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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

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Läßt den, der sie vertritt, in Schimpf und Banden
schmachten,
Und das blutschuld'ge Beil der Themis Unschuld
schlachten!

Wenn der, den kein Gesetz straft, oder strafen kann,
Der schlaue Bösewicht, der blutige Tyrann,
Wenn der die Unschuld drückt, wer wagt es, sie zu
decken?
Den sichert tiefe List, und diesen wafnet Schrecken.
Wer ist ihr Genius, der sich entgegen legt? --
Wer? Sie, die itzt den Dolch, und itzt die Geissel
trägt,
Die unerschrokne Kunst, die allen Mißgestalten
Strafloser Thorheit wagt den Spiegel vorzuhalten;
Die das Geweb' enthüllt, worin sich List verspinnt,
Und den Tyrannen sagt, daß sie Tyrannen sind;
Die, ohne Menschenfurcht, vor Thronen nicht er-
blödet,
Und mit des Donners Stimm' ans Herz der Fürsten
redet;
Gekrönte Mörder schreckt, den Ehrgeitz nüchtern
macht,
Den Heuchler züchtiget, und Thoren klüger lacht;
Sie, die zum Unterricht die Todten läßt erscheinen,
Die große Kunst, mit der wir lachen, oder weinen.

Sie fand in Griechenland Schutz, Lieb', und
Lehrbegier;
In Rom, in Gallien, in Albion, und -- hier.

Ihr,

Laͤßt den, der ſie vertritt, in Schimpf und Banden
ſchmachten,
Und das blutſchuld’ge Beil der Themis Unſchuld
ſchlachten!

Wenn der, den kein Geſetz ſtraft, oder ſtrafen kann,
Der ſchlaue Boͤſewicht, der blutige Tyrann,
Wenn der die Unſchuld druͤckt, wer wagt es, ſie zu
decken?
Den ſichert tiefe Liſt, und dieſen wafnet Schrecken.
Wer iſt ihr Genius, der ſich entgegen legt? —
Wer? Sie, die itzt den Dolch, und itzt die Geiſſel
traͤgt,
Die unerſchrokne Kunſt, die allen Mißgeſtalten
Strafloſer Thorheit wagt den Spiegel vorzuhalten;
Die das Geweb’ enthuͤllt, worin ſich Liſt verſpinnt,
Und den Tyrannen ſagt, daß ſie Tyrannen ſind;
Die, ohne Menſchenfurcht, vor Thronen nicht er-
bloͤdet,
Und mit des Donners Stimm’ ans Herz der Fuͤrſten
redet;
Gekroͤnte Moͤrder ſchreckt, den Ehrgeitz nuͤchtern
macht,
Den Heuchler zuͤchtiget, und Thoren kluͤger lacht;
Sie, die zum Unterricht die Todten laͤßt erſcheinen,
Die große Kunſt, mit der wir lachen, oder weinen.

Sie fand in Griechenland Schutz, Lieb’, und
Lehrbegier;
In Rom, in Gallien, in Albion, und — hier.

Ihr,
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[44/0058] Laͤßt den, der ſie vertritt, in Schimpf und Banden ſchmachten, Und das blutſchuld’ge Beil der Themis Unſchuld ſchlachten! Wenn der, den kein Geſetz ſtraft, oder ſtrafen kann, Der ſchlaue Boͤſewicht, der blutige Tyrann, Wenn der die Unſchuld druͤckt, wer wagt es, ſie zu decken? Den ſichert tiefe Liſt, und dieſen wafnet Schrecken. Wer iſt ihr Genius, der ſich entgegen legt? — Wer? Sie, die itzt den Dolch, und itzt die Geiſſel traͤgt, Die unerſchrokne Kunſt, die allen Mißgeſtalten Strafloſer Thorheit wagt den Spiegel vorzuhalten; Die das Geweb’ enthuͤllt, worin ſich Liſt verſpinnt, Und den Tyrannen ſagt, daß ſie Tyrannen ſind; Die, ohne Menſchenfurcht, vor Thronen nicht er- bloͤdet, Und mit des Donners Stimm’ ans Herz der Fuͤrſten redet; Gekroͤnte Moͤrder ſchreckt, den Ehrgeitz nuͤchtern macht, Den Heuchler zuͤchtiget, und Thoren kluͤger lacht; Sie, die zum Unterricht die Todten laͤßt erſcheinen, Die große Kunſt, mit der wir lachen, oder weinen. Sie fand in Griechenland Schutz, Lieb’, und Lehrbegier; In Rom, in Gallien, in Albion, und — hier. Ihr,

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/58>, abgerufen am 28.11.2024.