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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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Des Bischof Alberts sechszehntes Jahr,
vom Jahr Christi 1213 bis 1214.
§. 1.

Ewar im sechzehnten Jahre des Bischofs, als er wieder nach1213
Liefland mit vielen Pilgern kam, und die Kirche einigermassen
in dem Genuß der Ruhe und des Friedens, wie auch vorerwehn-
ten Hochwürdigen Bischof von Ratzeburg dieselbe an seiner
Statt regierend fand. Er ordnete an, was zu veranstalten war, und eilete wie-
der nach Deutschland, damit er desto leichter folgendes Jahr auf das Concilium
nach Rom ziehen könte; als welches schon seit zwey Jahren angekündiget war,
und ließ besagten Bischof in seinem Hause und auf seine Kosten in Riga. Es
war auch die Gemahlin und die ganze Familie des Woldemars daselbst, der sie
alle liebreich zur Hand gingen.

§. 2.

Woldemar selbst zog viel Geld und Gut in Jdumea und Lettland,
und hielt das weltliche Gerichte. Es begegnete ihm aber der Jdumeer Priester
Alobrand und sprach zu ihm: Du soltest, o König, der du gewürdiger
bist, Richter über Menschen zu seyn, ein gerechtes und unparteiisches
Urtel sprechen, die Armen nicht drücken, und ihr Bisgen ihnen nicht
abnehmen; damit du nicht unsere Neubekehrten verwirrest und sie
mehr vom Glauben an Christum abtreten machest.
Der König ward
hierüber entrüstet, bedrohete Alobranden, und sagte: Alobrand, ich werde
den Reichthum und den Ueberfluß in deinem Hause beschneiden müs-
sen.
Denn er führte eine starke Armee der Rußischen Könige nachher in dessen
Haus, und machte alles leer, wie unten wird gesaget werden. Und nach einer
kleinen Zeit zog er mit seiner ganzen Familie wieder nach Rußland.

§. 3.

Nach diesen ging der Bischof von Ratzeburg mit den Pilgern und dem
Advocaten Gerard, nach Thoreida, bauete für den Bischof ein Kastel, so er
Fredeland hieß, gleichsam, das Friede im Lande machen solte, hofte dabey,
dieses Schloß werde dem Lande Ruhe schaffen, und daselbst den Priestern und
allen seinen Männern zur sichern Freystadt dienen. Es kamen auch dahin zu ihm
die Söhne Thalibalds von Tholowa, Rameko mit seinen Brüdern, die
sich in den Schutz des Bischofs begaben. Sie versprachen dabey, den von den
Russen angenommenen christlichen Glauben mit den lateinischen Cäremonien zu
vertauschen, und von zwey Pferden a) jegliches Jahr ein gewisses Maß Getreide
zu entrichten, dafür, daß sie so wol zur Friedens als Kriegeszeit stets von dem
Bischof geschützet würden, und sie mit den Deutschen ein Herz und eine Seele
wären, auch ihres Beystandes gegen die Esthen und Litthauer immer geniessen
möchten. Der Bischof nahm sie mit Freuden auf, und schickte mit ihnen seinen
Priester, der bey der Ymer war, ihnen die Sacramente des Glaubens zu rei-
chen, und die Anfangsgründe der christlichen Religion beyzubringen.

a) Siehe beym Jahr 1210. not. l).
§. 4.

Unterdessen verklagten die Ritter von Kukenois, Meinhard, Johann
und Jordan, nebst andern, den König von Gerzike, Wissewalden, daß er
nach Erhaltung seines Lehnreichs schon viele Jahre sich vor seinem Vater, dem
Bischof, nicht gestellet, sondern immer den Litthauern mit Rath und That an die

Hand
D d 2


Des Biſchof Alberts ſechszehntes Jahr,
vom Jahr Chriſti 1213 bis 1214.
§. 1.

