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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

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Nach jener versteht er unter der Fabel, eine un-
ter der wohlgerathenen Allegorie einer ähn-
lichen Handlung verkleidete Lehre und Unter-
weisung
. -- Der klare, übersetzte de la Motte!
Und der ein wenig gewässerte: könnte man noch
dazusetzen. Denn was sollen die Beywörter:
wohlgerathene Allegorie; ähnliche Handlung?
Sie sind höchst überflüssig.

Doch ich habe eine andere wichtigere Anmerkung
auf ihn versparet. Richer sagt: die Lehre solle
unter dem allegorischen Bilde versteckt (cache) seyn.
Versteckt! welch ein unschickliches Wort! In man-
chem Räthsel sind Wahrheiten, in den Pythagori-
schen Denksprüchen sind moralische Lehren versteckt;
aber in keiner Fabel. Die Klahrheit, die Lebhaf-
tigkeit, mit welcher die Lehre aus allen Theilen einer
guten Fabel auf einmal hervor strahlet, hätte durch
ein ander Wort, als durch das ganz widersprechen-
de versteckt, ausgedrückt zu werden verdienet.
Sein Vorgänger de la Motte hatte sich um ein
gut Theil feiner erklärt; er sagt doch nur, verkleidet
(deguise). Aber auch verkleidet ist noch viel zu

unrichtig,

Nach jener verſteht er unter der Fabel, eine un-
ter der wohlgerathenen Allegorie einer ähn-
lichen Handlung verkleidete Lehre und Unter-
weiſung
. — Der klare, überſetzte de la Motte!
Und der ein wenig gewäſſerte: könnte man noch
dazuſetzen. Denn was ſollen die Beywörter:
wohlgerathene Allegorie; ähnliche Handlung?
Sie ſind höchſt überflüſſig.

Doch ich habe eine andere wichtigere Anmerkung
auf ihn verſparet. Richer ſagt: die Lehre ſolle
unter dem allegoriſchen Bilde verſteckt (caché) ſeyn.
Verſteckt! welch ein unſchickliches Wort! In man-
chem Räthſel ſind Wahrheiten, in den Pythagori-
ſchen Denkſprüchen ſind moraliſche Lehren verſteckt;
aber in keiner Fabel. Die Klahrheit, die Lebhaf-
tigkeit, mit welcher die Lehre aus allen Theilen einer
guten Fabel auf einmal hervor ſtrahlet, hätte durch
ein ander Wort, als durch das ganz widerſprechen-
de verſteckt, ausgedrückt zu werden verdienet.
Sein Vorgänger de la Motte hatte ſich um ein
gut Theil feiner erklärt; er ſagt doch nur, verkleidet
(deguiſé). Aber auch verkleidet iſt noch viel zu

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[141/0161] Nach jener verſteht er unter der Fabel, eine un- ter der wohlgerathenen Allegorie einer ähn- lichen Handlung verkleidete Lehre und Unter- weiſung. — Der klare, überſetzte de la Motte! Und der ein wenig gewäſſerte: könnte man noch dazuſetzen. Denn was ſollen die Beywörter: wohlgerathene Allegorie; ähnliche Handlung? Sie ſind höchſt überflüſſig. Doch ich habe eine andere wichtigere Anmerkung auf ihn verſparet. Richer ſagt: die Lehre ſolle unter dem allegoriſchen Bilde verſteckt (caché) ſeyn. Verſteckt! welch ein unſchickliches Wort! In man- chem Räthſel ſind Wahrheiten, in den Pythagori- ſchen Denkſprüchen ſind moraliſche Lehren verſteckt; aber in keiner Fabel. Die Klahrheit, die Lebhaf- tigkeit, mit welcher die Lehre aus allen Theilen einer guten Fabel auf einmal hervor ſtrahlet, hätte durch ein ander Wort, als durch das ganz widerſprechen- de verſteckt, ausgedrückt zu werden verdienet. Sein Vorgänger de la Motte hatte ſich um ein gut Theil feiner erklärt; er ſagt doch nur, verkleidet (deguiſé). Aber auch verkleidet iſt noch viel zu unrichtig,

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/161>, abgerufen am 21.11.2024.