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Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876.

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a. Declination der Nomina.
d. h. des Dativs, in derselben Bedeutung. Der Dativ ist hier aber nach slavischer
Syntax gerade am Platze, denn er wird bei Verben der Bewegung als Ausdruck
des Zieles gebraucht, z. B. altruss. privede Volodimiru su Mstislavomu vsja bo-
jary Novgorodskyja Kyevu
(Buslajev, Ist. Gr. II, 282) (Wolodimir führte mit
dem Mstislav alle Novgorodschen Bojaren nach Kijev), und im Serbischen
bis heute ganz gewöhnlich, z. B. pa odose svaki svome dvoru, " da gingen alle
nach ihrem Hofe" (eine Menge von Beispielen Danichitsh, Srpska sintaksa p. 321).
Vergleicht man damit noch andere bei Buslajev a. a. O. gegebene Fälle, z. B.
Danilu ze vozvrativsusja ku domovi: "Als Danilo nach Hause zurückkehrte", wo
statt des sonst allein stehenden domovi die nur mit dem Dativ zu gebrauchende
Präposition ku hinzugefügt ist, und nimmt dazu, dass domovi domov' in den
ältesten Quellen des Altbulgarischen gar nicht vorkommt, so kann es wohl nicht
zweifelhaft sein, dass domovi, domov', aus dem Dativ domovi, domovi, erst
entstanden ist durch die in der Weiterentwicklung der slavischen Sprachen
häufige Schwächung eines auslautenden i, i zu i, ', das sich dann natürlich
nur als j oder Erweichung äussert oder ganz abfällt.

Bei den u-stämmen steht uns im Slavischen nach den obigen Bemerkungen
ein altererbter Unterschied zwischen Locativ- und Dativform fest. Völlig im
Gegensatze dazu stehen die i-stämme und die fem. a-stämme: bei beiden haben
wir nur die gleiche Form für loc. und dat. seit ältester Zeit überliefert. Bei den
letztgenannten erklärt sich diese Gleicheit durch lautliches Zusammenfallen ohne
weiteres: Bildungen wie dat. * gana + ai daraus *ganai und loc. *gana + i,
daraus *ganai, mussten nothwendig im Slavischen in zene zusammenfallen. Viel-
leicht möchte sich jemand, um den doch festgehaltenen Unterschied zu beweisen,
auf die Accentuation des Serbischen berufen, wo bei überhaupt möglichem Accent-
wechsel der loc. verschieden vom dat. betont wird, z. B. dat. glavi, loc. glavi,
dat. vodi, loc. vodi, allein einmal fehlt dieser Unterschied im Russischen und
dann ist vor allem zu bedenken, dass der Loc. nicht ohne Präposition vorkommt,
diese aber im Serbischen einen bestimmten Einfluss auf die Betonungsweise des
abhängigen Casus hat.

Mit dem slavischen Dativ glave deckt sich völlig das lit. galvai, eigentlich
galvai, die Länge ist aber im Litauischen in solchem Falle nie mehr zu erkennen,
da das lange a in Diphthongen nicht der Wandlung zu o unterliegt. Der loc.
glave dagegen weicht von galvo-je ab; es sind eben zwei Suffixe gebräuchlich
gewesen, einfaches -i und -ja, von dem oben die Rede war. Der Unterschied
zwischen loc. und dat., wie er im Litauischen ja noch erhalten, ist auch hier
jedenfalls ein ursprünglicher.

Was ist von der Form des loc.-dat. der i-stämme, msc. pati, fem. pameti,
zu halten? Es wird zunächst zu versuchen sein, ob wir sie nach irgend einer
vorhandenen Möglichkeit der Vergleichung lautlich erklären können. Ausge-
schlossen sind, um zunächst auf etwaige Dativform zu forschen, die Zusammen-
stellung mit skrt. dat. avaje, weil ein *mantajai (aus pa-meti, "Gedächtniss" ent-
nommen) höchstens zu *metoji, aber nicht zu -meti leiten konnte, denn eine etwa
aus *manta-j-ai mit Schwächung des zweiten a entstandene Mittelform * metiji

