Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite
XII.
Der kriegrische Wolf.

Mein Vater, glorreichen Andenkens, sagte
ein junger Wolf zu einem Fuchse, das war ein
rechter Held! Wie fürchterlich hat er sich nicht in
der ganzen Gegend gemacht! Er hat über mehr
als zweyhundert Feinde, nach und nach, triumphirt,
und ihre schwarze Seelen in das Reich des Verder-
bens gesandt. Was Wunder also, daß er endlich
doch einem unterliegen mußte!

So würde sich ein Leichenredner ausdrücken,
sagte der Fuchs; der trockene Geschichtschreiber aber
würde hinzusetzen: die zweyhundert Feinde über die
er, nach und nach, triumphiret, waren Schafe
und Esel; und der eine Feind, dem er unterlag,
war der erste Stier, den er sich anzufallen er-
kühnte.



XIII. Der
XII.
Der kriegriſche Wolf.

Mein Vater, glorreichen Andenkens, ſagte
ein junger Wolf zu einem Fuchſe, das war ein
rechter Held! Wie fürchterlich hat er ſich nicht in
der ganzen Gegend gemacht! Er hat über mehr
als zweyhundert Feinde, nach und nach, triumphirt,
und ihre ſchwarze Seelen in das Reich des Verder-
bens geſandt. Was Wunder alſo, daß er endlich
doch einem unterliegen mußte!

So würde ſich ein Leichenredner ausdrücken,
ſagte der Fuchs; der trockene Geſchichtſchreiber aber
würde hinzuſetzen: die zweyhundert Feinde über die
er, nach und nach, triumphiret, waren Schafe
und Eſel; und der eine Feind, dem er unterlag,
war der erſte Stier, den er ſich anzufallen er-
kühnte.



XIII. Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0036" n="16"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">XII.</hi></hi><lb/>
Der kriegri&#x017F;che <hi rendition="#fr">Wolf.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">M</hi>ein Vater, glorreichen Andenkens, &#x017F;agte<lb/>
ein junger Wolf zu einem Fuch&#x017F;e, das war ein<lb/>
rechter Held! Wie fürchterlich hat er &#x017F;ich nicht in<lb/>
der ganzen Gegend gemacht! Er hat über mehr<lb/>
als zweyhundert Feinde, nach und nach, triumphirt,<lb/>
und ihre &#x017F;chwarze Seelen in das Reich des Verder-<lb/>
bens ge&#x017F;andt. Was Wunder al&#x017F;o, daß er endlich<lb/>
doch einem unterliegen mußte!</p><lb/>
          <p>So würde &#x017F;ich ein Leichenredner ausdrücken,<lb/>
&#x017F;agte der Fuchs; der trockene Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber aber<lb/>
würde hinzu&#x017F;etzen: die zweyhundert Feinde über die<lb/>
er, nach und nach, triumphiret, waren Schafe<lb/>
und E&#x017F;el; und der eine Feind, dem er unterlag,<lb/>
war der er&#x017F;te Stier, den er &#x017F;ich anzufallen er-<lb/>
kühnte.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">XIII.</hi> Der</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0036] XII. Der kriegriſche Wolf. Mein Vater, glorreichen Andenkens, ſagte ein junger Wolf zu einem Fuchſe, das war ein rechter Held! Wie fürchterlich hat er ſich nicht in der ganzen Gegend gemacht! Er hat über mehr als zweyhundert Feinde, nach und nach, triumphirt, und ihre ſchwarze Seelen in das Reich des Verder- bens geſandt. Was Wunder alſo, daß er endlich doch einem unterliegen mußte! So würde ſich ein Leichenredner ausdrücken, ſagte der Fuchs; der trockene Geſchichtſchreiber aber würde hinzuſetzen: die zweyhundert Feinde über die er, nach und nach, triumphiret, waren Schafe und Eſel; und der eine Feind, dem er unterlag, war der erſte Stier, den er ſich anzufallen er- kühnte. XIII. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/36
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/36>, abgerufen am 03.12.2024.