[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].französischen Kunstrichter überhaupt; die muß Vol- (*) Dieses war, zum Theil, schon das Urtheil
unsers Schlegels. "Die Wahrheit zu geste-sagt er in seinen Gedanken zur Aufnah- me des dänischen Theaters, "beobachten die "an- franzoͤſiſchen Kunſtrichter uͤberhaupt; die muß Vol- (*) Dieſes war, zum Theil, ſchon das Urtheil
unſers Schlegels. 〟Die Wahrheit zu geſte-ſagt er in ſeinen Gedanken zur Aufnah- me des daͤniſchen Theaters, 〟beobachten die 〟an- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0362" n="348"/> franzoͤſiſchen Kunſtrichter uͤberhaupt; die muß<lb/> ich ihm ſchon laſſen, wenn ich nicht ganz von<lb/> vorne mit ihm anfangen will. So weſentlich<lb/> oder unweſentlich ſie aber auch ſeyn moͤgen; wol-<lb/> len wir es Lindellen auf ſein Wort glauben, daß<lb/> ſie bey den Dichtern ſeines Volks ſo ſelten ſind?<lb/> Es iſt wahr, ſie ſind es, die ſich der groͤßten<lb/> Regelmaͤßigkeit ruͤhmen; aber ſie ſind es auch,<lb/> die entweder dieſen Regeln eine ſolche Ausdeh-<lb/> nung geben, daß es ſich kaum mehr der Muͤhe<lb/> verlohnet, ſie als Regeln vorzutragen, oder ſie<lb/> auf eine ſolche linke und gezwungene Art beobach-<lb/> ten, daß es weit mehr beleidiget, ſie ſo beobach-<lb/> tet zu ſehen, als gar nicht. <note xml:id="seg2pn_7_1" next="#seg2pn_7_2" place="foot" n="(*)">Dieſes war, zum Theil, ſchon das Urtheil<lb/> unſers Schlegels. <cit><quote>〟Die Wahrheit zu geſte-<lb/> 〟hen,</quote></cit> ſagt er in ſeinen Gedanken zur Aufnah-<lb/> me des daͤniſchen Theaters, <cit><quote>〟beobachten die<lb/> 〟Englaͤnder, die ſich keiner Einheit des Ortes<lb/> 〟ruͤhmen, dieſelbe großentheils viel beſſer,<lb/> 〟als die Franzoſen, die ſich damit viel wiſſen,<lb/> 〟daß ſie die Regeln des Ariſtoteles ſo genau<lb/> 〟beobachten. Darauf koͤmmt gerade am al-<lb/> 〟lerwenigſten an, daß das Gemaͤhlde der Sce-<lb/> 〟nen nicht veraͤndert wird. Aber wenn keine<lb/> 〟Urſache vorhanden iſt, warum die auftreten-<lb/> 〟den Perſonen ſich an dem angezeigten Orte<lb/> 〟befinden, und nicht vielmehr an demjenigen<lb/> 〟geblieben ſind, wo ſie vorhin waren; wenn<lb/> 〟eine Perſon ſich als Herr und Bewohner eben<lb/> 〟des Zimmers auffuͤhrt, wo kurz vorher eine</quote></cit><lb/> <fw place="bottom" type="catch">〟an-</fw></note> Beſonders iſt<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Vol-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [348/0362]
franzoͤſiſchen Kunſtrichter uͤberhaupt; die muß
ich ihm ſchon laſſen, wenn ich nicht ganz von
vorne mit ihm anfangen will. So weſentlich
oder unweſentlich ſie aber auch ſeyn moͤgen; wol-
len wir es Lindellen auf ſein Wort glauben, daß
ſie bey den Dichtern ſeines Volks ſo ſelten ſind?
Es iſt wahr, ſie ſind es, die ſich der groͤßten
Regelmaͤßigkeit ruͤhmen; aber ſie ſind es auch,
die entweder dieſen Regeln eine ſolche Ausdeh-
nung geben, daß es ſich kaum mehr der Muͤhe
verlohnet, ſie als Regeln vorzutragen, oder ſie
auf eine ſolche linke und gezwungene Art beobach-
ten, daß es weit mehr beleidiget, ſie ſo beobach-
tet zu ſehen, als gar nicht. (*) Beſonders iſt
Vol-
(*) Dieſes war, zum Theil, ſchon das Urtheil
unſers Schlegels. 〟Die Wahrheit zu geſte-
〟hen, ſagt er in ſeinen Gedanken zur Aufnah-
me des daͤniſchen Theaters, 〟beobachten die
〟Englaͤnder, die ſich keiner Einheit des Ortes
〟ruͤhmen, dieſelbe großentheils viel beſſer,
〟als die Franzoſen, die ſich damit viel wiſſen,
〟daß ſie die Regeln des Ariſtoteles ſo genau
〟beobachten. Darauf koͤmmt gerade am al-
〟lerwenigſten an, daß das Gemaͤhlde der Sce-
〟nen nicht veraͤndert wird. Aber wenn keine
〟Urſache vorhanden iſt, warum die auftreten-
〟den Perſonen ſich an dem angezeigten Orte
〟befinden, und nicht vielmehr an demjenigen
〟geblieben ſind, wo ſie vorhin waren; wenn
〟eine Perſon ſich als Herr und Bewohner eben
〟des Zimmers auffuͤhrt, wo kurz vorher eine
〟an-
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