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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

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Es ist doch sonderbar, wie weit sich hier der
deutsche Geschmack von dem welschen entfernet!
Dem Welschen ist Voltaire zu kurz; uns Deut-
schen ist er zu lang. Kaum hat Orosmann ge-
sagt "verehret und gerochen;" kaum hat er sich
den tödtlichen Stoß beygebracht, so lassen wir
den Vorhang niederfallen. Ist es denn aber
auch wahr, daß der deutsche Geschmack dieses so
haben will? Wir machen dergleichen Verkür-
zung mit mehrern Stücken: aber warum machen
wir sie? Wollen wir denn im Ernst, daß sich
ein Trauerspiel wie ein Epigramm schliessen soll?

Im-
Che basti ad appagarti, anima bella.
Feroce cor, cor dispietato, e misero,
Paga la pena del delitto orrendo.
Mani ciudeli -- oh Dio -- Mani, che siete
Tinte del sangue di si cara donna,
Voi -- voi -- dov' e quel ferro? Un' altra
volta
In mezzo al petto -- Oime, dov' e quel
ferro?
In acuta punta -- --
Tenebre, e notte
Si fanno intorno -- --
Perche non posso -- --
Non posso spargere
Il sangue tutto?
Si, si, lo spargo tutto, anima mia,
Dove sei? -- piu non posso -- oh Dio! non
posso --
Vorrei -- vederti -- io manco, io manco,
oh Dio!

Es iſt doch ſonderbar, wie weit ſich hier der
deutſche Geſchmack von dem welſchen entfernet!
Dem Welſchen iſt Voltaire zu kurz; uns Deut-
ſchen iſt er zu lang. Kaum hat Orosmann ge-
ſagt „verehret und gerochen;„ kaum hat er ſich
den toͤdtlichen Stoß beygebracht, ſo laſſen wir
den Vorhang niederfallen. Iſt es denn aber
auch wahr, daß der deutſche Geſchmack dieſes ſo
haben will? Wir machen dergleichen Verkuͤr-
zung mit mehrern Stuͤcken: aber warum machen
wir ſie? Wollen wir denn im Ernſt, daß ſich
ein Trauerſpiel wie ein Epigramm ſchlieſſen ſoll?

Im-
Che baſti ad appagarti, anima bella.
Feroce cor, cor diſpietato, e miſero,
Paga la pena del delitto orrendo.
Mani ciudeli — oh Dio — Mani, che ſiete
Tinte del ſangue di ſì cara donna,
Voi — voi — dov’ è quel ferro? Un’ altra
volta
In mezzo al petto — Oimè, dov’ è quel
ferro?
In acuta punta — —
Tenebre, e notte
Si fanno intorno — —
Perchè non poſſo — —
Non poſſo ſpargere
Il ſangue tutto?
Sì, ſì, lo ſpargo tutto, anima mia,
Dove ſei? — piu non poſſo — oh Dio! non
poſſo —
Vorrei — vederti — io manco, io manco,
oh Dio!
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[124/0138] Es iſt doch ſonderbar, wie weit ſich hier der deutſche Geſchmack von dem welſchen entfernet! Dem Welſchen iſt Voltaire zu kurz; uns Deut- ſchen iſt er zu lang. Kaum hat Orosmann ge- ſagt „verehret und gerochen;„ kaum hat er ſich den toͤdtlichen Stoß beygebracht, ſo laſſen wir den Vorhang niederfallen. Iſt es denn aber auch wahr, daß der deutſche Geſchmack dieſes ſo haben will? Wir machen dergleichen Verkuͤr- zung mit mehrern Stuͤcken: aber warum machen wir ſie? Wollen wir denn im Ernſt, daß ſich ein Trauerſpiel wie ein Epigramm ſchlieſſen ſoll? Im- (*) (*) Che baſti ad appagarti, anima bella. Feroce cor, cor diſpietato, e miſero, Paga la pena del delitto orrendo. Mani ciudeli — oh Dio — Mani, che ſiete Tinte del ſangue di ſì cara donna, Voi — voi — dov’ è quel ferro? Un’ altra volta In mezzo al petto — Oimè, dov’ è quel ferro? In acuta punta — — Tenebre, e notte Si fanno intorno — — Perchè non poſſo — — Non poſſo ſpargere Il ſangue tutto? Sì, ſì, lo ſpargo tutto, anima mia, Dove ſei? — piu non poſſo — oh Dio! non poſſo — Vorrei — vederti — io manco, io manco, oh Dio!

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/138>, abgerufen am 15.05.2024.