Ewar im ſechzehnten Jahre des Biſchofs, als er wieder nach1213
Liefland mit vielen Pilgern kam, und die Kirche einigermaſſen
in dem Genuß der Ruhe und des Friedens, wie auch vorerwehn-
ten Hochwuͤrdigen Biſchof von Ratzeburg dieſelbe an ſeiner
Statt regierend fand. Er ordnete an, was zu veranſtalten war, und eilete wie-
der nach Deutſchland, damit er deſto leichter folgendes Jahr auf das Concilium
nach Rom ziehen koͤnte; als welches ſchon ſeit zwey Jahren angekuͤndiget war,
und ließ beſagten Biſchof in ſeinem Hauſe und auf ſeine Koſten in Riga. Es
war auch die Gemahlin und die ganze Familie des Woldemars daſelbſt, der ſie
alle liebreich zur Hand gingen.

§. 2.

Woldemar ſelbſt zog viel Geld und Gut in Jdumea und Lettland,
und hielt das weltliche Gerichte. Es begegnete ihm aber der Jdumeer Prieſter
Alobrand und ſprach zu ihm: Du ſolteſt, o Koͤnig, der du gewuͤrdiger
biſt, Richter uͤber Menſchen zu ſeyn, ein gerechtes und unparteiiſches
Urtel ſprechen, die Armen nicht druͤcken, und ihr Bisgen ihnen nicht
abnehmen; damit du nicht unſere Neubekehrten verwirreſt und ſie
mehr vom Glauben an Chriſtum abtreten macheſt.
Der Koͤnig ward
hieruͤber entruͤſtet, bedrohete Alobranden, und ſagte: Alobrand, ich werde
den Reichthum und den Ueberfluß in deinem Hauſe beſchneiden muͤſ-
ſen.
Denn er fuͤhrte eine ſtarke Armee der Rußiſchen Koͤnige nachher in deſſen
Haus, und machte alles leer, wie unten wird geſaget werden. Und nach einer
kleinen Zeit zog er mit ſeiner ganzen Familie wieder nach Rußland.

§. 3.

Nach dieſen ging der Biſchof von Ratzeburg mit den Pilgern und dem
Advocaten Gerard, nach Thoreida, bauete fuͤr den Biſchof ein Kaſtel, ſo er
Fredeland hieß, gleichſam, das Friede im Lande machen ſolte, hofte dabey,
dieſes Schloß werde dem Lande Ruhe ſchaffen, und daſelbſt den Prieſtern und
allen ſeinen Maͤnnern zur ſichern Freyſtadt dienen. Es kamen auch dahin zu ihm
die Soͤhne Thalibalds von Tholowa, Rameko mit ſeinen Bruͤdern, die
ſich in den Schutz des Biſchofs begaben. Sie verſprachen dabey, den von den
Ruſſen angenommenen chriſtlichen Glauben mit den lateiniſchen Caͤremonien zu
vertauſchen, und von zwey Pferden a) jegliches Jahr ein gewiſſes Maß Getreide
zu entrichten, dafuͤr, daß ſie ſo wol zur Friedens als Kriegeszeit ſtets von dem
Biſchof geſchuͤtzet wuͤrden, und ſie mit den Deutſchen ein Herz und eine Seele
waͤren, auch ihres Beyſtandes gegen die Eſthen und Litthauer immer genieſſen
moͤchten. Der Biſchof nahm ſie mit Freuden auf, und ſchickte mit ihnen ſeinen
Prieſter, der bey der Ymer war, ihnen die Sacramente des Glaubens zu rei-
chen, und die Anfangsgruͤnde der chriſtlichen Religion beyzubringen.

a) Siehe beym Jahr 1210. not. l).
§. 4.

