auch in den heftigsten Leidenschaften verbindet, in Ansehung des Beyfalles, nicht allzuwohl be- finden dürften. -- Aber welches Beyfalles? -- Die Gallerie ist freylich ein großer Liebhaber des Lermenden und Tobenden, und selten wird sie ermangeln, eine gute Lunge mit lauten Händen zu erwiedern. Auch das deutsche Parterr ist noch ziemlich von diesem Geschmacke, und es giebt Akteurs, die schlau genug von diesem Ge- schmacke Vortheil zu ziehen wissen. Der Schläf- rigste raft sich, gegen das Ende der Scene, wenn er abgehen soll, zusammen, erhebet auf einmal die Stimme, und überladet die Aktion, ohne zu überlegen, ob der Sinn seiner Rede diese höhere Anstrengung auch erfodere. Nicht selten widerspricht sie sogar der Verfassung, mit der er abgehen soll; aber was thut das ihm? Genug, daß er das Parterr dadurch erinnert hat, aufmerksam auf ihn zu seyn, und wenn es die Güte haben will, ihm nachzuklatschen. Nach- zischen sollte es ihm! Doch leider ist es theils nicht Kenner genug, theils zu gutherzig, und nimmt die Begierde, ihm gefallen zu wollen, für die That.
Ich getraue mich nicht, von der Aktion der übrigen Schauspieler in diesem Stücke etwas zu sagen. Wenn sie nur immer bemüht seyn müs- sen, Fehler zu bemänteln, und das Mittel- mäßige geltend zu machen: so kann auch der
Beste
auch in den heftigſten Leidenſchaften verbindet, in Anſehung des Beyfalles, nicht allzuwohl be- finden duͤrften. — Aber welches Beyfalles? — Die Gallerie iſt freylich ein großer Liebhaber des Lermenden und Tobenden, und ſelten wird ſie ermangeln, eine gute Lunge mit lauten Haͤnden zu erwiedern. Auch das deutſche Parterr iſt noch ziemlich von dieſem Geſchmacke, und es giebt Akteurs, die ſchlau genug von dieſem Ge- ſchmacke Vortheil zu ziehen wiſſen. Der Schlaͤf- rigſte raft ſich, gegen das Ende der Scene, wenn er abgehen ſoll, zuſammen, erhebet auf einmal die Stimme, und uͤberladet die Aktion, ohne zu uͤberlegen, ob der Sinn ſeiner Rede dieſe hoͤhere Anſtrengung auch erfodere. Nicht ſelten widerſpricht ſie ſogar der Verfaſſung, mit der er abgehen ſoll; aber was thut das ihm? Genug, daß er das Parterr dadurch erinnert hat, aufmerkſam auf ihn zu ſeyn, und wenn es die Guͤte haben will, ihm nachzuklatſchen. Nach- ziſchen ſollte es ihm! Doch leider iſt es theils nicht Kenner genug, theils zu gutherzig, und nimmt die Begierde, ihm gefallen zu wollen, fuͤr die That.
Ich getraue mich nicht, von der Aktion der uͤbrigen Schauſpieler in dieſem Stuͤcke etwas zu ſagen. Wenn ſie nur immer bemuͤht ſeyn muͤſ- ſen, Fehler zu bemaͤnteln, und das Mittel- maͤßige geltend zu machen: ſo kann auch der
Beſte
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auch in den heftigſten Leidenſchaften verbindet,
in Anſehung des Beyfalles, nicht allzuwohl be-
finden duͤrften. — Aber welches Beyfalles? —
Die Gallerie iſt freylich ein großer Liebhaber des
Lermenden und Tobenden, und ſelten wird ſie
ermangeln, eine gute Lunge mit lauten Haͤnden
zu erwiedern. Auch das deutſche Parterr iſt
noch ziemlich von dieſem Geſchmacke, und es
giebt Akteurs, die ſchlau genug von dieſem Ge-
ſchmacke Vortheil zu ziehen wiſſen. Der Schlaͤf-
rigſte raft ſich, gegen das Ende der Scene,
wenn er abgehen ſoll, zuſammen, erhebet auf
einmal die Stimme, und uͤberladet die Aktion,
ohne zu uͤberlegen, ob der Sinn ſeiner Rede
dieſe hoͤhere Anſtrengung auch erfodere. Nicht
ſelten widerſpricht ſie ſogar der Verfaſſung, mit
der er abgehen ſoll; aber was thut das ihm?
Genug, daß er das Parterr dadurch erinnert
hat, aufmerkſam auf ihn zu ſeyn, und wenn es
die Guͤte haben will, ihm nachzuklatſchen. Nach-
ziſchen ſollte es ihm! Doch leider iſt es theils
nicht Kenner genug, theils zu gutherzig, und
nimmt die Begierde, ihm gefallen zu wollen,
fuͤr die That.
Ich getraue mich nicht, von der Aktion der
uͤbrigen Schauſpieler in dieſem Stuͤcke etwas zu
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ſen, Fehler zu bemaͤnteln, und das Mittel-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/53>, abgerufen am 24.11.2024.
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