Ein Schäfer hatte durch eine grausame Seuche seine ganze Heerde verloren. Das erfuhr der Wolf, und kam seine Condolenz abzustatten.
Schäfer, sprach er, ist es wahr, daß dich ein so grausames Unglück betroffen? Du bist um deine ganze Heerde gekommen? Die liebe, fromme, fette Heerde! Du tauerst mich, und ich möchte blutige Thränen weinen.
Habe Dank, Meister Isegrim; versetzte der Schäfer. Ich sehe, du hast ein sehr mitleidiges Herz.
Das hat er auch wirklich, fügte des Schäfers Hylax hinzu, so oft er unter dem Unglücke seines Nächsten selbst leidet.
IX. Das
VIII. Der Wolf und der Schäfer.
Ein Schäfer hatte durch eine grauſame Seuche ſeine ganze Heerde verloren. Das erfuhr der Wolf, und kam ſeine Condolenz abzuſtatten.
Schäfer, ſprach er, iſt es wahr, daß dich ein ſo grauſames Unglück betroffen? Du biſt um deine ganze Heerde gekommen? Die liebe, fromme, fette Heerde! Du tauerſt mich, und ich möchte blutige Thränen weinen.
Habe Dank, Meiſter Iſegrim; verſetzte der Schäfer. Ich ſehe, du haſt ein ſehr mitleidiges Herz.
Das hat er auch wirklich, fügte des Schäfers Hylax hinzu, ſo oft er unter dem Unglücke ſeines Nächſten ſelbſt leidet.
IX. Das
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VIII.
Der Wolf und der Schäfer.
Ein Schäfer hatte durch eine grauſame Seuche
ſeine ganze Heerde verloren. Das erfuhr der Wolf,
und kam ſeine Condolenz abzuſtatten.
Schäfer, ſprach er, iſt es wahr, daß dich ein ſo
grauſames Unglück betroffen? Du biſt um deine
ganze Heerde gekommen? Die liebe, fromme, fette
Heerde! Du tauerſt mich, und ich möchte blutige
Thränen weinen.
Habe Dank, Meiſter Iſegrim; verſetzte der
Schäfer. Ich ſehe, du haſt ein ſehr mitleidiges
Herz.
Das hat er auch wirklich, fügte des Schäfers
Hylax hinzu, ſo oft er unter dem Unglücke ſeines
Nächſten ſelbſt leidet.
IX. Das
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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/32>, abgerufen am 06.07.2024.
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