Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.fallen in der griechischen Fabel alle diese Schwierig- Genug für eine Probe! Ich behalte mir vor, V. Von
fallen in der griechiſchen Fabel alle dieſe Schwierig- Genug für eine Probe! Ich behalte mir vor, V. Von
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0252" n="232"/> fallen in der griechiſchen Fabel alle dieſe Schwierig-<lb/> keiten weg! Der Löwe und der Eſel kommen da vor<lb/> eine Höhle, in der ſich wilde Ziegen aufhalten. Der<lb/> Löwe ſchickt den Eſel hinein; der Eſel ſcheucht mit<lb/> ſeiner fürchterlichen Stimmen die wilden Ziegen<lb/> heraus, und ſo können ſie dem Löwen, der ihrer an<lb/> dem Eingange wartet, nicht entgehen.<lb/><cit><quote><hi rendition="#aq">Fab. 9. Libr IV.<lb/> Peras impoſuit Jupiter nobis duas,<lb/> Propriis repletam vitiis poſt tergum dedit,<lb/> Alienis ante pectus ſuſpendit gravem.</hi></quote><bibl/></cit><lb/><hi rendition="#fr">Jupiter</hi> hat uns dieſe zwey Säcke aufgelegt? Er<lb/> iſt alſo ſelbſt Schuld, daß wir unſere eigene Fehler<lb/> nicht ſehen, und nur ſcharſſichtige Tadler der Fehler<lb/> unſers Nächſten ſind? Wie viel fehlt dieſer Unge-<lb/> reimtheit zu einer förmlichen Gottesläſterung? Die<lb/> beſſern Griechen laſſen durchgängig den Jupiter hier<lb/> aus dem Spiele; ſie ſagen ſchlecht weg: <cit><quote>Ανϑρωπος<lb/> δυο πηρας ἐκαϛος φουρει;</quote><bibl/></cit> oder: <cit><quote>δυο πηρας ἐξημμεϑα<lb/> του τραχηλου</quote><bibl/></cit> u. ſ. w.</p><lb/> <p>Genug für eine Probe! Ich behalte mir vor,<lb/> meine Beſchuldigung an einem andern Orte um-<lb/> ſtändlicher zu erweiſen; und vielleicht durch eine<lb/> eigene Ausgabe des <hi rendition="#fr">Phädrus.</hi></p> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">V.</hi> <hi rendition="#fr">Von</hi> </fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [232/0252]
fallen in der griechiſchen Fabel alle dieſe Schwierig-
keiten weg! Der Löwe und der Eſel kommen da vor
eine Höhle, in der ſich wilde Ziegen aufhalten. Der
Löwe ſchickt den Eſel hinein; der Eſel ſcheucht mit
ſeiner fürchterlichen Stimmen die wilden Ziegen
heraus, und ſo können ſie dem Löwen, der ihrer an
dem Eingange wartet, nicht entgehen.
Fab. 9. Libr IV.
Peras impoſuit Jupiter nobis duas,
Propriis repletam vitiis poſt tergum dedit,
Alienis ante pectus ſuſpendit gravem.
Jupiter hat uns dieſe zwey Säcke aufgelegt? Er
iſt alſo ſelbſt Schuld, daß wir unſere eigene Fehler
nicht ſehen, und nur ſcharſſichtige Tadler der Fehler
unſers Nächſten ſind? Wie viel fehlt dieſer Unge-
reimtheit zu einer förmlichen Gottesläſterung? Die
beſſern Griechen laſſen durchgängig den Jupiter hier
aus dem Spiele; ſie ſagen ſchlecht weg: Ανϑρωπος
δυο πηρας ἐκαϛος φουρει; oder: δυο πηρας ἐξημμεϑα
του τραχηλου u. ſ. w.
Genug für eine Probe! Ich behalte mir vor,
meine Beſchuldigung an einem andern Orte um-
ſtändlicher zu erweiſen; und vielleicht durch eine
eigene Ausgabe des Phädrus.
V. Von
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Zitationshilfe: | Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/252>, abgerufen am 27.07.2024. |