haben. Anstatt von einer Critik zu beweisen, daß sie falsch ist, beweisen sie, daß sie zu strenge ist; und glauben verthan zu haben! Anstatt ein Raisonnement zu widerlegen, merken sie an, daß Erfinden schwerer ist, als Raisonniren; und glauben widerlegt zu haben!
Wer richtig raisonnirt, erfindet auch: und wer erfinden will, muß raisonniren können. Nur die glauben, daß sich das eine von dem andern trennen lasse, die zu keinem von beiden aufgelegt sind.
Doch was halte ich mich mit diesen Schwätzern auf? Jch will meinen Gang gehen, und mich unbekümmert lassen, was die Grillen am Wege schwirren. Auch ein Schritt aus dem Wege, um sie zu zertreten, ist schon zu viel. Jhr Som- mer ist so leicht abgewartet!
Also, ohne weitere Einleitung, zu den An- merkungen, die ich bey Gelegenheit der ersten Vorstellung der Brüder des Hrn. Romanus, (*) annoch über dieses Stück versprach! -- Die vornehmsten derselben werden die Veränderun- gen betreffen, die er in der Fabel des Terenz machen zu müssen geglaubet, um sie unsern Sit- ten näher zu bringen.
Was soll man überhaupt von der Nothwen- digkeit dieser Veränderungen sagen? Wenn wir so wenig Anstoß finden, römische oder griechische
Sitten
(*) Drey und siebzigstes Stück. S. 161.
haben. Anſtatt von einer Critik zu beweiſen, daß ſie falſch iſt, beweiſen ſie, daß ſie zu ſtrenge iſt; und glauben verthan zu haben! Anſtatt ein Raiſonnement zu widerlegen, merken ſie an, daß Erfinden ſchwerer iſt, als Raiſonniren; und glauben widerlegt zu haben!
Wer richtig raiſonnirt, erfindet auch: und wer erfinden will, muß raiſonniren können. Nur die glauben, daß ſich das eine von dem andern trennen laſſe, die zu keinem von beiden aufgelegt ſind.
Doch was halte ich mich mit dieſen Schwätzern auf? Jch will meinen Gang gehen, und mich unbekümmert laſſen, was die Grillen am Wege ſchwirren. Auch ein Schritt aus dem Wege, um ſie zu zertreten, iſt ſchon zu viel. Jhr Som- mer iſt ſo leicht abgewartet!
Alſo, ohne weitere Einleitung, zu den An- merkungen, die ich bey Gelegenheit der erſten Vorſtellung der Brüder des Hrn. Romanus, (*) annoch über dieſes Stück verſprach! — Die vornehmſten derſelben werden die Veränderun- gen betreffen, die er in der Fabel des Terenz machen zu müſſen geglaubet, um ſie unſern Sit- ten näher zu bringen.
Was ſoll man überhaupt von der Nothwen- digkeit dieſer Veränderungen ſagen? Wenn wir ſo wenig Anſtoß finden, römiſche oder griechiſche
Sitten
(*) Drey und ſiebzigſtes Stück. S. 161.
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haben. Anſtatt von einer Critik zu beweiſen,
daß ſie falſch iſt, beweiſen ſie, daß ſie zu ſtrenge
iſt; und glauben verthan zu haben! Anſtatt
ein Raiſonnement zu widerlegen, merken ſie an,
daß Erfinden ſchwerer iſt, als Raiſonniren;
und glauben widerlegt zu haben!
Wer richtig raiſonnirt, erfindet auch: und
wer erfinden will, muß raiſonniren können.
Nur die glauben, daß ſich das eine von dem
andern trennen laſſe, die zu keinem von beiden
aufgelegt ſind.
Doch was halte ich mich mit dieſen Schwätzern
auf? Jch will meinen Gang gehen, und mich
unbekümmert laſſen, was die Grillen am Wege
ſchwirren. Auch ein Schritt aus dem Wege,
um ſie zu zertreten, iſt ſchon zu viel. Jhr Som-
mer iſt ſo leicht abgewartet!
Alſo, ohne weitere Einleitung, zu den An-
merkungen, die ich bey Gelegenheit der erſten
Vorſtellung der Brüder des Hrn. Romanus, (*)
annoch über dieſes Stück verſprach! — Die
vornehmſten derſelben werden die Veränderun-
gen betreffen, die er in der Fabel des Terenz
machen zu müſſen geglaubet, um ſie unſern Sit-
ten näher zu bringen.
Was ſoll man überhaupt von der Nothwen-
digkeit dieſer Veränderungen ſagen? Wenn wir
ſo wenig Anſtoß finden, römiſche oder griechiſche
Sitten
(*) Drey und ſiebzigſtes Stück. S. 161.
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/357>, abgerufen am 22.11.2024.
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