Und wodurch bewirkt dieser Schauspieler, (Hr. Eckhof) daß wir auch die gemeinste Moral so gern von ihm hören? Was ist es eigentlich, was ein anderer von ihm zu lernen hat, wenn wir ihn in solchem Falle eben so un- terhaltend finden sollen?
Alle Moral muß aus der Fülle des Herzens kommen, von der der Mund übergehet; man muß eben so wenig lange darauf zu denken, als damit zu prahlen scheinen.
Es verstehet sich also von selbst, daß die mo- ralischen Stellen vorzüglich wohl gelernet seyn wollen. Sie müssen ohne Stocken, ohne den geringsten Anstoß, in einem ununterbrochenen Flusse der Worte, mit einer Leichtigkeit gespro- chen werden, daß sie keine mühsame Auskrah- mungen des Gedächtnisses, sondern unmittelbare
Ein-
C
Hamburgiſche Dramaturgie. Drittes Stuͤck.
Den 8ten May, 1767.
Und wodurch bewirkt dieſer Schauſpieler, (Hr. Eckhof) daß wir auch die gemeinſte Moral ſo gern von ihm hoͤren? Was iſt es eigentlich, was ein anderer von ihm zu lernen hat, wenn wir ihn in ſolchem Falle eben ſo un- terhaltend finden ſollen?
Alle Moral muß aus der Fuͤlle des Herzens kommen, von der der Mund uͤbergehet; man muß eben ſo wenig lange darauf zu denken, als damit zu prahlen ſcheinen.
Es verſtehet ſich alſo von ſelbſt, daß die mo- raliſchen Stellen vorzuͤglich wohl gelernet ſeyn wollen. Sie muͤſſen ohne Stocken, ohne den geringſten Anſtoß, in einem ununterbrochenen Fluſſe der Worte, mit einer Leichtigkeit geſpro- chen werden, daß ſie keine muͤhſame Auskrah- mungen des Gedaͤchtniſſes, ſondern unmittelbare
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[[17]/0031]
Hamburgiſche
Dramaturgie.
Drittes Stuͤck.
Den 8ten May, 1767.
Und wodurch bewirkt dieſer Schauſpieler,
(Hr. Eckhof) daß wir auch die gemeinſte
Moral ſo gern von ihm hoͤren? Was iſt
es eigentlich, was ein anderer von ihm zu lernen
hat, wenn wir ihn in ſolchem Falle eben ſo un-
terhaltend finden ſollen?
Alle Moral muß aus der Fuͤlle des Herzens
kommen, von der der Mund uͤbergehet; man
muß eben ſo wenig lange darauf zu denken, als
damit zu prahlen ſcheinen.
Es verſtehet ſich alſo von ſelbſt, daß die mo-
raliſchen Stellen vorzuͤglich wohl gelernet ſeyn
wollen. Sie muͤſſen ohne Stocken, ohne den
geringſten Anſtoß, in einem ununterbrochenen
Fluſſe der Worte, mit einer Leichtigkeit geſpro-
chen werden, daß ſie keine muͤhſame Auskrah-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. [17]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/31>, abgerufen am 21.11.2024.
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