimniß der Paßion JEſu CHriſti mit vielen Thraͤnen, und trug das Wort der Ermahnung von dem Kreuze unſers HErrn mit lieblichen und heilſamen Erinnerungen den Anweſenden vor. Nach feyerlich begangenem Oſter- feſte wolte er mit ſeinem Scholaren und einigen andern zu Schiffe hinunter nach Ri- ga fahren. Es begegneten ihm aber die von Oeſel auf der Muͤndung des Fluſſes, fielen uͤber ihn her, nahmen ihn mit dem Knaben, den er bey ſich hatte, und eini- gen Liven gefangen, fuͤhrten ihn auf ihren Raubſchiffen fort, legten an dem Ufer der Adya an, und peinigten ihn mit unterſchiedlichen Martern zu todte. Denn da er ſtar nach dem Himmel ſahe, und mit ſeinem Scholaren ſein Gebet, Lob- und Dankopfer zum HErrn brachte, zerdroſchen ſie ihnen beyden Kopf und Ruͤcken mit ihren Keulen, lachten dabey hoͤniſch und ſprachen: Laula, Laula, Pap- pt c⁾ ! wie geſchrieben ſtehet: Die Suͤnder haben auf meinem Ruͤcken geackert. Doch der HErr, der gerecht iſt, wird ihren Nacken zerhauen; wie unten ſol geſaget werden. Nachher machten ſie truckne und harte Hoͤlzer ſpitz, keil- ten ſie ihnen zwiſchen die Naͤgel und das Fleiſch ihrer Finger, zerfleiſchten ſie an al- len Gliedern ſtuͤckweiſe, legten Feuer dabey und quaͤlten ſie grauſam. Endlich durchhieben ſie ihre Schulterblaͤtter mit ihren Beilen mitten von einander, machten ihnen das Garaus, und ſchickten ihre Seele auſſer Zweifel in Himmel in die Geſel- ſchaft der Maͤrtyrer, die Leiber aber warfen ſie weg. Wie geſchrieben ſtehet: Das Pſ. 129. v. 3. 4.

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/142>, abgerufen am 21.11.2024.