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Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.

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Emilia Galotti.


Odoardo. Zieh hin! -- Nun da, Prinz!
Gefällt sie Jhnen noch? Reizt sie noch Jhre
Lüste? Noch, in diesem Blute, das wider Sie
um Rache schreyet? (nach einer Pause) Aber Sie
erwarten, wo das alles hinaus soll? Sie erwar-
ten vielleicht, daß ich den Stahl wider mich selbst
kehren werde, um meine That wie eine schaale
Tragödie zu beschließen? -- Sie irren sich. Hier!
(indem er ihm den Dolch vor die Füsse wirft.) Hier liegt
er, der blutige Zeuge meines Verbrechens! Jch
gehe und liefere mich selbst in das Gefängniß. Jch
gehe, und erwarte Sie, als Richter. -- Und
dann dort -- erwarte ich Sie vor dem Richter
unser aller!
Der Prinz. (nach einigem stillschweigen, unter
welchem er den Körper mit Entsetzen und Verzweiflung be-
trachtet, zu Marinelli)
Hier! heb' ihn auf. -- Nun?
Du bedenkst dich? -- Elender! -- (indem er ihm den
Dolch aus der Hand reißt.)
Nein, dein Blut soll mit
diesem Blute sich nicht mischen. -- Geh, dich
auf ewig zu verbergen! -- Geh! sag' ich. --
Gott! Gott! -- Jst es, zum Unglücke so man-
cher, nicht genug, daß Fürsten Menschen sind:
müssen sich auch noch Teufel in ihren Freund ver-
stollen?

Ende des Trauerspiels.



Emilia Galotti.


Odoardo. Zieh hin! — Nun da, Prinz!
Gefaͤllt ſie Jhnen noch? Reizt ſie noch Jhre
Luͤſte? Noch, in dieſem Blute, das wider Sie
um Rache ſchreyet? (nach einer Pauſe) Aber Sie
erwarten, wo das alles hinaus ſoll? Sie erwar-
ten vielleicht, daß ich den Stahl wider mich ſelbſt
kehren werde, um meine That wie eine ſchaale
Tragoͤdie zu beſchließen? — Sie irren ſich. Hier!
(indem er ihm den Dolch vor die Fuͤſſe wirft.) Hier liegt
er, der blutige Zeuge meines Verbrechens! Jch
gehe und liefere mich ſelbſt in das Gefaͤngniß. Jch
gehe, und erwarte Sie, als Richter. — Und
dann dort — erwarte ich Sie vor dem Richter
unſer aller!
Der Prinz. (nach einigem ſtillſchweigen, unter
welchem er den Koͤrper mit Entſetzen und Verzweiflung be-
trachtet, zu Marinelli)
Hier! heb’ ihn auf. — Nun?
Du bedenkſt dich? — Elender! — (indem er ihm den
Dolch aus der Hand reißt.)
Nein, dein Blut ſoll mit
dieſem Blute ſich nicht miſchen. — Geh, dich
auf ewig zu verbergen! — Geh! ſag’ ich. —
Gott! Gott! — Jſt es, zum Ungluͤcke ſo man-
cher, nicht genug, daß Fuͤrſten Menſchen ſind:
muͤſſen ſich auch noch Teufel in ihren Freund ver-
ſtollen?

Ende des Trauerſpiels.



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[152/0156] Emilia Galotti. Odoardo. Zieh hin! — Nun da, Prinz! Gefaͤllt ſie Jhnen noch? Reizt ſie noch Jhre Luͤſte? Noch, in dieſem Blute, das wider Sie um Rache ſchreyet? (nach einer Pauſe) Aber Sie erwarten, wo das alles hinaus ſoll? Sie erwar- ten vielleicht, daß ich den Stahl wider mich ſelbſt kehren werde, um meine That wie eine ſchaale Tragoͤdie zu beſchließen? — Sie irren ſich. Hier! (indem er ihm den Dolch vor die Fuͤſſe wirft.) Hier liegt er, der blutige Zeuge meines Verbrechens! Jch gehe und liefere mich ſelbſt in das Gefaͤngniß. Jch gehe, und erwarte Sie, als Richter. — Und dann dort — erwarte ich Sie vor dem Richter unſer aller! Der Prinz. (nach einigem ſtillſchweigen, unter welchem er den Koͤrper mit Entſetzen und Verzweiflung be- trachtet, zu Marinelli) Hier! heb’ ihn auf. — Nun? Du bedenkſt dich? — Elender! — (indem er ihm den Dolch aus der Hand reißt.) Nein, dein Blut ſoll mit dieſem Blute ſich nicht miſchen. — Geh, dich auf ewig zu verbergen! — Geh! ſag’ ich. — Gott! Gott! — Jſt es, zum Ungluͤcke ſo man- cher, nicht genug, daß Fuͤrſten Menſchen ſind: muͤſſen ſich auch noch Teufel in ihren Freund ver- ſtollen? Ende des Trauerſpiels.

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/156>, abgerufen am 27.11.2024.