Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.Emilia Galotti. muß noch nichts argwohnen. Sie glaubt sich nur vor Räubern zu retten. -- Aber wie lange kann das dauren? Marinelli. So haben wir sie doch fürs erste. Der Prinz. Und wird die Mutter sie nicht aufsuchen? Wird der Graf ihr nicht nachkom- men? Was sind wir alsdenn weiter? Wie kann ich sie ihnen vorenthalten? Marinelli. Auf das alles weiß ich freylich noch nichts zu antworten. Aber wir müssen sehen. Gedulden Sie sich, gnädiger Herr. Der erste Schritt mußte doch gethan seyn. -- Der Prinz. Wozu? wenn wir ihn zurück- thun müssen. Marinelli. Vielleicht müssen wir nicht. -- Da sind tausend Dinge, auf die sich weiter fußen läßt. -- Und vergessen Sie denn das Vornehmste? Der Prinz. Was kann ich vergessen, woran ich sicher noch nicht gedacht habe? -- Das Vor- nehmste? was ist das? Marinelli. Die Kunst zu gefallen, zu über- reden, -- die einem Prinzen, welcher liebt, nie fehlet. Der
Emilia Galotti. muß noch nichts argwohnen. Sie glaubt ſich nur vor Raͤubern zu retten. — Aber wie lange kann das dauren? Marinelli. So haben wir ſie doch fuͤrs erſte. Der Prinz. Und wird die Mutter ſie nicht aufſuchen? Wird der Graf ihr nicht nachkom- men? Was ſind wir alsdenn weiter? Wie kann ich ſie ihnen vorenthalten? Marinelli. Auf das alles weiß ich freylich noch nichts zu antworten. Aber wir muͤſſen ſehen. Gedulden Sie ſich, gnaͤdiger Herr. Der erſte Schritt mußte doch gethan ſeyn. — Der Prinz. Wozu? wenn wir ihn zuruͤck- thun muͤſſen. Marinelli. Vielleicht muͤſſen wir nicht. — Da ſind tauſend Dinge, auf die ſich weiter fußen laͤßt. — Und vergeſſen Sie denn das Vornehmſte? Der Prinz. Was kann ich vergeſſen, woran ich ſicher noch nicht gedacht habe? — Das Vor- nehmſte? was iſt das? Marinelli. Die Kunſt zu gefallen, zu uͤber- reden, — die einem Prinzen, welcher liebt, nie fehlet. Der
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Emilia Galotti.
muß noch nichts argwohnen. Sie glaubt ſich nur
vor Raͤubern zu retten. — Aber wie lange kann
das dauren?
Marinelli. So haben wir ſie doch fuͤrs erſte.
Der Prinz. Und wird die Mutter ſie nicht
aufſuchen? Wird der Graf ihr nicht nachkom-
men? Was ſind wir alsdenn weiter? Wie kann
ich ſie ihnen vorenthalten?
Marinelli. Auf das alles weiß ich freylich
noch nichts zu antworten. Aber wir muͤſſen ſehen.
Gedulden Sie ſich, gnaͤdiger Herr. Der erſte
Schritt mußte doch gethan ſeyn. —
Der Prinz. Wozu? wenn wir ihn zuruͤck-
thun muͤſſen.
Marinelli. Vielleicht muͤſſen wir nicht. —
Da ſind tauſend Dinge, auf die ſich weiter fußen
laͤßt. — Und vergeſſen Sie denn das Vornehmſte?
Der Prinz. Was kann ich vergeſſen, woran
ich ſicher noch nicht gedacht habe? — Das Vor-
nehmſte? was iſt das?
Marinelli. Die Kunſt zu gefallen, zu uͤber-
reden, — die einem Prinzen, welcher liebt, nie
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