Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite
Minna von Barnhelm,


v. Tellheim. Die Leute mögen es immer
wissen, daß ich nichts mehr habe. Man muß
nicht reicher scheinen wollen, als man ist.
Werner. Aber warum ärmer? -- Wir ha-
ben, so lange unser Freund hat.
v. Tellheim. Es ziemt sich nicht, daß ich dein
Schuldner bin.
Werner. Ziemt sich nicht? -- Wenn an
einem heißen Tage, den uns die Sonne und der
Feind heiß machte, sich Jhr Reitknecht mit den
Kantinen verloren hatte; und Sie zu mir kamen
und sagten: Werner hast du nichts zu trinken?
und ich Jhnen meine Feldflasche reichte, nicht
wahr, Sie nahmen und tranken? -- Ziemte sich
das? -- Bey meiner armen Seele, wenn ein
Trunk faules Waßer damals nicht oft mehr werth
war, als alle der Quark!
(indem er auch den Beutel
mit den Louisdoren heraus zieht, und ihm beides hinreicht)

Nehmen Sie, lieber Major! Bilden Sie Sich
ein, es ist Waßer. Auch das hat Gott für alle
geschaffen.
v. Tellheim. Du marterst mich; du hörst
es ja, ich will dein Schuldner nicht seyn.

Wer-
Minna von Barnhelm,


v. Tellheim. Die Leute moͤgen es immer
wiſſen, daß ich nichts mehr habe. Man muß
nicht reicher ſcheinen wollen, als man iſt.
Werner. Aber warum aͤrmer? — Wir ha-
ben, ſo lange unſer Freund hat.
v. Tellheim. Es ziemt ſich nicht, daß ich dein
Schuldner bin.
Werner. Ziemt ſich nicht? — Wenn an
einem heißen Tage, den uns die Sonne und der
Feind heiß machte, ſich Jhr Reitknecht mit den
Kantinen verloren hatte; und Sie zu mir kamen
und ſagten: Werner haſt du nichts zu trinken?
und ich Jhnen meine Feldflaſche reichte, nicht
wahr, Sie nahmen und tranken? — Ziemte ſich
das? — Bey meiner armen Seele, wenn ein
Trunk faules Waßer damals nicht oft mehr werth
war, als alle der Quark!
(indem er auch den Beutel
mit den Louisdoren heraus zieht, und ihm beides hinreicht)

Nehmen Sie, lieber Major! Bilden Sie Sich
ein, es iſt Waßer. Auch das hat Gott fuͤr alle
geſchaffen.
v. Tellheim. Du marterſt mich; du hoͤrſt
es ja, ich will dein Schuldner nicht ſeyn.

Wer-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#WAC">
            <pb facs="#f0102" n="98"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Minna von Barnhelm,</hi> </fw><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </sp><lb/>
          <sp who="#TEL">
            <speaker> <hi rendition="#fr">v. Tellheim.</hi> </speaker>
            <p>Die Leute mo&#x0364;gen es immer<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en, daß ich nichts mehr habe. Man muß<lb/>
nicht reicher &#x017F;cheinen wollen, als man i&#x017F;t.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#WAC">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Werner.</hi> </speaker>
            <p>Aber warum a&#x0364;rmer? &#x2014; Wir ha-<lb/>
ben, &#x017F;o lange un&#x017F;er Freund hat.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#TEL">
            <speaker> <hi rendition="#fr">v. Tellheim.</hi> </speaker>
            <p>Es ziemt &#x017F;ich nicht, daß ich dein<lb/>
Schuldner bin.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#WAC">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Werner.</hi> </speaker>
            <p>Ziemt &#x017F;ich nicht? &#x2014; Wenn an<lb/>
einem heißen Tage, den uns die Sonne und der<lb/>
Feind heiß machte, &#x017F;ich Jhr Reitknecht mit den<lb/>
Kantinen verloren hatte; und Sie zu mir kamen<lb/>
und &#x017F;agten: Werner ha&#x017F;t du nichts zu trinken?<lb/>
und ich Jhnen meine Feldfla&#x017F;che reichte, nicht<lb/>
wahr, Sie nahmen und tranken? &#x2014; Ziemte &#x017F;ich<lb/>
das? &#x2014; Bey meiner armen Seele, wenn ein<lb/>
Trunk faules Waßer damals nicht oft mehr werth<lb/>
war, als alle der Quark!</p>
            <stage>(indem er auch den Beutel<lb/>
mit den Louisdoren heraus zieht, und ihm beides hinreicht)</stage><lb/>
            <p>Nehmen Sie, lieber Major! Bilden Sie Sich<lb/>
ein, es i&#x017F;t Waßer. Auch das hat Gott fu&#x0364;r alle<lb/>
ge&#x017F;chaffen.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#TEL">
            <speaker> <hi rendition="#fr">v. Tellheim.</hi> </speaker>
            <p>Du marter&#x017F;t mich; du ho&#x0364;r&#x017F;t<lb/>
es ja, ich will dein Schuldner nicht &#x017F;eyn.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Wer-</hi> </fw><lb/>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0102] Minna von Barnhelm, v. Tellheim. Die Leute moͤgen es immer wiſſen, daß ich nichts mehr habe. Man muß nicht reicher ſcheinen wollen, als man iſt. Werner. Aber warum aͤrmer? — Wir ha- ben, ſo lange unſer Freund hat. v. Tellheim. Es ziemt ſich nicht, daß ich dein Schuldner bin. Werner. Ziemt ſich nicht? — Wenn an einem heißen Tage, den uns die Sonne und der Feind heiß machte, ſich Jhr Reitknecht mit den Kantinen verloren hatte; und Sie zu mir kamen und ſagten: Werner haſt du nichts zu trinken? und ich Jhnen meine Feldflaſche reichte, nicht wahr, Sie nahmen und tranken? — Ziemte ſich das? — Bey meiner armen Seele, wenn ein Trunk faules Waßer damals nicht oft mehr werth war, als alle der Quark! (indem er auch den Beutel mit den Louisdoren heraus zieht, und ihm beides hinreicht) Nehmen Sie, lieber Major! Bilden Sie Sich ein, es iſt Waßer. Auch das hat Gott fuͤr alle geſchaffen. v. Tellheim. Du marterſt mich; du hoͤrſt es ja, ich will dein Schuldner nicht ſeyn. Wer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767/102
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_minna_1767/102>, abgerufen am 02.05.2024.