a. Declination der Nomina.
d. h. des Dativs, in derselben Bedeutung. Der Dativ ist hier aber nach slavischer
Syntax gerade am Platze, denn er wird bei Verben der Bewegung als Ausdruck
des Zieles gebraucht, z. B. altruss. privede Volodimirŭ sŭ Mstislavomŭ vsja bo-
jary Novgorodskyja Kyevu
(Buslajev, Ист. Гр. II, 282) (Wolodimir führte mit
dem Mstislav alle Novgorodschen Bojaren nach Kijev), und im Serbischen
bis heute ganz gewöhnlich, z. B. pa odoše svaki svome dvoru, « da gingen alle
nach ihrem Hofe» (eine Menge von Beispielen Даничић, Српска синтакса p. 321).
Vergleicht man damit noch andere bei Buslajev a. a. O. gegebene Fälle, z. B.
Danilu že vozvrativšusja kŭ domovi: «Als Danilo nach Hause zurückkehrte», wo
statt des sonst allein stehenden domovi die nur mit dem Dativ zu gebrauchende
Präposition hinzugefügt ist, und nimmt dazu, dass domovĭ домовь in den
ältesten Quellen des Altbulgarischen gar nicht vorkommt, so kann es wohl nicht
zweifelhaft sein, dass domovĭ, домовь, aus dem Dativ domovi, домови, erst
entstanden ist durch die in der Weiterentwicklung der slavischen Sprachen
häufige Schwächung eines auslautenden i, и zu ĭ, ь, das sich dann natürlich
nur als j oder Erweichung äussert oder ganz abfällt.

Bei den u-stämmen steht uns im Slavischen nach den obigen Bemerkungen
ein altererbter Unterschied zwischen Locativ- und Dativform fest. Völlig im
Gegensatze dazu stehen die i-stämme und die fem. ā-stämme: bei beiden haben
wir nur die gleiche Form für loc. und dat. seit ältester Zeit überliefert. Bei den
letztgenannten erklärt sich diese Gleicheit durch lautliches Zusammenfallen ohne
weiteres: Bildungen wie dat. * ganā + ai daraus *ganāi und loc. *ganā + i,
daraus *ganāi, mussten nothwendig im Slavischen in ženě zusammenfallen. Viel-
leicht möchte sich jemand, um den doch festgehaltenen Unterschied zu beweisen,
auf die Accentuation des Serbischen berufen, wo bei überhaupt möglichem Accent-
wechsel der loc. verschieden vom dat. betont wird, z. B. dat. glâvi, loc. glávi,
dat. vȍdi, loc. vòdi, allein einmal fehlt dieser Unterschied im Russischen und
dann ist vor allem zu bedenken, dass der Loc. nicht ohne Präposition vorkommt,
diese aber im Serbischen einen bestimmten Einfluss auf die Betonungsweise des
abhängigen Casus hat.

Mit dem slavischen Dativ glavě deckt sich völlig das lit. gálvai, eigentlich
gálvāi, die Länge ist aber im Litauischen in solchem Falle nie mehr zu erkennen,
da das lange ā in Diphthongen nicht der Wandlung zu ō unterliegt. Der loc.
glavě dagegen weicht von galvo-jè ab; es sind eben zwei Suffixe gebräuchlich
gewesen, einfaches -i und -ja, von dem oben die Rede war. Der Unterschied
zwischen loc. und dat., wie er im Litauischen ja noch erhalten, ist auch hier
jedenfalls ein ursprünglicher.

