Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite
Emilia Galotti.


Vierter Auftritt.
Odoardo und Claudia Galotti. Pirro.
Odoardo. Sie bleibt mir zu lang' aus --
Claudia. Noch einen Augenblick, Odoardo!
Es würde sie schmerzen, deines Anblicks so zu
verfehlen.
Odoardo. Jch muß auch bey dem Grafen
noch einsprechen. Kaum kann ichs erwarten, die-
fen würdigen jungen Mann meinen Sohn zu nen-
nen. Alles entzückt mich an ihm. Und vor allem
der Entschluß, in seinen väterlichen Thälern sich
selbst zu leben.
Claudia. Das Herz bricht mir, wenn ich
hieran gedenke. -- So ganz sollen wir sie verlie-
ren, diese einzige geliebte Tochter?
Odoardo. Was nennst du, sie verlieren? Sie
in den Armen der Liebe zu wissen? Vermenge dein
Vergnügen an ihr, nicht mit ihrem Glücke. -- Du
möchtest meinen alten Argwohn erneuern: -- daß
es mehr das Geräusch und die Zerstreuung der Welt,
mehr die Nähe des Hofes war, als die Nothwen-
digkeit, unserer Tochter eine anständige Erziehung
zu
C 4
Emilia Galotti.


Vierter Auftritt.
Odoardo und Claudia Galotti. Pirro.
Odoardo. Sie bleibt mir zu lang’ aus —
Claudia. Noch einen Augenblick, Odoardo!
Es wuͤrde ſie ſchmerzen, deines Anblicks ſo zu
verfehlen.
Odoardo. Jch muß auch bey dem Grafen
noch einſprechen. Kaum kann ichs erwarten, die-
fen wuͤrdigen jungen Mann meinen Sohn zu nen-
nen. Alles entzuͤckt mich an ihm. Und vor allem
der Entſchluß, in ſeinen vaͤterlichen Thaͤlern ſich
ſelbſt zu leben.
Claudia. Das Herz bricht mir, wenn ich
hieran gedenke. — So ganz ſollen wir ſie verlie-
ren, dieſe einzige geliebte Tochter?
Odoardo. Was nennſt du, ſie verlieren? Sie
in den Armen der Liebe zu wiſſen? Vermenge dein
Vergnuͤgen an ihr, nicht mit ihrem Gluͤcke. — Du
moͤchteſt meinen alten Argwohn erneuern: — daß
es mehr das Geraͤuſch und die Zerſtreuung der Welt,
mehr die Naͤhe des Hofes war, als die Nothwen-
digkeit, unſerer Tochter eine anſtaͤndige Erziehung
zu
C 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0043" n="39"/>
        <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Emilia Galotti</hi>.</fw><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Vierter Auftritt.</hi> </head><lb/>
          <stage>Odoardo und Claudia Galotti. Pirro.</stage><lb/>
          <sp who="#ODO">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Odoardo.</hi> </speaker>
            <p>Sie bleibt mir zu lang&#x2019; aus &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#CLA">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Claudia.</hi> </speaker>
            <p>Noch einen Augenblick, Odoardo!<lb/>
Es wu&#x0364;rde &#x017F;ie &#x017F;chmerzen, deines Anblicks &#x017F;o zu<lb/>
verfehlen.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ODO">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Odoardo.</hi> </speaker>
            <p>Jch muß auch bey dem Grafen<lb/>
noch ein&#x017F;prechen. Kaum kann ichs erwarten, die-<lb/>
fen wu&#x0364;rdigen jungen Mann meinen Sohn zu nen-<lb/>
nen. Alles entzu&#x0364;ckt mich an ihm. Und vor allem<lb/>
der Ent&#x017F;chluß, in &#x017F;einen va&#x0364;terlichen Tha&#x0364;lern &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t zu leben.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#CLA">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Claudia.</hi> </speaker>
            <p>Das Herz bricht mir, wenn ich<lb/>
hieran gedenke. &#x2014; So ganz &#x017F;ollen wir &#x017F;ie verlie-<lb/>
ren, die&#x017F;e einzige geliebte Tochter?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ODO">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Odoardo.</hi> </speaker>
            <p>Was nenn&#x017F;t du, &#x017F;ie verlieren? Sie<lb/>
in den Armen der Liebe zu wi&#x017F;&#x017F;en? Vermenge dein<lb/>
Vergnu&#x0364;gen an ihr, nicht mit ihrem Glu&#x0364;cke. &#x2014; Du<lb/>
mo&#x0364;chte&#x017F;t meinen alten Argwohn erneuern: &#x2014; daß<lb/>
es mehr das Gera&#x0364;u&#x017F;ch und die Zer&#x017F;treuung der Welt,<lb/>
mehr die Na&#x0364;he des Hofes war, als die Nothwen-<lb/>
digkeit, un&#x017F;erer Tochter eine an&#x017F;ta&#x0364;ndige Erziehung<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 4</fw> <fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0043] Emilia Galotti. Vierter Auftritt. Odoardo und Claudia Galotti. Pirro. Odoardo. Sie bleibt mir zu lang’ aus — Claudia. Noch einen Augenblick, Odoardo! Es wuͤrde ſie ſchmerzen, deines Anblicks ſo zu verfehlen. Odoardo. Jch muß auch bey dem Grafen noch einſprechen. Kaum kann ichs erwarten, die- fen wuͤrdigen jungen Mann meinen Sohn zu nen- nen. Alles entzuͤckt mich an ihm. Und vor allem der Entſchluß, in ſeinen vaͤterlichen Thaͤlern ſich ſelbſt zu leben. Claudia. Das Herz bricht mir, wenn ich hieran gedenke. — So ganz ſollen wir ſie verlie- ren, dieſe einzige geliebte Tochter? Odoardo. Was nennſt du, ſie verlieren? Sie in den Armen der Liebe zu wiſſen? Vermenge dein Vergnuͤgen an ihr, nicht mit ihrem Gluͤcke. — Du moͤchteſt meinen alten Argwohn erneuern: — daß es mehr das Geraͤuſch und die Zerſtreuung der Welt, mehr die Naͤhe des Hofes war, als die Nothwen- digkeit, unſerer Tochter eine anſtaͤndige Erziehung zu C 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/43
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/43>, abgerufen am 26.04.2024.