Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite


I.
Der Besitzer des Bogens.

Ein Mann hatte einen trefflichen Bogen von Eben-
holz, mit dem er sehr weit und sehr sicher schoß, und
den er ungemein werth hielt. Einst aber, als er
ihn aufmerksam betrachtete, sprach er: Ein wenig
zu plump bist du doch! Alle deine Zierde ist die
Glätte. Schade! -- Doch dem ist abzuhelfen;
fiel ihm ein. Ich will hingehen und den besten
Künstler Bilder in den Bogen schnitzen lassen. --
Er ging hin; und der Künstler schnitzte eine ganze
Jagd auf den Bogen; und was hätte sich besser auf
einen Bogen geschickt, als eine Jagd?

Der Mann war voller Freuden. "Du verdie-
"nest diese Zierrathen, mein lieber Bogen!" --
Indem will er ihn versuchen; er spannt, und der
Bogen -- zerbricht.



II. Die


I.
Der Beſitzer des Bogens.

Ein Mann hatte einen trefflichen Bogen von Eben-
holz, mit dem er ſehr weit und ſehr ſicher ſchoß, und
den er ungemein werth hielt. Einſt aber, als er
ihn aufmerkſam betrachtete, ſprach er: Ein wenig
zu plump biſt du doch! Alle deine Zierde iſt die
Glätte. Schade! — Doch dem iſt abzuhelfen;
fiel ihm ein. Ich will hingehen und den beſten
Künſtler Bilder in den Bogen ſchnitzen laſſen. —
Er ging hin; und der Künſtler ſchnitzte eine ganze
Jagd auf den Bogen; und was hätte ſich beſſer auf
einen Bogen geſchickt, als eine Jagd?

Der Mann war voller Freuden. „Du verdie-
„neſt dieſe Zierrathen, mein lieber Bogen!“ —
Indem will er ihn verſuchen; er ſpannt, und der
Bogen — zerbricht.



II. Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0095" n="75"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Der</hi> <hi rendition="#fr">Be&#x017F;itzer des Bogens.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>in Mann hatte einen trefflichen Bogen von Eben-<lb/>
holz, mit dem er &#x017F;ehr weit und &#x017F;ehr &#x017F;icher &#x017F;choß, und<lb/>
den er ungemein werth hielt. Ein&#x017F;t aber, als er<lb/>
ihn aufmerk&#x017F;am betrachtete, &#x017F;prach er: Ein wenig<lb/>
zu plump bi&#x017F;t du doch! Alle deine Zierde i&#x017F;t die<lb/>
Glätte. Schade! &#x2014; Doch dem i&#x017F;t abzuhelfen;<lb/>
fiel ihm ein. Ich will hingehen und den be&#x017F;ten<lb/>
Kün&#x017F;tler Bilder in den Bogen &#x017F;chnitzen la&#x017F;&#x017F;en. &#x2014;<lb/>
Er ging hin; und der Kün&#x017F;tler &#x017F;chnitzte eine ganze<lb/>
Jagd auf den Bogen; und was hätte &#x017F;ich be&#x017F;&#x017F;er auf<lb/>
einen Bogen ge&#x017F;chickt, als eine Jagd?</p><lb/>
          <p>Der Mann war voller Freuden. &#x201E;Du verdie-<lb/>
&#x201E;ne&#x017F;t die&#x017F;e Zierrathen, mein lieber Bogen!&#x201C; &#x2014;<lb/>
Indem will er ihn ver&#x017F;uchen; er &#x017F;pannt, und der<lb/>
Bogen &#x2014; zerbricht.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">II.</hi> Die</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0095] I. Der Beſitzer des Bogens. Ein Mann hatte einen trefflichen Bogen von Eben- holz, mit dem er ſehr weit und ſehr ſicher ſchoß, und den er ungemein werth hielt. Einſt aber, als er ihn aufmerkſam betrachtete, ſprach er: Ein wenig zu plump biſt du doch! Alle deine Zierde iſt die Glätte. Schade! — Doch dem iſt abzuhelfen; fiel ihm ein. Ich will hingehen und den beſten Künſtler Bilder in den Bogen ſchnitzen laſſen. — Er ging hin; und der Künſtler ſchnitzte eine ganze Jagd auf den Bogen; und was hätte ſich beſſer auf einen Bogen geſchickt, als eine Jagd? Der Mann war voller Freuden. „Du verdie- „neſt dieſe Zierrathen, mein lieber Bogen!“ — Indem will er ihn verſuchen; er ſpannt, und der Bogen — zerbricht. II. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/95
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/95>, abgerufen am 24.11.2024.