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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

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Es ist unmöglich; wenn der Hund durch den Fluß
geschwommen ist, so hat er das Wasser um sich
her nothwendig so gedrübt, daß er sein Bildniß
unmöglich darinn sehen können. Die griechischen
Fabeln sagen: Kuon kreas ekhousa potamon diebaine; das
braucht weiter nichts zu heissen, als: er ging über
den Fluß;
auf einem niedrigen Steige, muß man
sich vorstellen. Aphthonius bestimmt diesen Um-
stand noch behutsamer: Kreas arpasa tis kuo[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
p[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]R auten dieei ten okhthen;
der Hund ging an dem
Ufer des Flusses.

Fab. 5. Lib. I.
Vacca & capella, & patiens ovis injuriae,
Socii fuere cum leone in saltibus.

Welch eine Gefellschaft! Wie war es möglich, daß
sich diese viere zu einem Zwecke vereinigen konnten?
Und zwar zur Jagd! Diese Ungereimtheit, haben
die Kunstrichters schon öfters angemerkt; aber noch
keiner hat zugleich anmerken wollen, daß sie von des
Phädrus eigener Erfindung ist. Im Griechischen
ist diese Fabel zwischen dem Löwen und dem wilden
Esel (Onagros). Von dem wilden Esel ist es be-
kannt, daß er ludert; und folglich konnte er an der
Beute Theil nehmen. Wie elend ist ferner die Thei-
lung bey dem Phädrus:

Ego

Es iſt unmöglich; wenn der Hund durch den Fluß
geſchwommen iſt, ſo hat er das Waſſer um ſich
her nothwendig ſo gedrübt, daß er ſein Bildniß
unmöglich darinn ſehen können. Die griechiſchen
Fabeln ſagen: Κυων κρεας ἐχουσα ποταμον διεβαινε; das
braucht weiter nichts zu heiſſen, als: er ging über
den Fluß;
auf einem niedrigen Steige, muß man
ſich vorſtellen. Aphthonius beſtimmt dieſen Um-
ſtand noch behutſamer: Κρεας ἁρπασα τις κυω[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
π[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]ῤ ἀυτην διηει την οχϑην;
der Hund ging an dem
Ufer des Fluſſes.

Fab. 5. Lib. I.
Vacca & capella, & patiens ovis injuriæ,
Socii fuere cum leone in ſaltibus.

Welch eine Gefellſchaft! Wie war es möglich, daß
ſich dieſe viere zu einem Zwecke vereinigen konnten?
Und zwar zur Jagd! Dieſe Ungereimtheit, haben
die Kunſtrichters ſchon öfters angemerkt; aber noch
keiner hat zugleich anmerken wollen, daß ſie von des
Phädrus eigener Erfindung iſt. Im Griechiſchen
iſt dieſe Fabel zwiſchen dem Löwen und dem wilden
Eſel (Οναγρος). Von dem wilden Eſel iſt es be-
kannt, daß er ludert; und folglich konnte er an der
Beute Theil nehmen. Wie elend iſt ferner die Thei-
lung bey dem Phädrus:

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[230/0250] Es iſt unmöglich; wenn der Hund durch den Fluß geſchwommen iſt, ſo hat er das Waſſer um ſich her nothwendig ſo gedrübt, daß er ſein Bildniß unmöglich darinn ſehen können. Die griechiſchen Fabeln ſagen: Κυων κρεας ἐχουσα ποταμον διεβαινε; das braucht weiter nichts zu heiſſen, als: er ging über den Fluß; auf einem niedrigen Steige, muß man ſich vorſtellen. Aphthonius beſtimmt dieſen Um- ſtand noch behutſamer: Κρεας ἁρπασα τις κυω_ π_ῤ ἀυτην διηει την οχϑην; der Hund ging an dem Ufer des Fluſſes. Fab. 5. Lib. I. Vacca & capella, & patiens ovis injuriæ, Socii fuere cum leone in ſaltibus. Welch eine Gefellſchaft! Wie war es möglich, daß ſich dieſe viere zu einem Zwecke vereinigen konnten? Und zwar zur Jagd! Dieſe Ungereimtheit, haben die Kunſtrichters ſchon öfters angemerkt; aber noch keiner hat zugleich anmerken wollen, daß ſie von des Phädrus eigener Erfindung iſt. Im Griechiſchen iſt dieſe Fabel zwiſchen dem Löwen und dem wilden Eſel (Οναγρος). Von dem wilden Eſel iſt es be- kannt, daß er ludert; und folglich konnte er an der Beute Theil nehmen. Wie elend iſt ferner die Thei- lung bey dem Phädrus: Ego

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/250>, abgerufen am 22.11.2024.