Unterdeſſen verklagten die Ritter von Kukenois, Meinhard, Johann
und Jordan, nebſt andern, den Koͤnig von Gerzike, Wiſſewalden, daß er
nach Erhaltung ſeines Lehnreichs ſchon viele Jahre ſich vor ſeinem Vater, dem
Biſchof, nicht geſtellet, ſondern immer den Litthauern mit Rath und That an die

Hand
D d 2
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[107/0139] Des Biſchof Alberts ſechszehntes Jahr, vom Jahr Chriſti 1213 bis 1214. §. 1. Ewar im ſechzehnten Jahre des Biſchofs, als er wieder nach Liefland mit vielen Pilgern kam, und die Kirche einigermaſſen in dem Genuß der Ruhe und des Friedens, wie auch vorerwehn- ten Hochwuͤrdigen Biſchof von Ratzeburg dieſelbe an ſeiner Statt regierend fand. Er ordnete an, was zu veranſtalten war, und eilete wie- der nach Deutſchland, damit er deſto leichter folgendes Jahr auf das Concilium nach Rom ziehen koͤnte; als welches ſchon ſeit zwey Jahren angekuͤndiget war, und ließ beſagten Biſchof in ſeinem Hauſe und auf ſeine Koſten in Riga. Es war auch die Gemahlin und die ganze Familie des Woldemars daſelbſt, der ſie alle liebreich zur Hand gingen. 1213 §. 2. Woldemar ſelbſt zog viel Geld und Gut in Jdumea und Lettland, und hielt das weltliche Gerichte. Es begegnete ihm aber der Jdumeer Prieſter Alobrand und ſprach zu ihm: Du ſolteſt, o Koͤnig, der du gewuͤrdiger biſt, Richter uͤber Menſchen zu ſeyn, ein gerechtes und unparteiiſches Urtel ſprechen, die Armen nicht druͤcken, und ihr Bisgen ihnen nicht abnehmen; damit du nicht unſere Neubekehrten verwirreſt und ſie mehr vom Glauben an Chriſtum abtreten macheſt. Der Koͤnig ward hieruͤber entruͤſtet, bedrohete Alobranden, und ſagte: Alobrand, ich werde den Reichthum und den Ueberfluß in deinem Hauſe beſchneiden muͤſ- ſen. Denn er fuͤhrte eine ſtarke Armee der Rußiſchen Koͤnige nachher in deſſen Haus, und machte alles leer, wie unten wird geſaget werden. Und nach einer kleinen Zeit zog er mit ſeiner ganzen Familie wieder nach Rußland. §. 3. Nach dieſen ging der Biſchof von Ratzeburg mit den Pilgern und dem Advocaten Gerard, nach Thoreida, bauete fuͤr den Biſchof ein Kaſtel, ſo er Fredeland hieß, gleichſam, das Friede im Lande machen ſolte, hofte dabey, dieſes Schloß werde dem Lande Ruhe ſchaffen, und daſelbſt den Prieſtern und allen ſeinen Maͤnnern zur ſichern Freyſtadt dienen. Es kamen auch dahin zu ihm die Soͤhne Thalibalds von Tholowa, Rameko mit ſeinen Bruͤdern, die ſich in den Schutz des Biſchofs begaben. Sie verſprachen dabey, den von den Ruſſen angenommenen chriſtlichen Glauben mit den lateiniſchen Caͤremonien zu vertauſchen, und von zwey Pferden a⁾ jegliches Jahr ein gewiſſes Maß Getreide zu entrichten, dafuͤr, daß ſie ſo wol zur Friedens als Kriegeszeit ſtets von dem Biſchof geſchuͤtzet wuͤrden, und ſie mit den Deutſchen ein Herz und eine Seele waͤren, auch ihres Beyſtandes gegen die Eſthen und Litthauer immer genieſſen moͤchten. Der Biſchof nahm ſie mit Freuden auf, und ſchickte mit ihnen ſeinen Prieſter, der bey der Ymer war, ihnen die Sacramente des Glaubens zu rei- chen, und die Anfangsgruͤnde der chriſtlichen Religion beyzubringen. a⁾ Siehe beym Jahr 1210. not. l). §. 4. Unterdeſſen verklagten die Ritter von Kukenois, Meinhard, Johann und Jordan, nebſt andern, den Koͤnig von Gerzike, Wiſſewalden, daß er nach Erhaltung ſeines Lehnreichs ſchon viele Jahre ſich vor ſeinem Vater, dem Biſchof, nicht geſtellet, ſondern immer den Litthauern mit Rath und That an die Hand D d 2

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/139>, abgerufen am 23.11.2024.