Was ist von der Form des loc.-dat. der i-stämme, msc. pątī, fem. pamętī,
zu halten? Es wird zunächst zu versuchen sein, ob wir sie nach irgend einer
vorhandenen Möglichkeit der Vergleichung lautlich erklären können. Ausge-
schlossen sind, um zunächst auf etwaige Dativform zu forschen, die Zusammen-
stellung mit skrt. dat. avajē, weil ein *mantajai (aus pa-mętĭ, «Gedächtniss» ent-
nommen) höchstens zu *mętoji, aber nicht zu -mętī leiten konnte, denn eine etwa
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[50/0086] a. Declination der Nomina. d. h. des Dativs, in derselben Bedeutung. Der Dativ ist hier aber nach slavischer Syntax gerade am Platze, denn er wird bei Verben der Bewegung als Ausdruck des Zieles gebraucht, z. B. altruss. privede Volodimirŭ sŭ Mstislavomŭ vsja bo- jary Novgorodskyja Kyevu (Buslajev, Ист. Гр. II, 282) (Wolodimir führte mit dem Mstislav alle Novgorodschen Bojaren nach Kijev), und im Serbischen bis heute ganz gewöhnlich, z. B. pa odoše svaki svome dvoru, « da gingen alle nach ihrem Hofe» (eine Menge von Beispielen Даничић, Српска синтакса p. 321). Vergleicht man damit noch andere bei Buslajev a. a. O. gegebene Fälle, z. B. Danilu že vozvrativšusja kŭ domovi: «Als Danilo nach Hause zurückkehrte», wo statt des sonst allein stehenden domovi die nur mit dem Dativ zu gebrauchende Präposition kŭ hinzugefügt ist, und nimmt dazu, dass domovĭ домовь in den ältesten Quellen des Altbulgarischen gar nicht vorkommt, so kann es wohl nicht zweifelhaft sein, dass domovĭ, домовь, aus dem Dativ domovi, домови, erst entstanden ist durch die in der Weiterentwicklung der slavischen Sprachen häufige Schwächung eines auslautenden i, и zu ĭ, ь, das sich dann natürlich nur als j oder Erweichung äussert oder ganz abfällt. Bei den u-stämmen steht uns im Slavischen nach den obigen Bemerkungen ein altererbter Unterschied zwischen Locativ- und Dativform fest. Völlig im Gegensatze dazu stehen die i-stämme und die fem. ā-stämme: bei beiden haben wir nur die gleiche Form für loc. und dat. seit ältester Zeit überliefert. Bei den letztgenannten erklärt sich diese Gleicheit durch lautliches Zusammenfallen ohne weiteres: Bildungen wie dat. * ganā + ai daraus *ganāi und loc. *ganā + i, daraus *ganāi, mussten nothwendig im Slavischen in ženě zusammenfallen. Viel- leicht möchte sich jemand, um den doch festgehaltenen Unterschied zu beweisen, auf die Accentuation des Serbischen berufen, wo bei überhaupt möglichem Accent- wechsel der loc. verschieden vom dat. betont wird, z. B. dat. glâvi, loc. glávi, dat. vȍdi, loc. vòdi, allein einmal fehlt dieser Unterschied im Russischen und dann ist vor allem zu bedenken, dass der Loc. nicht ohne Präposition vorkommt, diese aber im Serbischen einen bestimmten Einfluss auf die Betonungsweise des abhängigen Casus hat. Mit dem slavischen Dativ glavě deckt sich völlig das lit. gálvai, eigentlich gálvāi, die Länge ist aber im Litauischen in solchem Falle nie mehr zu erkennen, da das lange ā in Diphthongen nicht der Wandlung zu ō unterliegt. Der loc. glavě dagegen weicht von galvo-jè ab; es sind eben zwei Suffixe gebräuchlich gewesen, einfaches -i und -ja, von dem oben die Rede war. Der Unterschied zwischen loc. und dat., wie er im Litauischen ja noch erhalten, ist auch hier jedenfalls ein ursprünglicher. Was ist von der Form des loc.-dat. der i-stämme, msc. pątī, fem. pamętī, zu halten? Es wird zunächst zu versuchen sein, ob wir sie nach irgend einer vorhandenen Möglichkeit der Vergleichung lautlich erklären können. Ausge- schlossen sind, um zunächst auf etwaige Dativform zu forschen, die Zusammen- stellung mit skrt. dat. avajē, weil ein *mantajai (aus pa-mętĭ, «Gedächtniss» ent- nommen) höchstens zu *mętoji, aber nicht zu -mętī leiten konnte, denn eine etwa aus *manta-j-ai mit Schwächung des zweiten a entstandene Mittelform * mętĭjī

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Zitationshilfe: Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leskien_declination_1876/86>, abgerufen am 22.11.2024.