Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.III. Der Knabe und die Schlange. Ein Knabe spielte mit einer zahmen Schlange. Ich erstaune, sagte die Schlange. Wie par- Ach, C 4
III. Der Knabe und die Schlange. Ein Knabe ſpielte mit einer zahmen Schlange. Ich erſtaune, ſagte die Schlange. Wie par- Ach, C 4
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III.
Der Knabe und die Schlange.
Ein Knabe ſpielte mit einer zahmen Schlange.
Mein liebes Thierchen, ſagte der Knabe, ich würde
mich mit dir ſo gemein nicht machen, wenn dir das
Gift nicht benommen wäre. Ihr Schlangen ſeyd
die boshafteſten, undankbarſten Geſchöpfe! Ich
habe es wohl geleſen, wie es einem armen Land-
mann ging, der eine, vielleicht von deinen Uhräl-
tern, die er halb erfroren unter einer Hecke fand,
mitleidig aufhob, und ſie in ſeinen erwärmenden
Buſen ſteckte. Kaum fühlte ſich die Böſe wieder,
als ſie ihren Wohlthäter biß; und der gute freund-
liche Mann mußte ſterben.
Ich erſtaune, ſagte die Schlange. Wie par-
theyiſch eure Geſchichtſchreiber ſeyn müſſen! Die
unſrigen erzehlen dieſe Hiſtorie ganz anders. Dein
freundlicher Mann glaubte, die Schlange ſey wirk-
lich erfroren, und weil es eine von den bunten
Schlangen war, ſo ſteckte er ſie zu ſich, ihr zu Hauſe
die ſchöne Haut abzuſtreifen. War das recht?
Ach,
C 4
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