Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.IV. Der Wolf auf dem Todtbette. Der Wolf lag in den letzten Zügen und schickte Und das alles kann ich dir bezeugen; fiel ihm Freund V. Der C 5
IV. Der Wolf auf dem Todtbette. Der Wolf lag in den letzten Zügen und ſchickte Und das alles kann ich dir bezeugen; fiel ihm Freund V. Der C 5
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IV.
Der Wolf auf dem Todtbette.
Der Wolf lag in den letzten Zügen und ſchickte
einen prüfenden Blick auf ſein vergangenes Leben zu-
rück. Ich bin freylich ein Sünder, ſagte er; aber
doch, hoffe ich, keiner von den größten. Ich habe
Böſes gethan; aber auch viel Gutes. Einsmals,
erinnere ich mich, kam mir ein blöckendes Lamm,
welches ſich von der Heerde verirret hatte, ſo nahe,
daß ich es gar leicht hätte würgen können; und ich
that ihm nichts. Zu eben dieſer Zeit hörte ich die
Spöttereyen und Schmähungen eines Schafes mit
der bewundernswürdigſten Gleichgültigkeit an, ob
ich ſchon keine ſchützende Hunde zu fürchten hatte.
Und das alles kann ich dir bezeugen; fiel ihm Freund
Fuchs, der ihn zum Tode bereiten half, ins Wort.
Denn ich erinnere mich noch gar wohl aller Umſtän-
de dabey. Es war zu eben der Zeit, als du dich
an dem Beine ſo jämmerlich würgteſt, das dir der
gutherzige Kranich hernach aus dem Schlunde zog.
V. Der
C 5
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