darinn, dessen sich Moliere nicht hätte schämen dürfen. Aber der fünfte Akt und die ganze Auf- lösung hätte weit besser seyn können; der alte Sklave, dessen in den vorhergehenden Akten ge- dacht wird, kömmt nicht zum Vorscheine; das Stück schließt mit einer kalten Erzehlung, nach- dem wir auf eine theatralische Handlung vorbe- reitet worden. Sonst ist es in der Geschichte des französischen Theaters deswegen mit merk- würdig, weil der lächerliche Marquis darinn der erste von seiner Art ist. Die coquette Mutter ist auch sein eigentlichster Titel nicht, und Quinault hätte es immer bey dem zweyten, die veruneinigten Verliebten, können bewenden lassen.
Der Advocat Patelin ist eigentlich ein altes Possenspiel aus dem funfzehnten Jahrhunderte, das zu seiner Zeit ausserordentlichen Beyfall fand. Es verdiente ihn auch, wegen der ungemeinen Lustigkeit, und des guten Komischen, das aus der Handlung selbst und aus der Situation der Personen entspringet, und nicht auf bloßen Ein- fällen beruhet. Bruegs gab ihm eine neue Sprache und brachte es in die Form, in welcher es gegenwärtig aufgeführet wird. Hr. Eckhof spielt den Patelin ganz vortrefflich.
Den funfzehnten Abend (Dienstags, den 12ten May,) ward Leßings Freygeist vorge- stellt.
Man
darinn, deſſen ſich Moliere nicht haͤtte ſchaͤmen duͤrfen. Aber der fuͤnfte Akt und die ganze Auf- loͤſung haͤtte weit beſſer ſeyn koͤnnen; der alte Sklave, deſſen in den vorhergehenden Akten ge- dacht wird, koͤmmt nicht zum Vorſcheine; das Stuͤck ſchließt mit einer kalten Erzehlung, nach- dem wir auf eine theatraliſche Handlung vorbe- reitet worden. Sonſt iſt es in der Geſchichte des franzoͤſiſchen Theaters deswegen mit merk- wuͤrdig, weil der laͤcherliche Marquis darinn der erſte von ſeiner Art iſt. Die coquette Mutter iſt auch ſein eigentlichſter Titel nicht, und Quinault haͤtte es immer bey dem zweyten, die veruneinigten Verliebten, koͤnnen bewenden laſſen.
Der Advocat Patelin iſt eigentlich ein altes Poſſenſpiel aus dem funfzehnten Jahrhunderte, das zu ſeiner Zeit auſſerordentlichen Beyfall fand. Es verdiente ihn auch, wegen der ungemeinen Luſtigkeit, und des guten Komiſchen, das aus der Handlung ſelbſt und aus der Situation der Perſonen entſpringet, und nicht auf bloßen Ein- faͤllen beruhet. Bruegs gab ihm eine neue Sprache und brachte es in die Form, in welcher es gegenwaͤrtig aufgefuͤhret wird. Hr. Eckhof ſpielt den Patelin ganz vortrefflich.
Den funfzehnten Abend (Dienſtags, den 12ten May,) ward Leßings Freygeiſt vorge- ſtellt.
Man
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0124"n="110"/>
darinn, deſſen ſich Moliere nicht haͤtte ſchaͤmen<lb/>
duͤrfen. Aber der fuͤnfte Akt und die ganze Auf-<lb/>
loͤſung haͤtte weit beſſer ſeyn koͤnnen; der alte<lb/>
Sklave, deſſen in den vorhergehenden Akten ge-<lb/>
dacht wird, koͤmmt nicht zum Vorſcheine; das<lb/>
Stuͤck ſchließt mit einer kalten Erzehlung, nach-<lb/>
dem wir auf eine theatraliſche Handlung vorbe-<lb/>
reitet worden. Sonſt iſt es in der Geſchichte<lb/>
des franzoͤſiſchen Theaters deswegen mit merk-<lb/>
wuͤrdig, weil der laͤcherliche Marquis darinn der<lb/>
erſte von ſeiner Art iſt. Die coquette Mutter<lb/>
iſt auch ſein eigentlichſter Titel nicht, und<lb/>
Quinault haͤtte es immer bey dem zweyten, die<lb/>
veruneinigten Verliebten, koͤnnen bewenden<lb/>
laſſen.</p><lb/><p>Der Advocat Patelin iſt eigentlich ein altes<lb/>
Poſſenſpiel aus dem funfzehnten Jahrhunderte,<lb/>
das zu ſeiner Zeit auſſerordentlichen Beyfall fand.<lb/>
Es verdiente ihn auch, wegen der ungemeinen<lb/>
Luſtigkeit, und des guten Komiſchen, das aus<lb/>
der Handlung ſelbſt und aus der Situation der<lb/>
Perſonen entſpringet, und nicht auf bloßen Ein-<lb/>
faͤllen beruhet. Bruegs gab ihm eine neue<lb/>
Sprache und brachte es in die Form, in welcher<lb/>
es gegenwaͤrtig aufgefuͤhret wird. Hr. Eckhof<lb/>ſpielt den Patelin ganz vortrefflich.</p><lb/><p>Den funfzehnten Abend (Dienſtags, den<lb/>
12ten May,) ward Leßings Freygeiſt vorge-<lb/>ſtellt.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Man</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[110/0124]
darinn, deſſen ſich Moliere nicht haͤtte ſchaͤmen
duͤrfen. Aber der fuͤnfte Akt und die ganze Auf-
loͤſung haͤtte weit beſſer ſeyn koͤnnen; der alte
Sklave, deſſen in den vorhergehenden Akten ge-
dacht wird, koͤmmt nicht zum Vorſcheine; das
Stuͤck ſchließt mit einer kalten Erzehlung, nach-
dem wir auf eine theatraliſche Handlung vorbe-
reitet worden. Sonſt iſt es in der Geſchichte
des franzoͤſiſchen Theaters deswegen mit merk-
wuͤrdig, weil der laͤcherliche Marquis darinn der
erſte von ſeiner Art iſt. Die coquette Mutter
iſt auch ſein eigentlichſter Titel nicht, und
Quinault haͤtte es immer bey dem zweyten, die
veruneinigten Verliebten, koͤnnen bewenden
laſſen.
Der Advocat Patelin iſt eigentlich ein altes
Poſſenſpiel aus dem funfzehnten Jahrhunderte,
das zu ſeiner Zeit auſſerordentlichen Beyfall fand.
Es verdiente ihn auch, wegen der ungemeinen
Luſtigkeit, und des guten Komiſchen, das aus
der Handlung ſelbſt und aus der Situation der
Perſonen entſpringet, und nicht auf bloßen Ein-
faͤllen beruhet. Bruegs gab ihm eine neue
Sprache und brachte es in die Form, in welcher
es gegenwaͤrtig aufgefuͤhret wird. Hr. Eckhof
ſpielt den Patelin ganz vortrefflich.
Den funfzehnten Abend (Dienſtags, den
12ten May,) ward Leßings Freygeiſt vorge-
ſtellt.
Man
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/124>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.