Blanca und der Herzog kommen an ihrer Statt, die Bühne zu füllen. Blanca hat dem Herzoge es frey gestanden, auf welchem Fuße sie mit dem Grafen stehe; daß er nothwendig ihr Gemahl werden müsse, oder ihre Ehre sey verlohren. Der Herzog faßt den Entschluß, den er wohl fassen muß; er will sich seiner Liebe entschlagen: und ihr Vertrauen zu vergelten, verspricht er sogar, sich bey der Königinn ihrer anzunehmen, wenn sie ihr die Verbindlichkeit, die der Graf gegen sie habe, entdecken wolle.
Die Königinn kömmt bald, in tiefen Gedan- ken, wieder zurück. Sie ist mit sich selbst im Streit, ob der Graf auch wohl so schuldig sey, als er scheine. Vielleicht, daß es eine andere Schärpe war, die der ihrigen nur so ähnlich ist. -- Der Herzog tritt sie an. Er sagt, er komme, sie um eine Gnade zu bitten, um welche sie auch zugleich Blanca bitte. Blanca werde sich näher darüber erklären; er wolle sie zusam- men allein lassen: und so läßt er sie.
Die Königinn wird neugierig, und Blanca verwirrt. Endlich entschließt sich Blanca, zu reden. Sie will nicht länger von dem verän- derlichen Willen eines Mannes abhangen; sie will es seiner Rechtschaffenheit nicht länger an- heim stellen, was sie durch Gewalt erhalten
kann.
Blanca und der Herzog kommen an ihrer Statt, die Bühne zu füllen. Blanca hat dem Herzoge es frey geſtanden, auf welchem Fuße ſie mit dem Grafen ſtehe; daß er nothwendig ihr Gemahl werden müſſe, oder ihre Ehre ſey verlohren. Der Herzog faßt den Entſchluß, den er wohl faſſen muß; er will ſich ſeiner Liebe entſchlagen: und ihr Vertrauen zu vergelten, verſpricht er ſogar, ſich bey der Königinn ihrer anzunehmen, wenn ſie ihr die Verbindlichkeit, die der Graf gegen ſie habe, entdecken wolle.
Die Königinn kömmt bald, in tiefen Gedan- ken, wieder zurück. Sie iſt mit ſich ſelbſt im Streit, ob der Graf auch wohl ſo ſchuldig ſey, als er ſcheine. Vielleicht, daß es eine andere Schärpe war, die der ihrigen nur ſo ähnlich iſt. — Der Herzog tritt ſie an. Er ſagt, er komme, ſie um eine Gnade zu bitten, um welche ſie auch zugleich Blanca bitte. Blanca werde ſich näher darüber erklären; er wolle ſie zuſam- men allein laſſen: und ſo läßt er ſie.
Die Königinn wird neugierig, und Blanca verwirrt. Endlich entſchließt ſich Blanca, zu reden. Sie will nicht länger von dem verän- derlichen Willen eines Mannes abhangen; ſie will es ſeiner Rechtſchaffenheit nicht länger an- heim ſtellen, was ſie durch Gewalt erhalten
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Blanca und der Herzog kommen an ihrer
Statt, die Bühne zu füllen. Blanca hat dem
Herzoge es frey geſtanden, auf welchem Fuße
ſie mit dem Grafen ſtehe; daß er nothwendig
ihr Gemahl werden müſſe, oder ihre Ehre ſey
verlohren. Der Herzog faßt den Entſchluß,
den er wohl faſſen muß; er will ſich ſeiner Liebe
entſchlagen: und ihr Vertrauen zu vergelten,
verſpricht er ſogar, ſich bey der Königinn ihrer
anzunehmen, wenn ſie ihr die Verbindlichkeit,
die der Graf gegen ſie habe, entdecken wolle.
Die Königinn kömmt bald, in tiefen Gedan-
ken, wieder zurück. Sie iſt mit ſich ſelbſt im
Streit, ob der Graf auch wohl ſo ſchuldig ſey,
als er ſcheine. Vielleicht, daß es eine andere
Schärpe war, die der ihrigen nur ſo ähnlich
iſt. — Der Herzog tritt ſie an. Er ſagt, er
komme, ſie um eine Gnade zu bitten, um welche
ſie auch zugleich Blanca bitte. Blanca werde
ſich näher darüber erklären; er wolle ſie zuſam-
men allein laſſen: und ſo läßt er ſie.
Die Königinn wird neugierig, und Blanca
verwirrt. Endlich entſchließt ſich Blanca, zu
reden. Sie will nicht länger von dem verän-
derlichen Willen eines Mannes abhangen; ſie
will es ſeiner Rechtſchaffenheit nicht länger an-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/101>, abgerufen am 23.11.2024.
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